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Popkultur

Highway 61: Ein Roadtrip entlang der Entstehungsgeschichte des Blues

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B.B. King

Er ist als die “Hauptstraße des Delta” bekannt und der Grund liegt auf der Hand: Der Highway 61 erstreckt sich über 1.400 Meilen (2.300km) zwischen New Orleans, Louisiana und Wyoming, Minnesota. Für unsere Zwecke konzentrieren wir uns auf den Abschnitt von der “Wiege des Jazz” bis nach Memphis, der oft als “Highway Of The Blues” bezeichnet wird. Dieses Gebiet ist auch als das Mississippi-Delta bekannt.


Hört euch hier unsere Playlist Blues für Anfänger an und lest weiter:


Das Delta beginnt in Vicksburg, 300 Meilen von der Flussmündung entfernt, und erstreckt sich über 250 Meilen nordwärts bis nach Memphis. Die riesige, mandelförmige Schwemmebene entstand vor Tausenden von Jahren durch Überschwemmungen des großen Mississippi im Westen und des kleineren Yazoo im Osten. Diese weite Ebene ist ein Gebiet des Baumwollanbaus, Cotton Country.

Bis 1820 war das Delta ein kaum entwickeltes Gebiet mit viel Laubwald. Um 1835 begannen Siedler damit, das Delta abzuholzen, um Baumwolle anbauen zu können. Nach dem Bürgerkrieg war der Wald komplett verschwunden und über die ganze gewaltige Fläche entstanden Plantagen. Das Delta wurde zu einem Katalysator, eine unwirtliche Gegend, die nur eine Art von Musik hervorbringen konnte – den Blues.



Am 27. November 1936 nahm Robert Johnson in San Antonio, Texas, seinen Crossroad Blues auf. Das war nicht nur der Beginn der Legende um ihn selbst, sondern auch der fortdauernden Faszination mit dem Highway 61. Es ist die Geschichte von Johnson, wie er an einer Kreuzung, vermutlich am Highway 61, seine Seele an den Teufel verkauft. Seit 80 Jahren beschäftigt dieser Mythos die Blues- und Rock’n’Roll-Welt.

Bewohner des Delta sind mittlerweile schon genervt davon, dass sie immer wieder von aufgeregten Bluestouristen gefragt werden, wo sich denn jene sagenhafte Kreuzung befindet. Aber nicht alle machen sich die Mühe zu fragen. Einige fahren einfach zu der Stelle, an der sich der Highway 61 und Highway 49 kreuzen und machen dort ihr Foto. Was sie nicht wissen ist, dass diese Kreuzung mindestens eine halbe Meile von der entfernt ist, die zu Johnsons Lebzeiten dort war. Wie dem auch sei, Johnson sang natürlich von einem mythischen Ort und nicht von einer tatsächlichen Straßenkreuzung.



Als Bob Dylan 1965 sein Album Highway 61 Revisited veröffentlichte, wurde die Legende weiter angeheizt. Songs von Künstlern wie Mississippi Fred McDowell (61 Highway) und Roosevelt Sykes, Jack Kelly & His South Memphis Jug Band und Will Batts (Highway 61 Blues), die zwischen Johnsons altem Song und Dylans Album erschienen, taten ein Übriges, um den Mythos am Leben zu erhalten.

Der Blues eroberte von Memphis aus die Welt. Er fand seine Heimat in der Beale Street, etwas den Highway 61 hinauf. Die Beale Street ist die legendäre Musikmeile und ein Zentrum der Afro-Amerikanischen Kultur für Memphis und Umgebung.

In den 1920ern machten sich Labels wie Columbia, OKeh, Victor und Bluebird auf den Weg nach Memphis und ließen durch ihre Scouts verkünden, dass wer ein paar gute Songs spielen konnte, sich zu einer bestimmten Zeit vorstellen sollte. Unter denen, die dieser Einladung folgten, waren zum Beispiel The Memphis Jug Band, Cannon’s Jug Stompers, Frank Stokes, Ishman Bracey, Tommy Johnson und Sleepy John Estes. Etwas später, im Jahr 1941, fuhr Alan Lomax zu Stovall’s Plantation, in der Nähe von Clarksdale, und machte dort die erste Aufnahme von Muddy Waters.


Die Liste derer, die direkt entlang des Highway 61 geboren wurden, liest sich wie ein Who is Who des Blues:

In und um Jackson: Bo Carter, Elmore James, Ishman Bracey, Tommy Johnson und Charley Patton.
Vicksburg: Willie Dixon
Forest: Arthur Crudup
Yazoo City: Tommy McClennan
Belzoni: Otis Spann
Leland: Jimmy Read
Indianola: BB King and Albert King
Scott: Big Bill Broonzy
Teoc: Mississippi John Hurt
Ruleville: Jimmy Rogers
Glendora: Sonny Boy Williamson
Vance: Sunnyland Slim
Clarksdale: John Lee Hooker, Ike Turner, Little Junior Parker, Willie Brown
Stovall: Eddie Boyd
Riverton: Son House
Tunica: James Cotton
Hernando: Robert Wilkins
Horn Lake: Big Walter Horton


Viele dieser Blues Legenden begannen ihre Karriere mit Auftritten bei Picknicks, Miet-Parties (bei denen Geld für die Miete eingesammelt wurde) und samstäglichen Nachbarschaftsfesten im ganzen Delta, bei denen vor allem reichlich Fisch frittiert wurde. Sie nahmen den Zug nach Memphis und dann weiter nach Chicago, Detroit oder in eine der anderen großen Städte im Norden.

Ihre Songs erzählen oft von dem harten Leben in dieser kargen Landschaft. Sie kannten sich mit dem Blues aus, weil sie ihn lebten. Die Songs der Bluesmusiker aus der Zeit vor dem Krieg haben einen nüchternen Charakter, der oft eine weichere Note erhielt, nachdem sie das Delta verließen. Aber wie sagt das alte Sprichwort: “Du kannst den Mann aus dem Delta herausholen, aber Du bekommst nie das Delta aus dem Mann heraus.”

John Grisham schrieb im Vorwort zu seinem Buch Visualizing The Blues: “Das Leid bereitete den Weg für die Kreativität”. Diese Männer (und wenige Frauen), die im Delta aufwuchsen und anfingen, Bluesmusik zu machen, taten dies nicht wegen des Geldes, sondern als Flucht. Jeder Blues-Fan sollte das Delta einmal besucht haben. Die Musik wird danach viel mehr Bedeutung haben und die visuellen Eindrücke werden euch für immer begleiten.


Wir haben 13 Orte entlang des Highway 61 rausgesucht, die ihr auf jeden Fall besuchen solltet

Rhythm Night Club
5 St Catherine Street, Natchez, Mississippi
Dieses kleine Gebäude ist kein Nachtclub mehr. Stattdessen erinnert es an den Natchez Brand vom 23. April 1940, bei dem mehr als 200 Menschen ums Leben kamen. Bluesfans auf der ganzen Welt wissen durch Howlin’ Wolfs The Natchez Burning von 1956 von dieser Tragödie.


Catfish Row Museum
913 Washington Street, Vicksburg, Mississippi
Wenn der Besucher die Geschichte der an den Ufern des Mississippi gegründeten Stadt in sich aufnimmt, dann bringt ihm das Catfish Row Museum nicht nur die Musik aus der Gegend näher, sondern auch ihr reiches Erbe an Essen, Religion und visueller Kunst.


Highway 61 Blues Museum
307 North Broad Street, Leland, Mississippi
Das Highway 61 Blues Museum ist klein, aber sehr einladend. Es befindet sich im Old Montgomery Hotel und ist Teil der örtlichen Bemühungen, an den Delta Blues zu erinnern. Dazu gehören auch Wandmalereien, die vom Leland Blues Project in Auftrag gegeben wurden.


Charley Pattons Grabstätte
Holly Ridge Cemetery, Holly Ridge Road, Mississippi
Auf seinem Grabstein wird Patton zurecht als “The Voice Of The Delta” beschrieben. Für den Besuch seiner Ruhestätte muss man einen kleinen Abstecher weg von der Hauptroute machen, aber es lohnt sich, dem Mann, mit dem alles begann, Respekt zu zollen.


BB King Museum
400 Second Street, Indianola, Mississippi
Das Museum dokumentiert und würdigt die Kariere des als Riley B King geborenen Musikers mit Liveveranstaltungen und Ausstellungen und darf auf keiner Bluesreise fehlen.


Robert Johnsons Grabsteine
Little Zion Missionary Baptist Church, Money Road, Greenwood, Mississippi
Drei Grabsteine auf drei unterschiedlichen Friedhöfen in Greenwood nehmen für sich in Anspruch, die letzte Ruhestätte der ersten Blueslegende der Welt zu sein: 1991 errichtete Sony einen obeliskförmigen bei Mount Zion. ZZ Top bezahlten für einen zweiten auf dem Gelände der Payne Chapel. Und der Stein an der Little Zion Missionary Baptist Church kommt spannenderweise von einer gewissen Rosie Eksridge, die im Jahr 2000 im Alter von 85 Jahren behauptete, dass ihr Mann, Tom “Peter Rabbit” Eskridge, Johnson im August 1938 am hinteren Ende des Friedhofs beerdigt hatte.


Dockery Farms
229 MS-8, Cleveland, Mississippi
Dockery Farm war eine 25.600 Morgen große Baumwollplantage und Sägewerk am Sunflower River am Highway 8 zwischen Cleveland und Ruleville. Sie wurde kürzlich zu einem Wahrzeichen Mississippis ernannt [link to: https://www.udiscovermusic.com/news/mississippis-dockery-farms-named-blues-landmark]. Der Ort gilt als die Geburtsstätte des Blues; Farmpächter, die für Will Dockery arbeiteten, lebten in Gemeinschaftsunterkünften, wo sie Musik machten. Daraus entstand der Blues. Charley Patton der “Gründer des Delta Blues”, war einer der ersten Siedler auf Dockery. Auch Robert Johnson, Howlin’ Wolf und Pops Staples waren zu der einen oder anderen Zeit hier, nahmen Einflüsse auf und formten ihren jeweils eigenen Stil. Jetzt gehört das Grundstück der Dockery Farms Foundation und ist für Besucher geöffnet. Private Führungen können vorab gebucht werden.


GRAMMY Museum Mississippi
800 West Sunflower Road, Cleveland, Mississippi
Das GRAMMY Museum Mississippi deckt zwar ein breites Feld ab und würdigt neben der Musik aus dieser Gegend auch die Beatles, die Geschichte der elektrischen Gitarre und den texanischen Bluesmusiker Stevie Ray Vaughan mit diversen Ausstellungen. Aber selbstverständlich widmet sich das Museum auch dem Blues und seinem Einfluss auf den Jazz, Rock’n’Roll und Hip-Hop.


Devil’s Crossroads
599 North State Street, Clarksdale, Mississippi
Die ursprüngliche, sagenumwobene Kreuzung, die Robert Johnsons Song und seiner Legende zugrunde liegt, ist zwar mittlerweile in den Untiefen der Geschichte verlorengegangen, aber ein Foto an der Markierung an der Kreuzung von Highway 61 und Highway 49 gehört auf jeden Fall dazu.


Delta Blues Museum
1 Blues Alley, Clarksdale, Missisippi
Das Delta Blues Museum wurde 1979 gegründet und befindet sich heute im Frachtzentrum von Clarksdale, welches seit 1918 existiert. Mit seiner 78s-Sammlung, speziellen Filmabenden und spannenden Ausstellungen ist das Museum ein Pflichthalt im “Heimatland des Blues”.


Riverside Hotel
615 Sunflower Avenue, Clarksdale, Mississippi
Seit 1944 ist das Riverside eine beliebte Unterkunft für Musiker auf Tour, darunter Namen wie Sonny Boy Williamson II und Ike Turner. Davor war es das GT Thomas Hospital, welches traurige Berühmtheit erlangte, als Bessie Smith, die “Kaiserin des Blues”, am 26. September 1937 nach einem Autounfall dort verstarb.


Stovall Farms
4146 Oakhurst Stovall Road, Clarksdale, Mississippi
Stovall Farms befindet sich kurz außerhalb von Clarksdale. Muddy Waters lebte hier für einen großen Teil seiner frühen Jahre und hier nahm Alan Lomax zwischen 1941 und 1942 mit ihm auf. Das Gebäude, in dem er lebte, wird jetzt vom Delta Blues Museum bewahrt.


BB King’s Blues Club
143 Beale Street, Memphis, Tennessee
Von den vielen BB King Blues Clubs in den USA war der in der Beale Street der erste. Er wurde 1991 im Herzen der Livemusikmeile von Memphis eröffnet.


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Popkultur

„Please Please Me“: Vor 60 Jahren erscheint das schlüpfrige Debüt der Beatles

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The Beatles Header
Foto: Mirrorpix/Getty Images

Am 22. März 1963 erscheint das erste Beatles-Album Please Please Me. Es beginnt mit einer frechen Aufforderung zum Oralverkehr, endet mit dem Orkan Twist And Shout – und macht die Beatles endgültig zu Stars.

von Björn Springorum

Heute kennt man sie ja alle, die Geschichten. So gut, dass es sich manchmal fast so anfühlt, als wäre man damals dabei gewesen. Auf der Reeperbahn. Im Cavern Club. Als Astrid Kirchherr aus den vier unscheinbaren Liverpooler Jungs die coolen Beatles macht. Bei ihrem vergeigten Vorspielen für Decca am Neujahrsmorgen 1962. Im Van von Gig zu Gig im kalten Großbritannien. Damals kennen diese Geschichten aber eben nur die wenigsten. Auch weiß niemand, dass hinter den Kulissen der Popmusik, hinter den in Großbritannien so angesagten Stammhaltern wie Cliff Richard und den Shadows eine Wachablösung vorbereitet wird. Eine neue Zeitrechnung. Gut, niemand außer Brian Epstein vielleicht.

George Martin hat den richtigen Riecher

Im März 1963 ist die Welt noch weit von einer Beatlemania entfernt. Seit 1961 besteht die Band aus John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und dem glücklosen Drummer Pete Best, der ja bekanntlich kurz vor ihrem großen Durchbruch gefeuert werden. Im Mai 1962 unterschreiben sie bei EMI und arbeiten fortan mit Produzent George Martin zusammen. Auch das weiß damals niemand: Die Band und ihr Produzent werden gemeinsam Musikgeschichte schreiben. Selbst wenn er ihnen anfangs nicht zutraut, jemals einen Hit zu komponieren. Seine Meinung ändert er schnell, als nach Love Me Do auch die zweite Beatles-Single Please Please Me einschlägt und in verschiedenen Hitparaden sogar bis an die Spitze klettert.

Das Rätselhafte ist: Nach den frühen Erfolgen ihrer ersten Singles will Martin ein ganzes Album mit den Beatles aufnehmen. Ein Album, von einer eher bei Teenagern beliebten Band? Ein absolutes Novum und nach Ansicht vieler ein vorprogrammierter Reinfall. Erwachsene kaufen Alben mit langweiliger Musik, die Kids Singles mit dem heißen Scheiß. So läuft das damals. Ist Martin aber egal. Der wittert Anfang 1963 etwas in der Luft, das die Welt für immer verändern wird.

Das Debüt wird an einem Tag aufgenommen

Recht zackig geht es damals noch in den Studios zu, viel Zeit für Experimente ist nicht vorgesehen. Ihr allererstes Album Please Please Me nehmen die Beatles dann auch an einem einzigen Tag auf – am 11. Februar 1963. Pete Best musste auf George Martins Anraten da schon seine Koffer packen und Platz machen für Ringo Starr. Wie wir aus der Peter-Jackson-Doku Get Back wissen, ist ein Studiotag zum Ende ihrer Karriere nicht mal genug Zeit, in der man die eine oder andere Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu räumen. Man sieht also: Am Anfang der kurzen und dafür unerreicht steilen der Karriere soll alles noch ganz anders sein als am Ende knapp sieben Jahre später.

„Es war eine sehr geradlinige Angelegenheit, eher wie eine Aufführung“, so sagte George Martin mal zu den legendären Debüt-Aufnahmen der Beatles. „Wir buchten eine Morgen- und eine Nachmittags-Session und fügten dann noch die Abend-Session hinzu.“ Darüber schreibt der Beatles-Chronist Mark Lewisohn später: „In der Geschichte der aufgenommenen Musik gab es wohl nie wieder derart 585 produktive Minuten.“ Neben Chef George Martin sind Norman Smith und Richard Langham als Tontechniker dabei, als im Studio 2 der Abbey Road Studios (damals noch EMI-Studios) Musikgeschichte auf Tape gebannt wird. „Wir probten unser erstes Album nicht“, erinnerte sich Ringo Starr einst. „Wir nahmen es live auf.“ Davon profitiert das schnörkellose, direkte Material bis heute. Please Please Me klingt als einziges Beatles-Album wie eines ihrer Konzerte in Hamburg oder Liverpool – wo der Schweiß von der Decke tropft und alles nach Bier und Zigaretten riecht.

John Lennon ist heftig erkältet

Um zehn Uhr morgens geht es los, John Lennon schleppt eine üble Erkältung mit ins Studio, (McCartney schnieft auch, kein Wunder, das schreckliche englische Wetter…), und lutscht eine Halspastille nach der anderen. Sie nehmen den ganzen Tag auf, bis sie um zehn Uhr abends ihr Cover von Twist And Shout im Kasten haben. Die Nummer muss solange warten, weil Lennons Stimmbänder nach dem rachenzerfetzenden Gebrüll der Nummer vollkommen ruiniert sein würden. Denkt zumindest George Martin. Und zeigt sich beeindruckt: „Ich weiß nicht, wie die das machen. Wir nahmen den ganzen Tag auf, doch je später es wurde, desto besser wurden sie.“ Lennon sieht das etwas anders: Er kann danach wochenlang nicht schlucken. Alles für den Ruhm eben.

Und der kommt. Mit großen Schritten. Zwar wird das Debüt dann doch Please Please Me genannt und nicht Off The Beatle Track, wie McCartney vorschlägt; die Gottwerdung der vier Protagonisten ist von da an aber nicht mehr aufzuhalten. Das Album, das damals für gerade mal 400 Pfund (heute umgerechnet 9000 Pfund) aufgenommen wird, erscheint vor 60 Jahren am 22. März 1963, ist im Mai auf Rang eins der britischen Charts geklettert und bleibt dort satte 30 Wochen, bis es vom Nachfolger With The Beatles abgelöst wird. Da ist die Beatlemania längst ausgebrochen. Und die vier Jungs aus Liverpool auf dem Expressweg zur größten Band der Welt.

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Zeitsprung: Am 26.2.1970 erscheint in den USA ein halbherziges Beatles-Album.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 22.3.1987 brillieren Anthrax mit „Among The Living“.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 22.3.1987.

von Christof Leim

Bunte Shorts und schnelle Riffs: Mit „Among The Living“ legen Anthrax am 22. März 1987 einen Klassiker des Thrash Metal hin. Dabei wäre die Sache beinahe beim Mix gehörig schief gegangen. Für den „Zeitsprung“ blickt Scott Ian zurück auf Comics und Sozialkritik, Hetfields Segen und die zufällige Erfindung des Rap-Metal.

Hier könnt ihr euch die Thrash-Granate ganz anhören:

Mit ihrem zweiten Album Spreading The Disease hatten Anthrax 1985 ihren Stil gefunden. Thrash Metal als Genre explodiert, und die New Yorker reiten ganz vorne mit. Die fünf blutjungen Headbanger touren was das Zeug hält, eine Pause gibt es nicht: „Als es mit den Shows für Spreading The Disease losging, haben wir mit dem Songwriting einfach weitergemacht“, erinnert sich Gitarrist Scott Ian im Gespräch mit dem Autor. „Uns war klar, dass wir in einem Jahr eine neue Platte abliefern müssen.“ 

Hetfield findet es gut

Vor allem Drummer und Hauptsongwriter Charlie Benante hat jede Menge Ideen, die die Band bei Soundchecks und im Bus ausarbeitet. Anthrax verfolgen vor allem die mit dem Song A.I.R. von Spreading The Disease eingeschlagene Richtung, legen aber noch einen drauf. Schon während der Europatour im Herbst 1986 als Vorgruppe von Metallica haben sie die beiden späteren Klassiker I‘m The Law und Indians am Start. „Ich kann mich erinnern, dass wir James Hetfield die Songs im Bus vorgespielt haben. Er fand die Riffs großartig. Und auch wir wussten, dass das Zeug einschlagen würde. Es klang noch besser als A.I.R., mit besseren Riffs und schnelleren Parts.“ Leider kommt bei dieser legendären Konzertreise Cliff Burton ums Leben, der Bassist von Metallica und ein Freund von Anthrax. 

Thrash Metal ist eine ernste Angelegenheit. Not. – Foto: Brian Rasic/Getty Images

Zurück in den USA können Anthrax mit Hilfe von Island Records sogar Eddie Kramer als Produzenten gewinnen, der mit einigen der größten Namen im Rock gearbeitet hatte, darunter Jimi Hendrix, Led Zeppelin und The Rolling Stones. Für die Musiker zählt aber eine andere Referenz: „Wir wollten ihn vor allem, weil er einige der besten Kiss-Platten produziert hatte, nämlich Alive! und Rock And Roll Over“, stellt Scott klar. Die Band steht auf die Liveatmosphäre, die Kramer seinen Aufnahmen zu verleihen vermag. Die Produktion im Quadradial Studio in Miami läuft hervorragend, es „herrscht eine Energie wie in einem Football-Stadion“. 

Ersoffen in Hall und Echo

Doch beim Mix in den Compass Point Studios auf den Bahamas, in dem schon Iron Maiden reihenweise Klassiker geschaffen hatten, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Beeindruckt vom Megaerfolg des Def Leppard-Meilensteins Hysteria (1987) und seiner poppigen Produktion von Robert „Mutt“ Lange ertränkt Kramer die Anthrax-Songs in Hall und Echo. Das klingt nicht nur weicher, sondern lässt angesichts der rasenden Geschwindigkeit der Stücke sämtliche Details verschwimmen. Kurz: eine Katastrophe. Die Band fällt aus allen Wolken und macht – Kiss-Fans hin, Legende her – deutliche Ansagen. Vor allem Scott bleibt stur, weil er weiß, dass die Zukunft seiner Gruppe von dieser Platte abhängt. Glücklicherweise einigen sich die Parteien und kreieren einen trocknen, megafett drückenden, heute klassischen Thrash-Sound.

Textlich schwanken Anthrax auf Among The Living zwischen ernsthaft, lustig und Nerdkram: Während Indians die Vertreibung der nordamerikanischen Ureinwohner anprangert, vertont Scott gleich zweifach seine Liebe zu den Horror-Thrillern von Stephen King. Dessen Bücher The Stand (deutscher Titel: Das letzte Gefecht) und Apt Pupil (verfilmt als Der Musterschüler) standen Pate für die Stücke Among The Living und Skeletons In The Closet

Comics und Sozialkritik

Efilnikufesin (N.F.L.) thematisiert den Drogentod des Schauspielers John Belushi von den Blues Brothers, während Caught In The Mosh den Umgang mit dummen, nervigen Mitmenschen mit einem Moshpit vergleicht, dem man nicht entkommen kann. „Ich habe über die Themen gar nicht groß nachgedacht“, meint Scott dazu. „Ich würde euch ja gerne erzählen, dass I Am The Law als Metapher für irgendwas steht, eine schlechte Regierung oder böse Cops. Aber nein: Der Song handelt von Judge Dredd, weil ich auf Comics stehe. Damals wusste ich es auch gar nicht besser, ich war gerade mal 22 Jahre alt. Für mein Hirn ergab I Am The Law genauso viel Sinn wie Horror Of It All, in dem es um den Tod von Cliff geht. Ich wurde zum Texter der Band und musste mich anstrengen, damit nicht unterzugehen.“

Dass Anthrax nicht immer alles bierernst sehen, zeigt sich in einem musikalischen Experiment: Weil die Musiker auf Run-DMC und die Beastie Boys stehen, schreibt Scott mit seinem Gitarrentechniker John Rooney einen nach eigenen Worten „blödsinnigen“ Rap-Song, spielt dazu das jüdische Folk-Stück Hava Nagila als Metal-Riff – und fertig ist I‘m The Man, der erste (erfolgreiche) Rap-Metal-Crossover

Die zufällige Erfindung des Rap-Metal

So haben Anthrax nach der Hardcore-Thrash-Vermählung bei S.O.D. zum zweiten Mal musikalische Grenzen eingerissen. Dabei war die Nummer »ein totaler Witz«, wie Scott auch drei Dekaden später noch betont. I‘m The Man wird zunächst auf der B-Seite von I Am The Law versteckt, findet aber großen Gefallen, gehört fortan zum Liveset und wird später sogar auf einer eigenen EP veröffentlicht.

Among The Living erscheint am 22. März 1987 und knackt mit einem Platz 62 die Top 100 in den USA. Die Scheibe zählt nicht nur zu den wichtigsten Alben von Anthrax, sondern eines ganzen Genres. Die neun Songs bersten förmlich vor Thrash-Energie und klingen dabei größer, eingängiger und vielseitiger als auf dem Vorgänger. „Sechs der Stücke könnten wir noch heute jeden Abend spielen“, findet Scott und hat Recht. „Das sagt schon was. Sie sind so gut.“ 

Bunte Shorts sind Metal!

Das Quintett begleitet nach der Veröffentlichung erneut Metallica in Europa, die mit neuem Bassisten Jason Newsted ihre Master Of Puppets-Tour beenden. In den USA sind Anthrax da bereits als Headliner unterwegs. Dabei gibt sich die Band bei allem ernsthaften Geriffe locker auf der Bühne: Die Zeiten von Nieten und Leder sind endgültig vorbei, unfassbar bunte Shorts und Shirts setzen einen deutlichen Kontrapunkt zum vorherrschenden Stil in der Welt der harten Musik.

Mit der Platte beschleunigt sich das Leben im Anthrax-Lager noch mehr: „Alles passierte richtig schnell! Man muss sich das mal vor Augen führen: Among The Living erschien nur drei Jahre nach Fistful Of Metal. „Im Mai 1987, am Anfang der Tour, haben wir kleine Clubs mit 500 Leuten ausverkauft. Im Dezember standen wir in den USA jeden Abend vor 7000 Fans. Ich war gerade mal 24.“

Zeitsprung: Am 23.2.1992 treffen Anthrax auf Al Bundy.

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Popkultur

35 Jahre „Surfer Rosa“: Wie die Pixies quasi Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ schrieben

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Foto: Rob Verhorst/Getty Images

Zu punkig für Grunge, zu arty für Punk: Schon mit ihrem Debüt Surfer Rosa setzt sich das Alternative-Rock-Kuriosum Pixies 1988 genüsslich zwischen alle Stühle. Der Erfolg kommt dennoch und beeinflusst alles von Nirvana bis Radiohead – auch wegen der großartigen Selbstverlusthymne Where Is My Mind.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Surfer Rosa anhören:

Als Punk noch nicht ganz tot und Grunge noch nicht ganz da ist, finden die Pixies zusammen. Allerdings nicht in Seattle, wo der Grunge geboren wurde, sondern in Boston an der Ostküste der USA, dem Epizentrum des US-amerikanischen Hardcore Punk. Okay, und der Heimat von Aerosmith, aber die dürften für die Pixies jetzt weniger eine Rolle gespielt haben.

Lang bevor Kurt Cobain und seine Truppe auf die Idee kam, dass die Dynamik einer zurückhaltenden Strophe und eines wild um sich schlagenden Refrains vielleicht auch für Nirvana eine gute Idee wäre, kultivieren die Kommilitonen Joey Santiago und Black Francis während ihres Nebenjobs in einer Lagerhalle die Idee einer Band. Zwei sind dafür aber in der Regel zu wenig, also schalten sie im Januar 1986 eine der wahrscheinlich kuriosesten Stellengesuche in der Welt des Rock’n’Roll: Gesucht wurde jemand für den Bass mit Vorlieben für sowohl den Folk-Act Peter, Paul And Mary als auch für die seltsamen Alternative Punks von Hüsker Dü. Nur eine Person meldet sich auf die Annonce – und sie spielt nicht mal Bass: Kim Deal. Scheint kein Hindernis zu sein, die beiden nehmen sie mit offenen Armen in ihre Mitte auf.

Hinterlistige kleine Kobolde

Wenn eine Band schon so anfängt, ist entweder gar nichts oder eben doch Großes zu erwarten. Rasch noch einen Schlagzeuger gefunden, das Wörterbuch zufällig auf irgendeiner Seite aufgeschlagen und sich für den Namen Pixies entschieden – also diese hinterlistigen kleinen Kobolde aus der englischen Fabelwelt. Man probt in einer Garage, man spielt in Bostoner Bars, man entwickelt einen Sound, der an der anderen Küste der USA sehr bald zu einer Blaupause für das werden soll, was unter dem Namen Grunge in den Mainstream kracht wie eine schlechtgekleidete Rakete mit fettigen Haaren.

Nach einem Demo und einem Plattenvertrag beim angesehenen Alternative-Pulsmacher 4AD geht es für die Pixies Ende 1987 ins Studio. Das Vorhaben: Ein Debüt aufnehmen. Der Produzent: Steve Albini. Den kennt man in der Szene kaum, zuvor hat er kaum als Produzent gearbeitet. Später, klar, wird er mit Nirvana an In Utero arbeiten, aber 1987 sind es erneut die Pixies, die ihn bekannt machen sollen. Was in zwei verschiedenen Studios in Massachusetts entsteht, ist ein körperlicher, viszeraler, schroffer Sound voller anatomischer Referenzen und Anspielungen auf Selbstverletzung: Bone Machine, Break My Body oder Broken Face heißen die Songs, die die junge Band in diesen Tagen auf die Tape-Maschinen bannt. In Cactus geht es um einen Sträfling, der seine Freundin bittet, ihre Hand an einem Kaktus aufzuspießen, ihr Kleid mit Blut zu beschmieren und es ihm zu senden. Ganz normales Zeug also.

Gesangsaufnahmen im Badezimmer

Der karge, trockene Sound der Drums wird von metallisch sägenden Gitarren und einer Vielzahl menschlicher Laute kontrastiert – singen, schreien, krächzen, würgen, jaulen. Nicht oft harmonisch und melodisch, aber dann (wie bei Where Is My Mind?) so richtig. Laut/leise, hart/sanft, eingängig/abgefahren lauten die Devisen, auf die sich Band und Produzent sofort einigen können. Steve Albini erinnerte sich mal an das erste Treffen mit der Band, bei dem sie über den Sound der Platte sprachen: „Und am nächsten Tag waren wir auch schon im Studio.“

Zehn Tage hat man Zeit, 10.000 US-Dollar ist das Budget. 1.500 davon bekommt Steve Albini, der in alter DIY-Manier auf Royalties verzichtet. Allein in den USA soll sich die Platte über 700.000 Mal verkaufen – das nennt man dann wohl nackten Idealismus. Dafür erweist sich Steve Albini sozusagen als fünfter Pixie und lebt sich bei den Aufnahmen voll in seinen unorthodoxen Produktionsmethoden aus. Ist ja auch fair. Kim Deals Gesang auf Where Is My Mind? wird im Badezimmer aufgenommen, um mehr Echo zu bekommen, Black Francis nimmt seinen Gesang auch mal durch einen Gitarrenverstärker auf. Außerdem erlaubt er sich, Gespräche im Studio mitzuschneiden und unter die Songs zu legen. Ein genialer Kauz eben.

Urmutter des Grunge

Als das Album erscheint, wird es in den USA erst mal gepflegt ignoriert, während es sich in Großbritannien zum echten Hit mausert. Skurrilerweise war die Platte in den USA zunächst nur als UK-Import zu bekommen, wird dann aber auch in den Staaten nach und nach zu einem verehrten Underground-Juwel – klar, spätestens als MTV seine Klauen in den Grunge gräbt und alle langsam checken, was schon einige Jahre zuvor in Boston vor sich ging. Und dann ist da natürlich noch Where is My Mind?, diese geniale, schleppende, jenseitige Hymne an dissoziatives Verhalten, weltberühmt gemacht durch den Film Fight Club.

Heute gilt Surfer Rosa als Grunge-Blaupause. Kurt Cobain gab zu, dass Surfer Rosa der mit Abstand größte Einfluss auf Smells Like Teen Spirit war. „Ich wollte einen Pixies-Song schreiben“, sagte er mal. Auch das Verpflichten von Steve Albini geht auf diese Platte zurück. Ähnlich geht es PJ Harvey, die danach sofort mit Albini arbeiten will.

Und die Pixies? Machen es wie jede gute Band: Fangen an, ihre Stadt und sich selbst zu hassen, halten aber noch bis 1993 durch. Es reicht, um die Alternative-Rock-Welt für immer zu verändern.

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24. September 1991: Der beste Tag der Musikgeschichte

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