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Popkultur

„Driving Home For Christmas“: Wie Chris Rea im Verkehrsstau auf seinen größten Hit kam

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Chris Rea
Foto: Rob Verhorst/Redferns/Getty Images

Wann immer irgendwo jemand für die Weihnachtstage nach Hause fährt, gibt es dazu vor allem einen passenden Soundtrack: Driving Home For Christmas von Chris Rea. Doch wie kommt der Brite eigentlich auf seinen größten Hit? Na klar… während einer Autofahrt!

von Timon Menge

Manche Weihnachtssongs entstehen aus Kalkül, andere durch eine zauberhafte Geschichte. Chris Rea wollte eigentlich nie einen Hit für die Feiertage veröffentlichen, aus Angst vor der Beschädigung seines Rufs als ernstzunehmender Musiker. Ende 1978 holt seine Frau ihn in aber London ab und die beiden geraten in einen Verkehrsstau. Auf der Fahrt hat Rea eine festliche Eingebung, ob gewollt oder nicht. Um drei Uhr nachts kommt das Paar zuhause in Middlesbrough an. Im Gepäck: ein Weihnachtslied für die Ewigkeit. Doch beginnen wir vorne…

Ende 1978 läuft es nicht allzu gut für Chris Rea. Sein Plattenvertrag läuft aus, sein Manager kündigt ihm und sein Label möchte noch nicht einmal das Zugticket von London nach Middlesbrough bezahlen, wo er mit seiner Frau Joan lebt. Seinen Führerschein muss der Musiker ebenfalls abgeben, weshalb er auch nicht selbst fahren kann. Damit Rea irgendwie nach Hause kommt, springt Joan ins Auto und kassiert ihren Mann in der britischen Hauptstadt ein. Dafür legt sie um die 400 Kilometer zurück, etwa viereinhalb Stunden dauert die Fahrt. Auf der Rückreise gerät das Paar auch noch in einen dicken Stau. Doch Rea macht das Beste draus.

„Alle sahen so unglücklich aus.“

Weil der Musiker auf der Fahrt mehr als genug Zeit dazu hat, beobachtet er die Fahrerinnen und Fahrer in den anderen Autos. „Alle sahen so unglücklich aus“, gibt er in einem Interview mit dem Guardian zu Protokoll. Aus Spaß singt er „We’re driving home for Christmas…“ — und legt damit den Grundstein für seinen größten Hit. Noch während der Autofahrt notiert er den Text, wann immer die vorbeirauschenden Straßenlaternen genug Licht dafür spenden. Um drei Uhr morgens kommt das Paar schließlich zuhause an. Auf der Fußmatte wartet bereits ein Brief…

„Mein Song Fool (If You Think It’s Over) war in den USA ein Hit geworden, also bekam ich einen Scheck über 15.000 Pfund“, erinnert sich der Musiker im Interview. „Vorher hatten wir nur noch 220 Pfund und auf einmal konnten wir ein Haus kaufen. Der Song [Driving Home For Christmas] ist dann erstmal in meine Blechdose mit unfertigem Kram gewandert.“ Einige Jahre später sieht es für Rea deutlich rosiger aus. Als er mit seinem Keyboarder Max Middleton zwei neue Pianos ausprobiert, spielen die beiden aus Spaß etwas Jazz — und finden eine passende Melodie für das unfertige Stück.

„Ich habe mir große Sorgen gemacht.“

Danach erscheint die Nummer zunächst als B-Seite. Doch der Song wird von einem DJ entdeckt und immer wieder gespielt. Keyboarder Middleton schlägt deshalb vor, das Stück noch einmal neu aufzunehmen, diesmal mit Streichern. Er selbst spielt das jazzige Intro ein und arrangiert Driving Home For Christmas gemeinsam mit Rea als Weihnachtslied im Stil der Fünfziger. Zunächst funktioniert der Song vor allem als Radiohit. Doch dann steigt er in die Charts ein, alle Jahre wieder. Große Firmen nutzen ihn für Werbung, überall läuft der neue Weihnachtshit rauf und runter. Doch Rea weiß nicht, was er davon halten soll.

„Ich habe mir damals große Sorgen gemacht und dachte, dass ich durch den Song meine Glaubwürdigkeit verliere“, räumt der Künstler ein. „Heute lachen wir darüber. Wann immer ich auf der M25 feststecke – der Road To Hell – kurbele ich das Fenster runter und singe für die Leute I’m driving home for Christmas. Das lieben sie. Für mich fühlt es sich an, als würde ich ihnen ein Geschenk machen.“ Ein Geschenk macht Rea auch dem Rest der Welt, denn seit seiner Veröffentlichung im Dezember 1988 gehört Driving Home For Christmas auf einfach jede Weihnachtsplaylist.

„Wenn wir diesen verdammten Song live spielen, dann machen wir es richtig.“

Auf die Bühne bringt Rea den Song erstmals im Jahr 2014, also 26 Jahre nach Erscheinung. „Der Auftritt war am 21. Dezember, also drängte meine Crew mich dazu, die Nummer live zu spielen“, erzählt er im Guardian-Interview. „Ich erwiderte: ‚Wenn wir diesen verdammten Song live spielen, dann machen wir es richtig.’ Also organisierten wir zwölf Schneekanonen. Wir sind dann in das Stück eingestiegen und man konnte uns noch nicht einmal hören, weil das Publikum so laut war. Wir warfen die Kanonen an und feuerten so viel Schnee ab, dass er etwa einen Meter hoch in der Halle lag. Die Reinigung hat 12.000 Pfund gekostet.“

Wenn Künstler*innen einen Weihnachtshit veröffentlichen, empfinden sie meist eine Hassliebe für den Song. Rea scheint es mit Driving Home For Christmas ähnlich zu gehen. Für uns Weihnachtsliebhaber*innen bleibt das Stück einer der wichtigsten Soundtracks für die Feiertage. Danke dafür, lieber Chris Rea!

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