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Popkultur

Juli im Interview: Nostalgie als Teil der eigenen DNA

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Juli
Foto: Amelie Siegmund

Mit Der Sommer ist vorbei veröffentlichen Juli ihr erstes Album seit neun Jahren — und spielen ihre Stärken als Band perfekt aus: melancholische Gitarrenpop-Songs in Moll mit jeder Menge Nostalgie und Spätsommer-Vibes. Wir trafen Sängerin Eva Briegel und Gitarrist Jonas Pfetzing zum ausführlichen Gespräch.

 von Markus Brandstetter

Es gab eine Phase in der Bandgeschichte von Juli, da wusste keiner so richtig, ob die Geschichte nun auserzählt ist oder noch weitergehen soll. Dieses Fragezeichen ist aber nur ein Teil davon, warum es fast ein ganzes Jahrzehnt dauern sollte, bis die Gießener nach Insel wieder ein Studioalbum veröffentlichen. 2019 schien es endlich weiterzugehen — da brachte die Band ihre Single Fahrrad auf den Markt, verkündete, dass ein neues Album bereits in Arbeit sei. Tatsächlich war zu dem Zeitpunkt bereits Material für einen halben Longplayer fertig, erzählt Jonas Pfetzing in unserem Interview. Nur: Irgendwann habe man sich eingestehen müssen, dass man mit dem Material einfach unzufrieden war. Man schmiss alles um, fing neu an — nur Fahrrad nahm man mit.

Es hat sich ausgezahlt. Mit Der Sommer ist vorbei fangen Juli dort an, wo sie auf Insel aufgehört haben. Es ist ein typisches Juli-Album, toll produziert, gitarrenlastig, atmosphärisch — und natürlich mit jeder Menge sehnsüchtig-verklärtem Blick in die Vergangenheit. Nostalgie war eben schon immer Teil der Band-DNA – bereits zu einem Zeitpunkt, wo man eigentlich noch gar nicht so viel erlebt hatte, auf das man so sehnsüchtig zurückblicken konnte, erklärt die Band. Man ist also sozusagen in seine eigenen Songs reingewachsen.

Zwischen eurem letzten Album Insel und Der Sommer ist vorbei liegen neun Jahre — wie kam es zu der langen Pause?

Eva Briegel: Das ist schwer zu beantworten, weil in zehn Jahren Lebenszeit einfach viel passiert. Aber wenn man es jetzt mal musikalisch herunterbrechen würde … Jonas, warum hat es so lange gedauert?

Jonas Pfetzing: Ich würde sagen, es gibt zwei verschiedene Phasen. Zum einen war da die Zeit ab der Single Fahrrad. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir etwa ein halbes Album an Material geschrieben, aber hatten das Gefühl: Das ist es einfach noch nicht. Dann kam die Pandemie dazwischen. Wir haben die Zeit genutzt, um nochmal komplett von vorne anzufangen. Wir haben so viel und intensiv gemeinsam geschrieben wie schon lange nicht mehr. Davor gab es eine Zeit, in der sich keiner von uns mehr so richtig klar war, inwiefern wir noch weitermachen wollen — und wie. Es passierte auch viel in unserem Privatleben. Mit Familie wirken dann plötzlich zwei Jahre nicht mehr so lang. Aber wenn ich es mir heute so anschaue, verstehe ich es auch nur so halb, warum es tatsächlich neun Jahre geworden sind. Für mich fühlt es sich eher wie vier oder fünf Jahre an.

EB: Ich finde auch nicht, dass es sich nach einem großen Bruch oder einer langen Pause anfühlt. Wir waren immer in Kontakt miteinander. Wir haben uns auch durchaus mal getroffen — wenn schon nicht mit der ganzen Band, dann zumindest zu zweit oder zu dritt. Wir haben auch mit anderen was gemacht, ich zum Beispiel mit Großstadtgeflüster, Simon mit Joe von Jennifer Rostock. Wir haben uns Input von außen geholt. Das führte dazu, dass es sich für uns wieder frischer angefühlt hat und dass wieder mehr entstanden ist. Davor waren wir eine Zeit lang wie ein altes Ehepaar.

JP: Eine Zeit lang liefen die Gespräche manchmal so: „Alter, die Idee hattest du vor zehn Jahren schon mal, die fand ich damals schon doof.“ So eine Phase hatten wir auch.

EB: Jeder hat eben seine Stilmittel, auf die er zurückgreift — und eine Zeit lang waren die anderen davon oft genervt. „Immer kommst mit dem ewig gleichen Gitarrending, mit diesem chromatischen Abstieg“. Oder: „Jetzt kommt schon wieder diese Art von Satz, das steht mir bis hier!“ Das war schon komisch, weil wir uns plötzlich nicht mehr sicher waren, ob wir noch miteinander arbeiten können. Dann haben wir uns den Input von außen geholt — und dann ging es plötzlich wieder miteinander sehr gut.

Gab es einen Moment, an dem ihr bemerkt habt: Jetzt läuft es wieder?

JP: Für mich war ein solcher Moment, als Fette Wilde Jahre entstand. Bis dahin hatten wir viel theoretisch darüber geredet, was wir machen wollen. Fette Wilde Jahre war unmittelbar, fühlte sich genau nach dem an, was wir zuvor in der Theorie besprochen hatten. Für mich war auch die Zusammenarbeit mit Michael Ilbert sehr wichtig. Er gab uns dieses Gefühl, dass das eine Wichtigkeit hat, was wir machen. Dass wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen und uns gleich zufriedengeben sollen. Michael hat uns aus einer Routine herausgeholt — und ich spreche hier von einer nicht besonders guten Routine. Er hat für mich den Zauber zurückgebracht. Ich war plötzlich wieder aufgeregt, ins Studio zu fahren. Oder ich habe die Nacht vor der Aufnahme geübt. Das hatten wir zum Teil etwas verloren in den letzten Jahren. Das war oft so „Gut, dann fahr ich halt ins Studio und mache mal eben zehn Takes“. Gespräche liefen so: „Wie gehen die Akkorde von dem Song?“ „Weiß ich nicht, hab ich nicht geschrieben“. Wir haben alles ein wenig schleifen lassen.

Ich fand eure letzten Veröffentlichungen auch in puncto Videos und Artworks ästhetisch sehr gut durchdacht, stimmungsvoll und konsequent.

EB: Wir haben zwei ganz liebe Leute in unsere Familie aufgenommen: Julian und Amélie, mit denen wir unser Video- und Bildmaterial machen. Die beiden meinten, sie hätten gerne eine durchgehende Ästhetik. Wir begaben uns einfach in ihre Hände. Man lernt mit der Zeit ja auch, sich anderen anzuvertrauen. Die beiden sind Mitte zwanzig und haben eine ganz andere Arbeitsweise als wir. Wir sind ja Dinosaurier und kommen noch aus der Zeit, als zwei Tage Video gedreht worden ist — mit viel Equipment, Statisten und Aufbau und Catering und Wägen;  wo sogar Straßen abgesperrt wurden. Mit Julian und Amélie entsteht eine Menge Material — und sie achten auch darauf, dass wir genügend BTS-Material und Zeug für Social Media haben. Wir sind da ja nicht so ambitioniert. Wir haben nicht dieses „Oh krass, wie geil ich jetzt gerade auf diesem Sessel aussehe! Mach doch mal kurz ein Bild von mir für Instagram“ — das ist irgendwie nicht in unseren Hinterköpfen. Wir kommen halt aus einer Zeit, da war das noch ein bisschen unfein: „Wie der in die Kamera performt hat, dass der sich nicht geniert!“ Da fühlte man sich fast ein wenig ertappt.

Dieses retro-nostalgische in der Ästhetik passt gut zu eurer Musik, die ja auch sehr vergangenheitszentristisch ist textlich.

JP: Ich hatte einen Moment, in dem ich realisierte: Wir sind jetzt erst in dem Alter, das man eigentlich für die Songs braucht, die wir immer schon geschrieben haben. Wir waren ja Anfang zwanzig, als wir die meisten der frühen Lieder geschrieben haben. Heute denke ich mir: „Auf welche Zeit haben wir da eigentlich zurückgeblickt?“ Ich glaube aber, dass deswegen auch ein Großteil der Songs von früher auch heute noch funktioniert.

EB: Man hat ja auch so einen komischen Vibe in der Teenagerzeit. Man denkt: „Wo sind die guten Zeiten hin?“ Heut sagt man sich: „Ja, die kommen halt noch“. Oder: „Du bist doch eh mittendrin!“ Aber es ist eben auch Teil der Band-DNA, dass wir immer ein wenig rückwärtsgewandt und nostalgisch waren.

Der Großteil der Platte ist in Moll gehalten.

EB: Genau von dort kommen wir ja auch. Als wir aufgewachsen sind, gab es für uns eigentlich keine fröhliche Musik. Es gab vielleicht Klamauk wie Otto Waalkes oder die EAV, als ich ein Kind war. Aber alles, was man ernsthaft gehört hat und womit man sich wirklich identifizieren konnte, war immer super schwer. Für uns sind es immer die melancholischen, ein wenig introvertierten Stücke, die uns gefallen. Mit denen haben wir das Gefühl, an etwas ranzukommen.

JP: Das geht sogar so weit, dass Simon immer dann, wenn ein Dur-Akkord auftaucht, einen Moll-Akkord spielt. Wir nennen das „Dur-Moll-Schwäche“. Ich habe sie auch. Ich habe gestern ein Lied von den Chili Peppers im Radio gehört und fand es echt gut und habe es mir rausgehört. Das Riff ist toll, der Song hat eine traurige, molllastige Strophe. Plötzlich kommt der Refrain, und der ist in Dur. Es hat sich wirklich alles in mir gesträubt.

Die Platte wird im letzten Drittel sehr atmosphärisch, oft hört man synth-artige Flächen.

JP: Das meiste davon sind tatsächlich Gitarren, die nach Synths klingen. Wir haben viel ausprobiert mit Gitarren, das ging mir bei den letzten Alben etwas verloren. Wir haben uns wieder ein bisschen getraut und gesagt: Eigentlich sind wir ja eine Gitarrenband. Ob man das jetzt als Gitarre hört oder nicht, ist im Grunde egal, die Hauptsache ist, es macht etwas Cooles.

EB: Ich bin glaube ich die einzige in der Band, die sich kein eigenes Aufnahme-Setup gebaut hat. Dadurch, dass die Jungs auf dem Rechner aufnehmen und auch schreiben, heißt es dann oft:  „Hier könnte man eine Fläche drunterlegen“ — und ich denke dann meist, dass wir’s zuerst mal in der Originalbesetzung probieren sollten. Lasst uns das innerhalb unseres eigenen Sounds suchen — und nicht den Shortcut mit dem Rechner oder dem Juno nehmen. Wenn’s nicht weitergeht, dann darf der Juno ran. Aber ich muss es ehrlich sagen: Ich kann den Juno nicht leiden. Es ist einfach nicht meine Soundästhetik. Ich weiß, dass man die Sounds im Kontext und innerhalb des Klangbilds hören muss, aber wenn ich die Sounds solo höre, mag ich sie einfach nicht. Ich bin ja auch Fan unserer eigenen Band — und bei einem Konzert hört man ja hauptsächlich, was live aus den Amps kommt und nicht, was im Studio passiert. Deswegen versuche ich, dass der Bandsound der Markenkern bleibt.


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Wann ist dieser Bandsound bei euch am meisten ins Hintertreffen geraten – auf dem Album In Love? Das habt ihr ja quasi getrennt aufgenommen.

JP: Ich kann mich erinnern, als die Platte nach gefühlten hundert Jahren fertig hatten und für die Tour probten: Ein Großteil der Band hatte einige Songs noch kein einziges Mal gespielt. Da war eine völlige Inkompetenz der Band dem Material gegenüber. Das war aber auch die Idee: Lass uns mal die Platte so machen. 

EB: Wir haben das Album mit Olaf Opal aufgenommen, und der wollte jeden einzelnen von uns unterstützen. Jeder wollte herausfinden, was er kann. Jeder kaufte sich damals Equipment und begann, selbst aufzunehmen. So gingen die Demos über Demostatus weit hinaus, waren richtiggehend fertig. Im Studio waren die Visionen dazu schon relativ weit fortgeschritten. So sehr, dass da nicht mehr viel Spielraum da war — und sich die anderen respektvoll zurückgezogen haben. Es war ja auch sehr interessant zu sehen: Was kommt denn so dabei raus, wenn man jeden einzelnen einfach mal machen lässt? Vor allem nach dieser ganzen musikalischen Erfahrung und auch dieser Zeit, in der wir so viel unterwegs waren. Wir hatten ja eine wilde Zeit hinter uns, mit vielen Eindrücken —  persönliche, aber auch musikalische. Wir waren viel auf Tour, wir waren auf tausend Festivals, wir haben große, geile Bands gesehen.  Was das so mit jedem von uns  gemacht hat — das war super interessant zu sehen und dann die Demos zu hören. Olaf war genau der richtige Mann dafür, jeden einzelnen abzuholen. Das war eine wichtige Platte für uns und auch eine unserer besten und konsequentesten, finde ich.

JP: Es war gut, dass wir uns den Raum und die Möglichkeit gegeben haben, dass jeder innerhalb von Juli ausbrechen konnte. Dass man Grenzen ausloten konnte und gucken, wie weit man gehen kann. Wir haben uns da einen Luxus erlaubt. Wenn man karrierefixierter denken würde, wäre es vielleicht keine gute Idee gewesen — aber für uns war es das einzige, was wir machen und wie wir weitergehen konnten. Aber wir haben dann auch schnell gemerkt, dass es eine gute Idee ist, wenn wir uns gegenseitig wieder mehr zulassen in unseren Ideen.

EB: Es hat sich keiner als Universalgenie herausgeschält. Das wäre der Zeitpunkt gewesen, wo einer wegziehen und sagen hätte können: „Ich kann es alleine, ich brauche keinen von euch“. Aber das ist nicht passiert.

JP: Es war gut, um zu realisieren: Wir sind ein Kollektiv. Wir brauchen uns, wir wollen uns — und das ist auch der Kern. Wir sind eine Band im klassischen Sinne, und das finde ich sehr wertvoll.

EB: Die Band ist viel mehr, als Leute von außen sehen. Leute von außen haben andere Maßstäbe, sehen nur, ob es kommerziell erfolgreich ist oder nicht. Ich hatte neulich das Gefühl: Cool, wir haben jetzt schon ein halbes Leben miteinander verbracht. Am Anfang hatte ich noch Angst: Was, wenn wir keine Platte mehr miteinander machen können? Dann geht es kaputt und ich verliere mehr als eine Band. Ich verliere dann ja mein Arbeitsumfeld, eine Firma, die ich mit aufgebaut habe. Ich verliere eine Familie, Freunde, die Menschen, mit denen ich am meisten erlebt habe. Jetzt denke ich mir: Wir haben ja schon ein halbes Leben miteinander verbracht! Im Prinzip kann ich schon einen Haken dran machen. Das ist eigentlich bereits geschehen, dass wir uns nicht aufgelöst haben. Darauf kann man schon mal zurückblicken. Es ist total beruhigend, dass wir das geschafft haben!

Euer Debütalbum Es ist Juli wird nächstes Jahr 20 Jahre alt. Glaubt ihr, dass ihr die Band heute ganz anders zu schätzen wisst?

EB: Ja, ich weiß die Band heute auf jeden Fall anders zu schätzen und ich übertrage auch nicht so viel von meinen Problemen auf die Band. Sie ist nicht mehr so ein Sündenbock für mich. Ich habe oft gedacht: „Das stresst mich alles so“ — und habe das, was es mir bietet, für selbstverständlich genommen. Das ist jetzt auf jeden Fall anders. Und noch was: Dadurch, dass es in einer Band ja um Kunst, Kreativität, um Beziehung und Wirtschaftlichkeit geht, ist das alles so sehr miteinander verwoben,  dass ich oft gedacht habe: „Niemals werden diese Personen das Miteinander lösen“ — und dann haben sie es gelöst. Es gibt mir ein unfassbares Vertrauen in Menschen und in Gruppen.

Habt ihr rückblickend musikalisch Entscheidungen getroffen, über die ihr heute schmunzelt?

JP: Natürlich, da gibt es auf jeder Ebene solche Dinge. Wir standen damals ja auch unter Druck und es gab einfach viele Dinge,von denen wir überhaupt keine Ahnung hatten.Heute ist das ganz anders. Junge Bands haben viel mehr Ahnung von Social Media und Marken und dergleichen. Wir waren damals noch ganz anders: Wir hatten einen Proberaum, da standen wir immer drin, wenn wir Zeit hatten. Wir haben Songs geschrieben und davon geträumt, mal eine Platte aufnehmen zu können. Plötzlich hieß es dann: Fernsehen, Video drehen, Fotos machen, Interviews geben — das volle Programm. Wir hatten da nicht mal den Hauch einer Ahnung davon. Wir mussten uns auf Menschen verlassen, die das schon mal gemacht hatten. Klar gab es Entscheidungen, über die wir heute schmunzeln. Sachen, bei denen ich mir heute denke: Wir hätten uns einen Gefallen getan, wenn wir das nicht gemacht hätten. Ein Beispiel: Es gab Fernsehsendungen, bei denen es komplett unüblich war, live aufzutreten. Aus irgendeinem Grund war es uns damals aber unfassbar wichtig, alle Macht dafür durchzusetzen, dass wir dennoch live spielen. Was blöd war, weil: Wenn Infrastruktur nicht auf Livemusk ausgerichtet ist, hat man eigentlich so gut wie keine Chance, dass es irgendwie geil rüberkommt. Im Nachhinein denke ich mir: Da wäre ich gerne lockerer gewesen, aber es war uns damals halt wichtig.  Heute habe ich bei jungen Künstlern und Künstlerinnen das Gefühl, dass da so eine krasse Kompetenz in der Außendarstellung da ist, dass es mich fast nervt. Ich denke mir: Macht doch bitte  mal was falsch, seht doch mal blöd aus, macht doch mal was, wo ihr in zwei Jahren sagt: „Hätte ich doch nur so und so!“

Apropos Entscheidungen: Ich habe mal eine ganz konkrete Frage zu einem speziellen Detail des ersten Albums.

JP: Ich weiß genau, was jetzt kommt.

Was meinst du?

JP: Kurz vor der Sonne?

Ganz genau.

EB: (lacht)

 Mich reißt der Reggae-Teil einfach jedes Mal raus.

JP: Das ist relativ einfach zu erklären. Wenn man das ohne Kontext hört, denkt man wahrscheinlich: Was geht denn mit euch? Der Kontext ist aber folgender: Es war unser großer Traum, ein Album aufzunehmen. Keiner wusste, ob sich auch nur ein Stück verkaufen wird. Es war unsere erste, hätte aber auch unsere letzte Platte sein können. So nach dem Motto: „Das ist die Chance unseres Lebens.“ Im Proberaumkomplex gab es eine Band namens Natural Mystics. Das waren liebe Leute. Es war üblich, dass, wenn jemand probte, mal die Tür aufging, sich jemand ein Mikro schnappte und Freestyle machte. Das ist bei Kurz vor der Sonne des Öfteren passiert.

EB: Man muss sagen, dass unser Drummer auch der Drummer der Mystics war, dann aber rausgeflogen ist, weil er zu pünktlich war. Das hat die anderen gestresst, denn die kamen immer zwei bis drei Stunden zu spät.

JP: Als wir dann im Studio in Bochum waren, dachten wir, wir fragen sie einfach mal, ob sie Bock haben ins Studio zu kommen und eine Strophe mit uns zu machen. Es war damals schon so, dass unser Produzent Olaf Opal — obwohl wir ihm den Kontext erklärt haben — nur meinte: „Bitte nicht“.

EB: Er wollte das größer haben. Aber wir hatten diesen Hip-Hop-Gedanken, wie bei D12 — wir nehmen alle mit, wir haben jetzt einen Deal bei Universal! Der Reggae-Part muss rein, der Typ, der gegenüber Trompete spielt, muss mit aufs Album … Das rührt mich ein bisschen, weil ich weiß, wie wichtig uns das war. Oder diese Rockigkeit bei Warum, das wir mit Franz Plasa und Andreas Herbig (der leider bereits verstorben ist) aufgenommen haben. Das musste einfach rockig sein. Olaf war das etwas zu doll.

JP: Olaf hatte eben die Gesamtsicht auf das Album aufs Ganze, die wir noch nicht hatten. Wir hatten zwar keine Ahnung, waren aber trotzdem der Meinung, dass wir absolut wissen, wie es zu sein hat und dass das jetzt eine gute Idee ist. So waren wir halt schon immer. Daran ist Olaf auch ein wenig verzweifelt, denke ich. Im Nachhinein muss ich sagen: Wir haben jetzt vielleicht nicht den an allen Ecken zeitlosen Klassiker, den man so durchlaufen lassen kann, erschaffen — aber wir haben unser Album im Sinne von einem Fotoalbum gemacht.

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