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Popkultur

Mit alt mach neu – Wie die 187 Straßenbande die Cranberries wieder hochleben lässt

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Das Ironische an der ganzen Geschichte wird wahrscheinlich wieder das, nennen wir es mal Rihanna/McCartney-Syndrom sein: Genau, als sich nämlich die gute Frau aus Barbados für ihren Hit FourFiveSeconds Rapper Kanye West und den allseits beliebten Ex-Beatle an Land zog, stellten die jüngeren Fans zu Recht fest, dass der alte Kerl mit der Gitarre eine ganze Menge Talent hätte. Voll nett also von Rihanna und Kanye, auch Newcomer mit so einem fetten Song nach oben zu ziehen. Dieser McCartney-Typ hat sicherlich noch eine große Karriere vor sich. Hüstel. Gut, lassen wir das mal umkommentiert so stehen.

Jedenfalls könnte es ähnlich interessant werden, die diversen Reaktionen auf den neuen Hit-Anwärter der 187 Straßenbande in den sozialen Netzen zu beobachten. Die Herren mit der gepflegten Wortwahl bedienten sich bei ihrem Track Millionär nämlich bei einem ziemlichen Schwergewicht der mittelalten Pop- und Rockgeschichte: Die eingängige Melodie von Zombie der Cranberries diente als Vorlage für den Refrain des neuen Straßenbanden-Stücks. Zugegebenermaßen eine interessante Kombination und, angesichts des geschichtlichen Bedeutungsgehalts des Songs der irischen Rockband, auch eine ganz schön mutige. Aber dazu später mehr.

Schonmal gehört

In der Rap-Szene wird an sich gerne mal gesampled – das Herausschneiden und wieder Zusammensetzen von Songs, die in der Vergangenheit bereits große Erfolge feiern durften, gehört da praktisch zum guten Ton. Aber auch in der restlichen, modernen Pop-Szene geht einem in der hiesigen Radio-Landschaft immer wieder das Licht auf. Das Lied kenne ich doch irgendwo her!

Um hier auch allen Musik-Expert*innen gerecht zu werden: Bei allem, was heute in Sachen Inspiration von früher so abläuft, handelt es sich nicht immer um typisches Sampling. Manchmal ist es nur eine Melodie-Linie, ein paar Zeilen aus den Lyrics oder gleich ein ganzes Cover. Man nehme beispielsweise Kid Rock und All Summer Long. Die große Hymne aufs Jugendlichsein, Sommer, Mädchen und offenbar auch auf die Südstaaten. Denn im Refrain singt der Ex-Mann von Pam Anderson nicht nur darüber, sondern die Lead-Gitarre spielt auch die nicht ganz unbekannte Tonabfolge von Lynyrd Skynyrds Sweet Home Alabama. Und ganz plötzlich können wir uns die sonnigen Tage am See in Sepia-Romantik und Super-8 Format zum Greifen nah vor unserem inneren Auge vorstellen.

Oder nehmen wir Milow. Dem netten jungen Mann aus Belgien sieht man gar nicht an, dass sein Durchbruch-Hit Ayo Technology – ein doch sehr unschuldig anmutendes Akustik-Cover vom gleichnamigen 50-Cent-Hit – tatsächlich das blanke Gegenteil von jugendfrei ist. Die Liste könnte man jetzt noch mit den jüngsten EDM-Artists aller Couleur weiterführen, aber wir wollen ja irgendwann auch nochmal auf den Punkt kommen.

Nostalgie & Fame

Also: Das Thema scheint auf jeden Fall eine Menge Anziehungskraft zu haben, sowohl für junge Künstler*innen als auch für gestandene Musik-Größen. Einerseits kann die Bekanntheit alter Meister*innen natürlich helfen, ein Schlaglicht auf die eigene Arbeit zu werfen, um letztlich groß raus zu kommen. Gleichzeitig ist es aber auch Ausdruck der eigenen musikalischen Vergangenheit und der Bilder, Geschichten und Gefühle, die mit den Songs und ihren originären Interpret*innen mitschwingen. Inwieweit das jetzt bei der 187 Straßenbande der Fall war, sei erstmal dahingestellt.

Zombie von den Cranberries ist nicht nur ein sehr erfolgreicher Rocksong, er skizziert auch einen der blutigsten Konflikte der jüngeren Europäischen Geschichte in schmerzenden Worten und einem markerschütternden Sound. Als die IRA in brutalen Attentaten auch unschuldige Zivilist*innen während des Nordirland-Konflikts in den Tod riss, verschaffte Dolores O’Riordan, die Sängerin der Cranberries, ihrer Frustration in Form dieses Songs Ausdruck. Aggressiver und tiefer als das vorangegangene Album der Band. Zwar war das Stück nie als Protestsong gedacht, erschien der Plattenfirma aber trotzdem als zu kontrovers, sodass sie es zunächst gar nicht veröffentlichen wollten.

Vom Zombie zum Millionär

Und der Song unserer-Rap Freunde handelt – nun ja, der Titel umschreibt es eigentlich schon ganz treffend – vom Millionärsein. In ordentlicher Rap-Manier, versteht sich. Und mit allem, was so dazu gehört: dicke Autos, leichte Frauen, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und natürlich ausreichend Bling Bling. Ohne den geht als Millionär gar nichts. Dieses kreative Joint Venture scheint seine Wirkung jedenfalls nicht verfehlt zu haben, denn Fans und Kritiker*innen feiern den Song bereits als den größten Hit auf dem neuen Sampler 4, den Gzuz, Bonez MC und Co. rausgebracht haben.

Besonders interessant ist übrigens die Tatsache, dass an der Stelle, an denen die Cranberries normalerweise Zombie ins Mikrofon schreien würden, die 187 Straßenbande ebenfalls das titelgebende Wort Millionär platziert hat. Pure Absicht mit tieferem Sinn oder doch nur reiner Zufall? Da der Song anscheinend mehr oder weniger aus einem Gag entstanden ist, tippen wir erstmal auf letzteres: Der Beat von Millionär stand bereits eine ganze Zeit lang, als Rapper Bonez auf die Idee kam, den Refrain nur so aus Spaß für ein Instagram-Video in der Cranberries Aufmachung zu singen. Und die Reaktion der Fans ging kurzerhand durch die Decke! Somit wurde aus einem kurzweiligen Spaß der offizielle Track und urplötzlich könnte der ach so erstrebenswerten Position des Millionärs eine neue Bedeutungsebene zugeschrieben werden.

Ob Spaß, Zufall oder seit langem geplantes Kalkül – ist ja letztlich auch egal. Dass Musik so dermaßen genre- und epochenübergreifend immer wieder zusammen funktioniert und entsprechend gut ankommt, ist jedenfalls sehr lobenswert. Um nicht zu sagen, regelrecht beeindruckend! Ganz besonders bei diesem aktuellen Zusammenspiel. Und wer weiß, auch wenn die Fans der jüngeren Generation nicht mehr ganz so viel mit den Cranberries anfangen können – vielleicht bekommen die Songs der Ir*innen ja tatsächlich eine neue Generation Fans…

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