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Popkultur

Review: Lorde geht mit „Solar Power“ neue Wege

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Lorde
Foto: Ophelia Mikkelson Jones

Lorde geht mit Solar Power neue Wege und veröffentlicht ein sonnengetränktes Akustik-Album — immer noch zugänglich, aber mit mehr Mut zu Umwegen.

 von Markus Brandstetter

Hier könnt ihr Solar Power hören:

Solar Power beginnt wie ein fiebriger Seventies-Traum. Die Gitarren wabern, die Luft ist stickig und heiß. „Born in the year of OxyContin / Raised in the tall grass / Teen millionaire having nightmares from the camera flash / Now I’m alone on a windswept island, singt Lorde. Dieses windswept Island, auf dem sie sich befindet, ist ein selbst gewählter Rückzugsort. „Won’t take the call if it’s the label or the radio“, heißt es weiter.

Wir hören hier einen der großen Popstars der letzten Jahre, die vom bisher gegangenen Weg ganz absichtlich abkehrt. Eine Abzweigung, eine Pause vielleicht, eine Rückbesinnung oder eine Neuerfindung. Wie das privat ausgesehen hat, hat Lorde bereits erzählt: kein Social Media, ihr Smartphone zum „Dumbphone“ gemacht, keine unnötigen Apps, keine Teilnahme an der Dauerzerstreung und Dauerberieselung.

Nicht, dass Solar Power nicht eingängig wäre oder keinen Pop-Appeal mehr hätte. Aber es ist definitiv anders. Die Songs sind keine präzisen Pop-Konstruktionen, virtuos-rigide konzipierte Hooklines wie ihr grandioser Überhit Royals. Es geht ums Ganze, um ein Album, das in einem Stück angehört werden, als Gesamtkunstwerk betrachtet werden will. Dass sich auch Mainstream-Pop mit Indie verträgt, haben vor Lorde bereits andere bewiesen, hier kommt einem auch Taylor Swift in den Sinn.

Es ist, macht es den Eindruck, ein intimeres Album als alles, was Lorde bislang gemacht hat. Das soll sich auch beim Touren niederschlagen, wenn das denn wieder mal geht. Lieber kleinere als größere Hallen, lieber  Zuhörer*innen als jene, die nur wegen zwei Radio-Singles kommen.

Es lebe der Sommer

Auf Solar Power regiert die Schönheit Sommers, manchmal auch die 70er-Jahre Polaroid-Ästhetik, da ist Lorde oft vom Vibe her jenem von Lana Del Rey nicht unähnlich. Wobei Lana Del Reys Sommer durchaus mal bedrohlich, sinister daher kommen können, bei Lorde eher introspektiv. Well, „My hot blood’s been burnin’ for so many summers now / It’s time to cool it down, wherever that leads“, singt die neuseeländische Musikerin etwa im Song Stoned At The Nail Salon.

Ode an die Natur

Solar Power ist aber auch eins: Lordes Ode an die Natur, das Zeugnis der Verbundenheit mit der Erde. Das liest sich etwas esoterisch angehaucht, ist es auch. Nicht nur die Texte, auch die Musik gibt sich geerdet. Viele Akustikgitarren, manchmal etwas Wurlitzer, keine großen Synth-Salven wie bisher. Das steht Lorde genauso ausgezeichnet. Die gibt übrigens zu, dass Solar Power ihr Weed-Album ist.

Lorde weiß auf Solar Power offensichtlich ganz genau, wo sie hin will — und sie kommt dort auch spielerisch hin. Der Stilwechsel wirkt nicht bemüht oder beliebig, das Psychedelische steht ihr durchaus. Die Songs sind experimenteller, etwas poetischer, manchmal sogar etwas blumiger. Bei aller Intimität — vielleicht ohnehin ein etwas überstrapaziertes Wort — scheint es, als wolle Lorde so einiges auf Distanz halten. Den Zirkus und dessen Ansprüche, der so eine Pop-Superstarkarriere mit sich bringt. Die Erwartungen, die möglichen Irrungen.

Befreiungsschlag für den Spätsommer

Solar Power ist ein bemerkenswertes Album, auf ganzer Länge hörenswert. Es wird interessant zu sehen sein, inwieweit es in Lordes Karriere als Wende- oder Drehpunkt fungieren wird — und auch, wie die neuen Songs auf Konzerten mit alten Hits wie Royals und Co. harmonieren werden, wird spannend. Man kommt beim Hören nicht um das Gefühl umhin, dass Solar Power für Ella Marija Lani Yelich-O’Connor (so heißt Lorde mit bürgerlichem Namen) eine Art Befreiungsschlag war — und dass ihr diese Befreiung für sich selbst geglückt ist. Für alle anderen ist Solar Power eine schöne Platte für den Spätsommer. Eine, die sich treiben lässt und Zeit nimmt — ein Pop-Album, aber eines ohne Zwänge und mit viel Raum.

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