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Popkultur

Wer war eigentlich dieser „Mr. Tambourine Man“? Die komplette Geschichte hinter dem Dylan-Klassiker

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Bob Dylan
Foto: Val Wilmer/Redferns/Getty Images

Gelegenheitsgitarrist an der Seite von Bob Dylan, preisgekrönter Soundtrack-Komponist in Hollywood, der fünf Jahre seines Lebens auf Hawaii zugebracht und sich dort vorwiegend mit der Ernte von Macadamia-Nüssen beschäftigt hat – was auf den ersten Blick als mindestens ungewöhnliche Vita durchgehen muss, klingt vor allem so, als sei das dazugehörige Individuum längst in Vergessenheit geraten.

von Martin Chilton

Dabei kennt man ihn ziemlich gut, hat ihn womöglich schon selbst besungen: Es sind Stationen aus dem Lebenslauf des Mr. Tambourine Man, jenes Mannes, dem Bob Dylan den gleichnamigen Hit gewidmet hat.

Wer also war dieser Mr. Tambourine Man?

Auf jeden Fall war er nicht gerade ein Glückskind: Zwischenfälle waren gewissermaßen vorprogrammiert, wo immer Bruce Langhorne gerade seine Zelte aufschlug. Er verließ Tallahassee schon als Kind, zog mit seiner Mutter Dorothy nach Harlem, wo sie in einer Bibliothek arbeitete und er Geigenunterricht verordnet bekam. Er galt sogar als Wunderkind, zumindest bis dem 12-jährigen Bruce zwei Fingerspitzen und sein rechter Daumen weggesprengt wurden, weil er diesen einen Sprengsatz – eine Cherry Bomb, sprich: Marke Eigenbau – dann doch etwas zu lang in der Hand gehalten hatte. „Immerhin muss ich jetzt nicht mehr Geige spielen“, soll er seine weinende Mutter getröstet haben.

Obwohl er später der Mr. Tambourine Man aus Dylans Song werden sollte, landete der Junge, der mit dem Sound von Louis Jordan aufgewachsen war, schon bald darauf bei der Gitarre und lernte, ganz ähnlich wie Django Reinhart, trotz des Handicaps damit umzugehen wie ein junger Gott. Richtig anschlagen konnte er das Instrument zwar nicht, aber dafür war Bruce Langhorne unschlagbar in Sachen Finger-Picking. „Ich wurde ein echt ausgezeichneter Begleiter, weil ich gewissermaßen zum Zuhören gezwungen war.“

Nachdem er viel in den Straßen und Folk-Clubs von New York City aufgetreten war, sprach sich irgendwann rum, dass dieser junge Mr. Langhorne ein echtes Talent war – und so kam es zu einer ersten Session mit Dylan im Oktober 1962. Auf Corrina, Corrina, veröffentlicht auf dem Album The Freewheelin’ Bob Dylan, hört man zum ersten Mal sein unverkennbares Gitarrenspiel. Ein paar Jahre später steuerte er die grandiosen E-Gitarren-Parts zu Klassikern wie Subterranean Homesick Blues und Maggie’s Farm bei, veröffentlicht auf dem fünften Album Bringing It All Back Home. Dylan wusste, was er an ihm hatte: „Wenn du Bruce als Gitarristen an deiner Seite hattest, dann konntest du eigentlich alles machen – mehr brauchte es gar nicht.“

Mit wem spielte Bruce Langhorne sonst noch?

Mit ziemlich vielen Größen, um genau zu sein, auch mit Joan Baez oder Harry Belafonte, doch er selbst hielt seine Aufnahmen mit Dylan ganz klar für die besten. „Die Verbindung, die ich mit Bobby hatte, war die reinste Telepathie“, sagte er mal.

Angeblich kam Dylan die Inspiration zu Mr. Tambourine Man, auf dem Langhorne ebenfalls zu hören ist, nachdem er folgende Szene beobachtet hatte: Sein Gitarrist soll an jenem Tag mit einer überdimensionalen türkischen Rahmentrommel im Studio aufgeschlagen sein, an deren Seiten diverse Glocken baumelten und klingelten. Es sah scheinbar aus wie ein riesiges Tamburin, ein Instrument im Format einer XL-Pizza.

In den Linernotes des Biograph-Boxsets erzählt Dylan weitere Details der Geschichte: „Mr. Tambourine Man ist von Bruce Langhorne inspiriert. Bruce hat auf vielen meiner frühen Alben als Gitarrist mitgewirkt. Er hatte dieses gigantische Tamburin – das Teil war so richtig, richtig riesengroß. So groß wie ein Wagenrad. Er spielte darauf, und dieses Bild von ihm, wie er dieses Tamburin bearbeitet, ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich ihm das jemals erzählt habe.“

Langhorne mochte die Rolle als „Berüchtigter“ – obwohl er auch mal etwas zerknirscht bemerkte, dass Dylan „einen wunderbaren Sinn für Humor hatte, und das Gespür dafür, wie viel Leine man den Leuten lassen muss, damit sie sich damit selbst aufhängen können.“

Seine Hollywood-Karriere begann schließlich, als der Jazztrompeter Hugh Masekela, mit dem Langhorne ebenfalls getourt hatte, ihn mit dem Schauspieler Peter Fonda bekanntmachte. Wenig später schon schrieb der Gitarrist den Soundtrack für Fondas Western The Hired Hand und auch für Jonathan Demmes Fighting Mad. Als Dylan dann den Soundtrack für Sam Peckinpahs Klassiker Pat Garrett jagt Billy The Kid übernahm, half Mr. Tambourine Man dabei ebenfalls mit.

Als er dann die Diagnose Diabetes Typ-2 bekam, machten sich Langhorne und seine Freundin Cynthia Riddle auf die Suche nach einem Zuckerersatz: Sie suchten jeden noch so kleinen Markt im Großraum L.A. ab, bis sie die richtigen Pfefferkörner aus Afrika gefunden hatten, die seinen Appetit nach würzigen Soßen stillen konnten – und das ganz ohne Zucker oder Natrium. Und so kam es, dass der Gitarrist auch noch ins Soßengeschäft einstieg: Er vermarktete den importierten Pfefferkick unter dem Label Brother Bru Bru’s African Hot Sauce. Schließlich kehrte er sogar ins Musikgeschäft zurück: Auf seinem einzigen Soloalbum, betitelt Tambourine Man, aus dem Jahr 2011, spielte er Klavier.

Wie starb Bruce Langhorne?

Nachdem er zuvor schon einen Schlaganfall erlitten hatte, kam Bruce Langhorne 2015 in ein Heim in Venice Beach, wo er am 14. April 2017 an Nierenversagen starb.

Die inzwischen stark vergilbte und zerkratze Rahmentrommel aus der Türkei, die einst zur Erfindung des Mr. Tambourine Man geführt hatte, ist heute eines von 6.000 Exponaten, die im Bob Dylan Archive in Tulsa, Oklahoma ausgestellt sind. Der Song, den Dylan erstmals in der Londoner Royal Festival Hall im Mai 1964 spielte, hat eine ganz eigene Wärme und eine spirituelle Message, die bis heute nachhallt: „Hey, Mr Tambourine Man, play a song for me/In the jingle-jangle mornin’/I’ll come followin’ you“…

Und was hat Mr. Langhorne selbst von dem Song gehalten?

„Ich mag ihn. Ich finde, das ist ein guter Song. Wirklich“, sagte er im Gespräch mit Richie Unterberger, bevor er lachend hinzufügte: „… und er handelt von mir. Wenn ich nun vorhätte, mir ein großes Ego zu züchten, dann könnte man das damit sicher machen… Nun, ich habe ein großes Ego.“

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