Popkultur
Highway To Hell? 10 Rocksongs für die Hochzeit
Für die meisten Brautpaare ist eines glasklar: Der (zumeist) schönste Tag des Lebens braucht einen gebührenden Soundtrack. Songs, die individuell auf die zwei Turteltauben abgestimmt sind. Doch wer nicht gerade zufällig auf frommen Kirchengesang steht, zieht zumindest bei einer Trauung vor Gott den Kürzeren. Nothing Else Matters auf der Orgel? Highway To Hell vom Kirchenchor? Das ist wohl eher die Ausnahme.
von Sina Buchwitz und Timon Menge
Glücklicherweise sind freie Trauungen auf dem Vormarsch, die abseits der Kirche stattfinden und bei denen Brautpaare auch musikalisch so richtig die (Rock-)Sau rauslassen dürfen. Wir haben ein paar Songs zusammengestellt, mit denen der Weg zum Traualtar auch ohne Wagner funktioniert.
1. Lamb Of God – Remorse Is For The Dead
Zugegeben: Lamb Of God sind nicht gerade als klassische Hochzeitsband bekannt. Umso größer ist dementsprechend das Staunen der Hochzeitsgäste, als Superfan Amanda Lowther im Oktober 2020 zu den Klängen des Remorse Is For The Dead-Intros zum Traualtar schreitet. Im Schlepptau: Ihr Sohn Adler, benannt nach Lamb-Of-God-Bandmitglied Willie Adler. Im Anschluss postet die stolze Braut das Video auf Twitter – und erhält prompt Glückwünsche von Gitarrist Mark Morton höchstpersönlich.
Hi @lambofgod @MarkDuaneMorton I got married this last weekend and the intro to Remorse is for the dead was my aisle song. My son who walked with me is named Adler (please show Willie!) Thanks for being part of our day pic.twitter.com/vRnTsfrAM0
— Amanda Lowther (@amandamlowther) October 14, 2020
2. The Darkness – I Believe In A Thing Called Love
Im Jahr 2002 konnte man kaum einen Musiksender einschalten, ohne über The Darkness zu stolpern. Kein Wunder, denn mit ihrem abwechslungsreichen Rocksong I Believe In A Thing Called Love versprühen die Briten nicht nur reichlich Sexappeal, sondern auch eine ganze Menge gute Laune. Die herrscht hoffentlich auch bei einer Trauung, sodass sich die Nummer perfekt für jede Hochzeit mit Spaßfaktor eignet. „We’ll be rocking till the sun goes down“, heißt es in den Lyrics. Nach dem Ja-Wort dauert die Party aber wohl eher bis zum Sonnenaufgang.
Love Lyrics: I believe in a thing called love / just listen to the rhythm of my heart / there’s a chance we could make it now / We’ll be rocking till the sun goes down / I believe in a thing called love
3. Babymetal – Road Of Resistance
In vielen Kulturen ist es üblich, dass das Brautpaar erst zum Empfang hinzustößt, wenn die gesamte Hochzeitsgesellschaft bereits Platz genommen hat. Dieser „erste Auftritt“ als Ehepaar verlangt selbstverständlich ein gewisses Maß an Dramatik. Ein Brautpaar aus Japan nutzte diese Gelegenheit, um ihrer Liebe zur Kawaii-Metal-Band Babymetal Ausdruck zu verleihen: Zu den dröhnenden Klängen von Road Of Resistance werden die Vorhänge gelüftet, hinter denen sich Braut und Bräutigam befinden. Mit wehenden Babymetal-Fahnen zieht das frisch vermählte Paar in den Saal, angefeuert von den Jubelrufen der Gäste. Coolness-Faktor? 10/10 Punkte.
新郎新婦入場。
挙式でもお父さんお母さんに同じ突っ込みされてたw#せつなな結婚式 pic.twitter.com/pJn1VxTGBw— ♨︎湯気♨︎ (@yuckin_rock) October 26, 2019
4. Queen – You’re My Best Friend
Queen kennt man dafür, dass alle vier Bandmitglieder gleichermaßen erfolgreiche Hits für die Gruppe komponiert haben. You’re My Best Friend stammt aus der Feder von Bassist John Deacon, der die Nummer Mitte der Siebziger für seine Frau Veronica Tetzlaff schrieb. Und die Botschaft behält bis heute Gültigkeit, wie es scheint: Deacon und Tetzlaff sind seit mehr als 45 Jahren verheiratet und haben sechs Kinder.
Love Lyrics: Oh, you’re the best friend that I ever had / I’ve been with you such a long time / You’re my sunshine and I want you to know / that my feelings are true / I really love you
5. Converge – Concubine
Wer sagt, dass Hochzeitsempfänge staubtrocken oder kitschtriefend sein müssen? Im Jahr 2013 beweist eine japanische Hochzeitsband, dass es sich auch in Hemd und Krawatte einwandfrei headbangen lässt. Ein YouTube-Video gibt Einblick in die ungewöhnliche Feier: Auf ein – vergleichsweise ruhiges – Lied folgt absolutes Chaos. Die Jungs geben ein Cover von Converges Concubine zum Besten. Was für Nicht-Metaller vermutlich wie eine Hochzeit aus der Hölle klingt, sorgt bei dieser Hochzeitsgesellschaft für grölende Zustimmung. Auch die Band zeigt vollen Körpereinsatz: Erst verliert der Bassist einen Schuh, zum Schluss liegt er zappelnd auf dem Boden. Rock on!
6. Pachelbel – Canon In D
Als YouTube gerade nach Deutschland schwappte, war dieses Video aus der Rock- und Metal-Community nicht wegzudenken. Wann genau das Stück Canon a 3 Violini con Basso continuo geschrieben wurde, konnte bis heute nicht herausgefunden werden, aber es wird gemutmaßt, dass der Nürnberger Komponist Johann Pachelbel das Lied für die Hochzeit von Johann Christoph Bach (Johann Sebastians älterem Bruder) am 23. Oktober 1694 verfasste. Mit seinem YouTube-Cover verhalf der Gitarrist Funtwo dem alteingesessenen (mutmaßlichen) Hochzeitsstück im Jahr 2007 zu neuer Berühmtheit.
7. Foo Fighters – Everlong
Verlobungen gibt es auf beinahe jedem mittelmäßigen Konzert jeder mittelmäßigen Band. Wahre Fans gehen noch einen Schritt weiter – und heiraten gleich während eines Live-Auftritts ihrer Lieblingsband. So geschehen bei den Foo Fighters 2018, die in Dallas (unfreiwillig) zur Hochzeitsband zweier Turteltauben werden. Die hatten Standesbeamtin, Eheringe und Luftschlangen kurzerhand mit zum Konzert gebracht. Als die Band zu Everlong anstimmt, gibt das Paar sich das Ja-Wort; was aufgrund der Lautstärke gar nicht so einfach ist. Besiegelt wird die Mini-Zeremonie mit einem gebührenden Kuss sowie wildem Gekreische der umstehenden Fans.
Love Lyrics: If everything could ever feel this real forever / If anything could ever be this good again / the only thing I’ll ever ask of you / You’ve got to promise not to stop when I say when
Hey @foofighters big shout out for being the band at your wedding . Thanks a million to the staff at the starplex pavilion for helping our dreams come true #foofighterswedding #bestfoodayever #davegrohl #foofighters pic.twitter.com/ioq9Sunj4p
— (@BeLLaHMaReE) April 23, 2018
8. Motörhead – Love Me Forever
Motörhead-Frontröhre Lemmy Kilmister scheint auf den ersten Blick nicht der emotionalste Kerl zu sein, doch wer sich ein wenig ausführlicher über den Briten informiert, kennt seine softe Seite nur allzu gut. In Love Me Forever geht es einerseits um den Wunsch nach Bindung, aber der Song hat auch eine melancholische Seite, die so viel sagt wie: Versprich mir bitte keine ewige Liebe; ich kann sie dir auch nicht versprechen. Ob sich die Nummer für eine Hochzeit eignet, kommt im Allgemeinen wohl auf den Grad der Desillusionierung des Brautpaares an, aber für Motörhead-Fans liefert der Song genau die richtige Untermalung für eine krachige Zeremonie.
Love Lyrics: You give me your hand / don’t you ever ask why / promise me nothing / live ’til we die
9. Train – Marry Me
The title says it all: Wer es etwas ruhiger mag, könnte auf Marry Me von Train zurückgreifen. In dem simplen Stück singt Pat Monahan von der klassischen Liebe auf den ersten Blick und darüber, wie es wäre, bereits diese erste Begegnung mit einem Heiratsantrag zu besiegeln. 2012 nahm Countrysängerin Martina McBride eine Duettversion des Songs auf, die noch immer gern für Trauungen genutzt wird.
Love Lyrics: I promise to sing to you / When all the music dies / and marry me / today and everyday
10. The Black Keys – Everlasting Light
Mit The Black Keys kann man die eigene Hochzeit ein wenig alternativer gestalten. In drei Minuten und 25 Sekunden trägt das Duo aus Ohio eine kitschfreie Lo-Fi-Liebeserklärung vor, die selbst dem hartgesottensten Bluesrocker ein paar Gefühle entlocken sollte. Das Beste daran: Everlasting Light eignet sich nicht nur für den Einmarsch, sondern aufgrund seiner Tanzbarkeit auch für die Party danach.
Love Lyrics: Let me be your everlasting light / the sun when there is none / I’m a shepherd for you / and I’ll guide you through
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Let’s Get It On: Die größten Liebeslieder der Musikgeschichte

Popkultur
Zeitsprung: Am 30.9.1978 veröffentlicht Gary Moore „Back On The Streets“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.9.1978.
von Christof Leim und Tom Küppers
Als Gary Moore am 30. September 1978 Back On The Streets veröffentlicht, hat er schon einige Bands hinter sich. Die Platte erscheint unter eigenen Namen, doch er kann auf helfende Freunde zählen. Insbesondere die Herren Lynott und Downey, zwei alte Bekannte aus Dublin, mischen mit.
Hört hier in Back On The Streets rein:
Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.
Dass bei Gary Moore etwas mit Musik gehen würde, zeichnet sich schon früh ab: Mit zehn bekommt er seine erste Gitarre in die Finger, schon im Alter von 16 Jahren wird er 1968 von der Dubliner Band Skid Row rekrutiert (nicht verwandt oder verschwägert mit den gleichnamigen Hardrockern aus New Jersey). Nach dem Ende dieser Truppe gründet er die kurzlebige Gary Moore Band und veröffentlicht 1973 das Quasi-Soloalbum Grinding Stone. 1974 hilft er kurzfristig auf der Bühne und im Studio bei Thin Lizzy aus und betätigt sich parallel bei den Jazzrockern Colosseum II. Als Lizzy Anfang 1977 vor einer gemeinsamen US-Tour mit Queen ohne Gitarrist dastehen, springt Gary wieder ein.
Insbesondere mit Lizzy-Frontmann Phil Lynott versteht sich Moore auf künstlerischer und persönlicher Ebene hervorragend. Doch das Angebot fest bei der seinerzeit populärsten irischen Band einzusteigen, lehnt der Gitarrist noch ab. Zum einen will er seine Colosseum II-Kollegen trotz kommerziellen Misserfolgs nicht im Regen stehen lassen, zum anderen steckt er zu diesem Zeitpunkt schon in den Vorbereitungen für sein erstes „richtiges“ Soloalbum.
Back On The Streets wird im Frühjahr 1978 unter der Aufsicht des legendären Hardrock-Produzenten Chris Tsangarides eingespielt. Neben Studiogrößen wie dem späteren Toto-Schlagzeuger Simon Phillips gastiert mit Phil Lynott und Trommler Brian Downey die Rhythmussektion von Thin Lizzy gleich auf mehreren Stücken. Und auch kompositorisch hinterlässt Lynott deutliche Spuren: Abgesehen von einer gelungenen Neueinspielung des Lizzy-Hits Don’t Believe A Word in balladesker Form profitiert Moore zwei weitere Male von den schöpferischen Fähigkeiten seines Freundes.
Fanatical Fascists zeigt sich von der wuchtigen Simplizität des aufkeimenden UK-Punk inspiriert, für den Lynott große Sympathien hegt. Für die größere Überraschung sorgt Parisienne Walkways: Der gemeinsam von Lynott und Moore geschriebene Schmachtfetzen entpuppt sich als Hit, der im vereinigten Königreich bis auf Position acht der Single-Charts vordringt. Bis heute fesselt die Nummer durch ihre wunderbaren Gitarrenlinien, 2014 trägt sie den japanischen Eiskunstläufer Yuzuru Hanyu gar zum Punkte-Weltrekord im Kurzprogramm. Und selbstverständlich profitiert auch das am 30. September 1978 veröffentlichte Back On The Streets-Album in Sachen Verkaufszahlen von diesem kommerziellen Überraschungserfolg.
Eine weitere denkwürdige (weil einzigartige) Performance gibt es im Januar 1979 im Rahmen der BBC-Sendung The Old Grey Whistle Test zu bestaunen. Für diesen Anlass rekrutiert Moore mit Lynott, Lizzy-Klampfer Scott Gorham, Keyboarder Don Airey und Trommel-Gott Cozy Powell eine All-Star-Truppe ersten Kalibers. Die Interpretationen des Titelsongs von Back On The Street und Don’t Believe A Word sind absolut mitreißend, bei letzterem lässt sich Gary selbst von einer gerissenen Saite nicht aufhalten.
Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Gitarrist allerdings bereits wieder mit Thin Lizzy im Studio, um als festes Bandmitglied deren Album Black Rose: A Rock Legend (1979) einzuspielen. Jedoch verlässt er die von Drogenproblemen geplagte Band im Sommer während einer laufenden US-Tournee wieder. Von dem Moment an widmet er sich fast ausschließlich seinen musikalischen Alleingängen, mit denen er in den kommenden Jahrzehnten so wohl im Hard Rock als auch im Blues epochale Gitarrengeschichte schreiben wird.
Zeitsprung: Am 30.5.1980 landet Gary Moores G-Force auf dem Rockplaneten.
Popkultur
„Monsters Of California“: Alles über den UFO-Film von Blink-182-Sänger Tom DeLonge
Blink-182-Fans wissen: Frontmann Tom DeLonge hat nicht nur ein Faible für Rock, sondern auch für Roswell. Schon seit vielen Jahren interessiert er sich für UFOs, außerirdische Lebensformen und alles, was damit zu tun hat. Mit Monsters Of California bringt er bald seinen ersten Film raus. Und darin geht es natürlich um …
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Nine von Blink-182 anhören:
… genau. In Monsters Of California hängt der Teenager Dallas Edwards am liebsten mit seinen verpeilten Freund*innen herum. Eines Tages findet die südkalifornische Clique zufällig einige Unterlagen von Dallas’ Vater, die darauf schließen lassen, dass er beruflich mit mysteriösen und paranormalen Ereignissen zu tun hat. Die Jugendlichen verknüpfen ihre Erkenntnisse miteinander, stellen Theorien auf — und werden auf einmal von uniformierten Männern mit Maschinengewehren umstellt. Spätestens jetzt wissen sie, dass etwas Großem auf der Spur sind. Doch sie haben natürlich noch keine Ahnung, wie groß ihre Entdeckung wirklich ist …
Tom DeLonge: Pop-Punk-Ikone und UFO-Fan
Die meisten kennen Tom DeLonge als Sänger und Gitarrist der erfolgreichen Pop-Punks Blink-182. Doch der Kalifornier ist auch ein ausgewiesener Alien-Fan, der sich in seiner Freizeit ausgiebig mit UFO-Sichtungen, Area-51-Theorien, außerirdischen Lebensformen und paranormalen Aktivitäten beschäftigt. (Mit dem Song Aliens Exist vom Blink-182-Album Enema Of The State brachte er DeLonge beiden Leidenschaften 1999 unter einen Hut — und genau diese Nummer ist natürlich auch im Trailer von Monsters Of California zu hören.) Immer wieder hinterfragt und forscht er im Namen der Wissenschaft nach Aliens und sucht Erklärungen für diverse Verschwörungstheorien. Schräg, oder?
DeLonges Engagement geht so weit, dass er am 18. Februar 2017 zum Beispiel den „UFO Researcher of the Year Award“ von OpenMindTV verliehen bekam. 2015 erzählte er in einem Interview von einer mutmaßlichen Begegnung mit Außerirdischen — während eines Camping-Trips nahe der sagenumwobenen Area 51. „Mein ganzer Körper hat sich angefühlt, als sei er statisch aufgeladen gewesen“, versicherte der Sänger. Auch Freunde von ihm könnten über Begegnungen mit Aliens berichten. Außerdem verfüge er über Regierungsquellen und auch sein Telefon sei aufgrund seiner Forschungen schon abgehört worden. Wenn er meint …
Monsters Of California: Wann startet der erste Film von Tom DeLonge?
In den USA läuft Monsters Of California am 6. Oktober 2023 an, doch wann der Streifen in Deutschland erscheinen soll, ist bisher nicht klar. So oder so: Der Trailer verspricht mindestens einen unterhaltsamen Kinobesuch — nicht nur für Blink-182-Fans.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 29.9.1986 trumpfen Iron Maiden erneut auf mit „Somewhere In Time“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.9.1986.
von Christof Leim
In den Achtzigern stürmen Iron Maiden von einem Triumph zum nächsten. Dabei reiben sie sich fast bis zur Überlastung auf, halten aber konsequent Kurs und Niveau und entdecken neue Sounds. Am 29. September 1986 erscheint Somewhere In Time – und Eddie wird zum Cyborg.
Hier könnt ihr das Album hören:
Die Geschichte von Somewhere In Time beginnt mit völliger Erschöpfung. Kann nach einer Welteroberung schon mal passieren: 1984 hatten die fünf Briten auf der World Slavery Tour elf Monate lang in 28 Ländern auf vier Kontinenten gespielt – und zwar satte 193 Shows vor geschätzten 3,5 Millionen Fans. Der Preis: Bruce Dickinson (Gesang), Steve Harris (Bass), Dave Murray (Gitarre), Adrian Smith (Gitarre) und Nicko McBrain (Schlagzeug) sind fix und fertig. Deshalb fordern die Musiker sechs Monate Pause. Daraus werden zwar nur vier, doch zum allerersten Mal seit Jahren steht die Maiden-Maschine ein Weilchen still.
Neues Spielzeug
Die Konsequenzen hört man: Harris, Smith und Murray experimentieren mit Gitarrensynthesizern, mit denen sich Keyboardsounds über die Gitarre und den Bass erzeugen lassen. Dickinson indes zweifelt an seiner Motivation und will musikalisch in eine andere Richtung. Er komponiert vor allem akustisches (also stromloses, ruhiges) Material, das von den Kollegen und dem Produzenten aber abgelehnt wird. Der Sänger zeigt sich verletzt, freut sich aber darüber, für eine Weile „nur“ singen zu müssen. Für ihn springt Adrian Smith in die Bresche und liefert im Alleingang mehrere fertige Tracks, die auf einhellige Begeisterung stoßen und Somewhere In Time maßgeblich prägen sollten.
Futuristische Fahrzeuge, klassische Patronengurte: Iron Maiden auf dem Pressefoto für „Somewhere In Time“ – Foto: Aaron Rapoport/Promo
Erst im Januar 1986 geht es zurück ins Studio, genauer: in mehrere Studios. Drums und Bass nehmen Iron Maiden in den Compass Point Studios auf den Bahamas auf, in dem auch AC/DC Back In Black eingespielt hatten. Gitarren und Gesänge bringen die Musiker in den Wisseloord Studios im niederländischen Hilversum auf Band, abgemischt wird schließlich in den Electric Lady Studios in New York. Damit wird Somewhere In Time nicht nur zum teuersten Album der bisherigen Bandkarriere, sondern auch zum technisch ambitioniertesten. Wie für die Beständigkeit in der Maiden-Welt der Achtziger typisch, ändert sich an der sonstigen Formel wenig. Die Produktion übernimmt ein weiteres Mal Stammproduzent Martin Birch.
Fünf Minuten mindestens
Somewhere In Time erscheint am 29. September 1986 und steigt in Großbritannien auf Platz drei ein. In den USA schafft die Band mit Platz elf ihre bis dato beste Platzierung. Auf dem Cover prangt natürlich das unvergleichliche Iron Maiden-Monster Eddie in einem aufwändigen Science-Fiction-Gemälde. Schon im Intro der ersten Nummer, dem vom Film Blade Runner inspirierten Quasi-Titelstück Caught Somewhere In Time aus der Feder von Steve Harris, hören die Fans die besagten Gitarren-Synthesizer. Doch am grundsätzlichen Stil von Iron Maiden hat sich nichts geändert. Es galoppiert der Bass, wie es sich gehört, die Gitarren riffen, und Dickinson lässt seine Sirenenstimme aufheulen. Wo Iron Maiden drauf steht, ist Heavy Metal drin, vermutlich bis ans Ende aller Tage. Allerdings klingt Somewhere In Time insgesamt weniger rau, sondern bei gleichem Energieniveau erwachsener, vielschichtiger und, wenn mal so will, futuristischer.
Von den acht Songs fällt keiner kürzer aus als fünf Minuten aus, das Gros stammt von Steve Harris, drei Beiträge kommen von Adrian Smith. Dazu gehört die erste Single Wasted Years, in der Maiden so eingängig klingen wie es nur geht, ohne ihren eigenen Sound zu verlieren. Der Text erzählt von Heimatlosigkeit und Entfremdung – ein klarer Kommentar zur endlosen World Slavery Tour. Als Wasted Years drei Wochen vor dem Album als Single ausgekoppelt wird, sieht man auf dem Cover das Cockpit einer Zeitmaschine, in deren Armaturenbrett sich der Kopf von Eddie spiegelt. Der Grund: Sein neues Aussehen sollte nicht vor Erscheinen des Albums verraten werden, schließlich hat das Maskottchen mittlerweile Kultstatus erreicht.
Auf der Vorabsingle durfte Eddie sich noch nicht ganz zeigen…
Filme und Bücher als Inspiration
Das folgende Sea Of Madness, ein dramatischer Uptempo-Banger, stammt ebenfalls von Smith, setzt aber keine besonderen Akzente. Für Heaven Can Wait, einen Harris-Song über eine Nahtoderfahrung, rekrutieren Maiden die Gäste einer Kneipe, um die „Oh-Oh“ -Fußballchöre im Mittelteil einsingen zu lassen.
Das ebenso harte wie vertrackte The Loneliness Of The Long Distance Runner basiert nicht nur im Titel auf einer Kurzgeschichte des britischen Autoren Alan Sillitoe. Stranger In A Strange Land hingegen geht direkt ins Ohr und wird deshalb als zweite Single ausgekoppelt. Inspiriert wurde Adrian Smith hierfür durch ein Gespräch mit einem Arktisforscher, der einen gefrorenen Körper im Eis gefunden hatte. Vom gleichnamigen Science-Fiction-Roman von Robert A. Heinlein hingegen leiht sich Smith lediglich den Titel.
Egal, wo und wann: Eddie ist immer cool
Die Credits für Deja-Vu teilt sich Harris mit Dave Murray, der im Schnitt für jedes zweite Album einen Song beisteuert. Alexander The Great stammt vom Bassisten alleine und reiht sich mit einer Spielzeit von achteinhalb Minuten in den Reigen der großen Maiden-Epen ein, diesmal mit explizit historischem Bezug.
Ein Cover wie ein Bildband
Ein sicherer Hit ist zweifelsfrei das Artwork der Platte: Hier steht Eddie als Weltraum-Terminator mit Cyborg-Auge und Laserpistolen in einer futuristischen Stadt, die vor Details nur so überquillt. Der Künstler Derek Riggs, der Künstler hinter diesem Werk, erinnert sich an den Arbeitsauftrag: „Wir haben uns eigens in Amsterdam getroffen und drei Tage lang über das Cover gesprochen. Sie wollten eine Kulisse wie in Blade Runner, eine Science-Fiction-Stadt.“ Um das zu erreichen, erschafft Riggs eine Skyline mit Werbeslogans und Firmennamen, die er größtenteils erfindet, um Copyright-Probleme zu vermeiden. Dabei dreht er richtig auf und auch ein wenig durch.
Immense Detailfülle und jede Menge versteckte Späßchen: Das Artwork aus der Feder von Derek Riggs
Wer genau hinguckt, kann unter anderem erkennen: den Sensenmann und die Katze mit Heiligenschein von Live After Death, den abstürzenden Himmelsstürmer aus Flight Of Icarus, ein Flugzeug über der „Aces High Bar“ , das „Ancient Mariner Seafood Restaurant“, ein Straßenschild zur „Acacia Avenue“ , ein Konzertposter mit dem Ur-Eddie, die Dame aus Charlotte The Harlot, die Tardis aus Doctor Who, Batman, eine Uhr, die zwei Minuten vor Mitternacht anzeigt, das „Phantom Opera House“ , den Ruskin Arms Pub (eine der ersten Spielstätten der Band) sowie die exakt gleiche Straßenlaterne wie auf dem Cover des Debüts. Irgendwo steht sogar auf Japanisch „Pickelcreme“ , auf Russisch „Joghurt“ und in Spiegelschrift „Dies ist ein sehr langweiliges Gemälde“. Drei Monate sitzt Derek Riggs an dem Werk, mitgezählt eine mehrwöchige Zwangspause, weil er irgendwann Halluzinationen bekommt und aussetzen muss. Kurzum: Das Cover ist Wahnsinn. Und absolut großartig.
…und die Rückseite ist genauso bombastisch.
Auf die Straße. Natürlich.
Natürlich geht es für die fünf Musiker umgehend auf Konzertreise: Der Somewhere On Tour getaufte Trek zieht von September 1986 bis Mai 1987 um die Welt, mit dabei ein überdimensionaler Cyborg-Eddie, der über die Bühne spaziert, zwei riesige Podeste rechts und links in Form von Monsterkrallen, eine aufwändige, sehr helle Lightshow sowie ein pulsierendes Leuchtherz als Teil von Bruces Bühnenoutfit.
Somewhere On Tour: Dave Murray schreddert, Eddie guckt kritisch – Foto: Ebet Roberts/Redferns/Getty Images
So stressig und geradezu selbstmörderisch wie zwei Jahre zuvor auf der World Slavery Tour sollte es jedoch nicht mehr werden, auch die Zeiten, in denen Iron Maiden jedes Jahr ein Album und eine Welttour hinlegen, sind mit Somewhere In Time vorbei. Doch die Metal-Weltherrschaft der Achtziger haben Iron Maiden da längst inne.
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