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Popkultur

Interview: Andy Scott von The Sweet: “Wir waren keine dressierte Boygroup”

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Andy Scott

Ballroom Blitz, Fox On The Run, Blockbuster: Mit Hits wie diesen hat die britische Band The Sweet seit den Siebzigern Millionen Platten verkauft. Zwar änderte sich die Besetzung der Gruppe in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach, ständiges Mitglied blieb aber Gitarrist Andy Scott. Der 69-Jährige tourt auch jetzt wieder mit der Band durch Deutschland. uDiscover sprach mit dem legendären Musiker über fünf Jahrzehnte Rockkarriere, wilde Zeiten, gesundheitliche Rückschläge und einzigartige Frisuren."

von Andrea Hömke

Hört hier die besten Sweet-Songs während ihr weiterlest:


Mr. Scott, im Juni werden Sie 70 Jahre alt und feiern das mit einem Konzert in ihrer Heimat Nordwales. Können Sie sich auch vorstellen, irgendwann keine Musik mehr zu machen?

Andy Scott: „Ich habe schon häufiger mit anderen Musikern darüber gesprochen. Es wird sicher nicht einfacher, ich will aber auch nichts anderes tun. Was wäre die Alternative? Angeln gehen etwa?“ (lacht) „Das ist zwar ganz nett, aber doch nicht jeden Tag! Allerdings hoffe ich auch, dass einer meiner engen Freunde irgendwann den Mut besitzt, mir zu sagen, wenn es Zeit zum Aufhören ist.“

Werden Sie auch weiterhin so viel touren?

„Das habe ich schon vor einiger Zeit etwas reduziert. Vor zehn Jahren wurde bei mir Prostatakrebs diagnostiziert, der erfolgreich behandelt wurde. Vor zwei Jahren hat mein Arzt allerdings wieder etwas in meinem Körper entdeckt. Ich hatte meinem Management da gerade mitgeteilt, dass ich lieber etwas weniger spielen möchte. Doch nun habe ich diese Geschichte auch erfolgreich bekämpft, und mir geht es gut. Deshalb habe ich meinem Agenten gesagt, dass ich wieder reisen will – auch nach Australien, vielleicht Japan. Wir werden sehen, was noch kommt.“

Bei Konzerten von The Sweet fällt auf, dass das Publikum unglaublich viel Spaß hat, die Musiker ebenso. Bei Rock Meets Classic etwa konnte man beobachten, dass Fans aus ihren Stühlen hüpfen, bevor die Band auch nur einen Ton gespielt hat…

„Ich habe immer gesagt und bleibe auch dabei, dass man nichts tun sollte, was keine Freude bringt. Es gibt so viele verschiedenen Jobs auf der Welt, die einem nicht das Gefühl geben, dass sie eben nur ein Job sind. Wenn ich auf die Bühne gehe, denke ich mir, es könnte das letzte Mal sein. Also lasst uns alle Spaß haben!“

The Sweet 2017 beim Festival am Brombachsee, Foto: Stefan Brending/Wiki Commons

War das bei Ihnen von Anfang an so?

„Am Anfang nicht. Damals waren wir einfach vier Freunde, die Musik machen wollten. Uns ging es weniger ums Geld als darum, mit unseren Songs Erfolg zu haben. Deshalb mussten wir zu Beginn in den sauren Apfel beißen und Lieder spielen, die für uns geschrieben wurden, uns selbst aber nicht so gefielen. Aber wir wussten, dass wir mit wachsendem Erfolg auch Stück für Stück unsere eigene Musik einbringen können würden. Und so passierte es dann ja auch. So haben wir uns über die letzten 50 Jahre eine feste Fangemeinde in aller Welt aufgebaut. Sie springen aus ihren Sitzen, tanzen, hüpfen, singen und feiern. Dafür bin ich extrem dankbar.“

Sie treten viel und oft in Deutschland auf. Gefallen Ihnen Land und Leute?

„Wenn es außer meiner Heimat England einen weiteren Staat gibt, zu dem ich eine riesengroße Affinität verspüre, dann ist das Deutschland. Wir kommen seit so langer Zeit gerne hierher, und ich würde sogar sagen, dass wir nirgendwo mehr Konzerte gespielt haben.“

Sprechen Sie denn auch ein wenig Deutsch?

„Sätze, die mir immer wieder einfallen, sind: ‚Kann ich ein Bier haben, bitte?‘ und ‚Spiegeleier mit Speck‘.“ (lacht)

Welche Region gefällt Ihnen ganz besonders?

„In den Siebzigern hielten wir uns am liebsten in West-Berlin auf. Die Stadt glich einem Land in einem Land, es fühlte sich überall so an, als wären die letzten Tage auf Erden angebrochen. Alles war 24 Stunden geöffnet, nichts machte jemals zu. Es gab zwar die Mauer, doch die Menschen lebten mit einer ‚Scheiß drauf‘-Einstellung. Als würden sie sagen: ‚Wir lassen uns das Leben nicht verbieten!‘ Das war sehr ansteckend, folglich wollten wir bei jeder Deutschlandtour mindestens einen freien Tag in Berlin haben.“

Drummer Mick Tucker, Sänger Brian Connolly, Bassist Steve Priest und Gitarrist Andy Scott (v.l.) von The Sweet – Pic: Promo

Und wie gefällt Ihnen das Berlin von heute?

„Es ist mir zu viel. Damals gab es keine Stadtmitte. Man durfte bis zum Reichstag und dem Brandenburger Tor laufen, danach war Schluss. Das Leben spielte sich vor allem rund um die Budapester Straße und den Zoo ab. Heute gibt es diese neue Mitte mit dem Potsdamer Platz, doch wenn man dort entlanggeht, weiß man nicht, ob man sich in New York, London oder sonstwo befindet. Es hat sich so viel verändert. Das Berlin von damals erkennt man erst wieder, wenn man die Straße des 17. Juni hinunterschaut. Im alten Westen entstehen jetzt Hochhäuser, und vielleicht macht es stadtplanerisch Sinn, in dieses Viertel zu investieren. Veränderung lässt sich schließlich nicht vermeiden. Sie ist nur eben nicht immer der beste Weg.

Sie haben zugegeben, früher einige Exzesse erlebt zu haben. So hörte man von Ihnen den schönen Satz: „Ich konnte nicht gleichzeitig Trinken und Drogen nehmen, also hieß es: entweder/oder.“ Gab es einen Punkt, an dem es bei Ihnen ‚Klick‘ gemacht hat und sie aufgehört haben?

„In der Band hat eigentlich keiner Drogen genommen, bis wir Mitte und Ende der Siebziger in Amerika getourt sind. Alkohol war ein viel größeres Problem, vor allem bei unserem Sänger Brian Connolly und Mick Tucker, dem Schlagzeuger. Beide sind ja auch schon lange tot. Ich gebe zu: Wir haben alle gern getrunken. In meinem Kopf gab es aber einen Notfallknopf, der irgendwann für einen Stopp gesorgt hat. Bei unserem Bassisten Stevie Priest lief das ähnlich. Schließlich wurde mir klar, dass es so nicht funktioniert: Man kann keine sechs Monate am Stück touren, dabei jeden Abend Drogen nehmen, saufen – und trotzdem auf der Bühne auch nur annähernd gute Arbeit abliefern. Deshalb wurde ich vorsichtig. Es wäre auch Wahnsinn zu glauben, mit Mitte 40 noch so unsterblich zu sein, wie man sich mit 25 fühlt. Es folgt unweigerlich die Einsicht, dass die Exzesse aufhören müssen, wenn man weiterleben will. Bei mir ist das vor über 20 Jahren passiert.“

The Sweet waren sehr erfolgreich und haben Millionen Platten verkauft. Trotzdem sagt man der Band nach, sie habe ihr volles Potenzial nicht ausgeschöpft, weil sie sich häufig daneben benommen hat. Würden Sie das so unterschreiben?

„Zum Teil schon.“ (lacht) „Wir waren eben keine dressierte Boygroup, die sich ausschließlich vorbildlich verhielt und stets die richtigen Freunde hatte. Aber was wir in den Siebzigern angestellt haben, unterschied sich nicht groß von dem Blödsinn, den Led Zeppelin, die Rolling Stones oder Deep Purple verzapft haben. Ja, wir hatten unsere Momente! Bei uns lag das Problem darin, dass irgendjemand gemerkt hat, dass sich mit Geschichten über The Sweet mehr Zeitungen verkaufen lassen. Heute würde ich diesem jemand gern sagen, dass er ein Arschloch war, haha. Aber ja, neben den guten Jungs muss es auch die bösen Jungs geben. So böse, wie viele glaubten, waren wir allerdings sicher nicht.“



Können Sie uns die eine Eskapade erzählen?

„Es gibt so viele. Aber einverstanden: Nach einem Konzert in Japan hatten wir noch Hunger. Dort finden die Shows immer sehr früh statt, also waren wir schon um halb zehn fertig, und uns wurde ein sehr gutes Restaurant empfohlen. Ich, Mick und unser Manager sind da hin, und es gab erstmal Sake. Mick begann schließlich mit der Bedienung im Geisha-Outfit zu flirten und dachte, dass sie auch an ihm interessiert sei. Er hat sie gefragt, ob sie mit ins Hotel kommen wolle. Ein absolute ‚No-Go‘ in Japan! Wir wurden daraufhin aus dem Laden geschmissen. Am Ausgang stand eine Vitrine mit frischem Fisch in der Auslage, und Mick hatte nichts Besseres zu tun, als sich einen Lachs zu schnappen – einen ganzen! Im Fahrstuhl gucke ich unseren Manager an, wir beide guckten Mick an mit seinem Lachs unter dem Arm und denken: ‚Das ist doch nicht dein Ernst’. Gleichzeitig hatten Restaurantmitarbeiter unsere Verfolgung aufgenommen und waren im zweiten Fahrstuhl ebenfalls auf dem Weg nach unten. Als wir im Erdgeschoss ankamen, legte Mick den Lachs vor die zweite Fahrstuhltür, wir liefen raus, brüllten nach einem Taxi, die Restaurantmitarbeiter rannten uns nach – und stolperten allesamt über den glitschigen Fisch. Das war schon lustig.

Ein anderes Mal haben wir – wie häufiger übrigens – in einem Schloss in England geprobt. Eines Morgens wachten wir alle gegen sechs Uhr auf, weil wir Schüsse gehört hatten. Ich wusste sofort, dass das Brian sein muss. Er hatte seine Waffe mitgebracht, hing tatsächlich aus dem Fenster und ballerte auf irgendwelche Vögel. Zwar hat er keinen getroffen, weil er zu betrunken war, die Tiere standen aber unter Artenschutz. Stevie und ich haben unseren Tourmanager aufgefordert, Brian die Waffe abzunehmen. Doch er wollte gar nicht erst in das Zimmer gehen. Als wir ihm erklärten, dass Brian uns möglicherweise erschießen würde, ihn aber sicher nicht, ist er doch gegangen und hat unserem Sänger die Waffe abgenommen. Es war das letzte Mal, dass wir in diesem Schloss proben durften.“

Hätten Sie heute einen Rat für ihr jüngeres Ich?

„Ach, an sowas glaube ich nicht. Man kann Dinge bereuen, sie aber nicht ungeschehen machen. Würde ich plötzlich im Film Zurück in die Zukunft aufwachen, würde ich meinem jüngeren Ich nur einen Heftchen mit allen Gewinnern der englischen Fußballliga geben und dazu noch 10 Pfund. Dann könnte er Jahr für Jahr auf den Sieger tippen und hätte im Alter keine Geldsorgen.“

Glam Rock, Make-up und extravagante Frisuren gehörten früher untrennbar zusammen. Sie haben auch heute noch eine besondere Haarpracht. Wie wichtig ist die Mähne im Rock-Zirkus?

„Schwierig zu sagen. Viele meiner Kollegen haben mittlerweile gar keine Haare mehr. Der Trend geht also eher Richtung Bond-Bösewicht. Aber The Sweet waren schon immer eine haarige Band, und das zu ändern wäre komisch. Sie kurz zu schneiden, kommt für mich also nicht in Frage. Früher habe ich allerdings auch noch versucht, sie zu färben. Mein Frisör meinte, das würde natürlich aussehen. Tat es nicht. Ich wirkte wie ein alter Typ, der unbedingt jung sein will. Deshalb habe ich beschlossen, das sein zu lassen. Als ich Krebs bekam, stand für mich sowieso fest, dass meine Haare ausfallen. Das blieb mir glücklicherweise erspart, ich habe sie von dem Moment an wachsen lassen. Und die Farbe ist, wie sie eben ist: weiß.“

Mir der Frisur werden Sie sicher auch einfacher erkannt.

„Ja, das stimmt schon. Wenn ich einen Raum betrete, denken die Leute entweder, dass Edgar Winter kommt oder Andy Scott. Unsere Fans erkennen mich natürlich überall.“

Andy Scott bei Rock Meets Classic 2019 – Pic: Rock & Royalty

Ihr früherer Bassist Stevie Priest tourt aktuell mit seiner eigenen Version von The Sweet durch die USA. Besteht die Chance, dass sie wieder gemeinsam auftreten?

„Man soll niemals nie sagen. Aber wir haben im letzten Jahr unser 50. Bandjubiläum gefeiert, und meiner Meinung nach wäre das eigentlich der geeignete Moment für eine gemeinsame Show gewesen. Stevie meldet sich immer mal wieder bei mir und fragt, wie es mir geht. Anfang letzten Jahres schrieb er sogar, dass sein neues Management ihm zu einer Wiedervereinigung geraten habe. Ich habe ihm erklärt, dass das Management keine Rolle spielt, sondern die Frage, ob er sich das auch vorstellen könne. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht überlegt er noch.“

Was steht bei Ihnen nach dieser Tour an?

„Ich schreibe gerade Musik für ein noch geheimes Projekt. Außerdem werden The Sweet ein neues Album aufnehmen, und wir spielen im August auf dem größten Metal-Festival der Welt, dem Wacken Open Air. Danach kommt unsere bisher größte UK-Tour, und ich produziere noch eine neue Band. Es gibt viel zu tun.“



Titelfoto: Foto: Stefan Brending/WikiCommons

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Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.

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Header-Bild Credit: Kreepin Deth/Wiki Commons

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.

von Christof Leim

Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.

Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:

Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.

Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“

Längt beschlossene Sache

Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“

Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.

Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.

Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.

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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.

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Popkultur

„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?

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Boygenius HEADER
Foto: Noam Galai/Getty Images

Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch The Record anhören:

Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.

Wie einst Nirvana

Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.

Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.

Die Avengers der Indie-Welt

Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.

Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.

Musste Rick Rubin draußen bleiben?

Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.

The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.

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boygenius: Wer steckt hinter der Indie-Supergroup?

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Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.

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Chuck Berry Johnny B Goode Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.

von Christof Leim

Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.

Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.

Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry

Aus dem Stand ein Hit

Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.

Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.

Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.

Da kommt noch mehr

Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.

Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.

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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.

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