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Nashville Milestones |Ryan Adams: Heartbreaker

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Ryan Adams – Heartbreaker

Natürlich wäre es beeindruckender, an dieser Stelle die Karte des eingefleischten Kenners spielen zu können, der Ryan Adams am besten noch vor der Veröffentlichung des Debüts seiner damaligen Band Whiskeytown im Jahre 1995 auf dem Schirm hatte. Wie jedoch die der Musikhörer-Mehrheit im Country Rock-fernen Deutschland, geht auch meine erste Begegnung mit Adams auf dessen Durchbruchsalbum als Solokünstler zurück: Gold. Jener im Dezember 2001 veröffentlichte, zweite Album-Alleingang war schließlich für den Sängers und Gitarristen aus Jacksonville, North Carolina die prädestinierte musikalische Visitenkarte außerhalb der Vereinigten Staaten. Mehr noch als von seiner Alternative Country-Seite präsentierte sich der Goldjunge hierauf in Songs und Sound als Verfechter der glänzenden und klanglich opulenteren Singer-Songwriter-Schule der Siebziger und damit als Zögling von Elton John, Billy Joel und Neil Young.

Ryan Adams

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Der europäische Erfolg von Gold kam allerdings bereits zu unserem ersten Gespräch nicht ohne Schattenseite daher. Von den nur bedingt witzigen Bryan Adams-Anspielungen und einem mehrmonatigen Tour- und Presse-Marathon ermüdet, gab sich Adams im Interview unerwartet wortkarg und spröde. Zu seinen Songs wollte er nicht viel mehr preisgeben, als dass sie allesamt Momentaufnahmen seiner ganz persönlichen Reise seien. Ja, selbst die Frage nach dem Ursprung und seiner Einstellung zu der weit zurückreichenden, ur-amerikanischen Geschichtenerzähler-Tradition und Protagonisten wie Woody Guthrie, Hank Williams oder Dylan entlockte dem damals 26-Jähirge nur ein lapidares „Ich weiß nicht, vielleicht sind wir Amerikaner einfach nur gelangweilt.“ Es wäre ein Leichtes gewesen, Adams damit als Schnösel abzustempeln. Doch da war weiterhin etwas in der Schönheit der Musik und in den Erzählungen von Gold, was selbst jener durchwachsene Dialogversuch nicht schmälern konnte. Vielleicht müsse man, um Adams besser zu verstehen, tatsächlich wieder einen Schritt weiter zurückgehen.

Ryan Adams

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Das erneute Auflegen von Adams Solo-Debüt, Heartbreaker, welches ein Jahr zuvor am 05. September 2000 veröffentlicht worden war, brachte schließlich die Erkenntnis: Auf einmal wurde einem bewusst, dass die deutlich intimeren und fragileren Songs von Heartbreaker viel eher Adams wahrem, nachdenklichen und introvertierterem Naturell entsprachen, als es einem die abgeklärte musikalische Lässigkeit von Gold weiß machen wollte. In nur zwei Wochen in den Woodland Studios zu Nashville im deutlich kleineren Musiker-Kreis eingespielt, standen ihm auf Heartbreaker neben Produzent Ethan Johns (u.a. Schlagzeug, Bass) und dem späteren Wilco-Mitglied Pat Sansone (Piano, Orgel), primär Bluegrass-Sängerin Gillian Welch und ihr Partner David Rawlings an elektrischer und akustischer Gitarre sowie Banjo und Background-Gesang zur Seite. Viel mehr als leisetretenden Traditionalismus brauchen die vornehmlich puristischen Songs auch nicht um Gehör zu finden.

Ryan Adams

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Kommt „To Be Young (Is To Be Sad, Is To Be High)“ noch wie ein ungestümer Country Rock-Wind daher, der gleichsam Bob Dylans Nashville Skyline und – in seiner rumpeligen Raffinesse – „Subterranean Homesick Blues“ kanalisiert, geht es fortan deutlich behutsamer und akustisch beruhigter zur Sache und dominieren zarte Country-Klänge und Folk-Figuren das Bild. Spätestens „Oh My Sweet Carolina“, ein bittersüßes Duett mit der Grande Dame des Country, Emmylou Harris, erhebt Adams tatsächlich auf die anvisierte Augenhöhe mit Gram Parsons und gerät damit zum Herzstück von Heartbreaker. Doch auch der staubig nackte Blues von „Bartering Lines“ oder das mit schunkelnder Mundharmonika und einer zirpenden Banjo-Hookline versehene „Come Pick Me Up“ versprühen in ihrer ehrlichen Kargheit überzeugende Americana-Authentizität. Zwar lässt es sich Adams nicht nehmen, auf „Shakedown on 9th Street“ auch noch mal die Stones in die Rocker-Garage zu bitten; zum Albumausklang jedoch gibt er sich ganz klassisch als melancholischer Troubadour. Eine größere Ehrung seiner Songschreiber-Qualitäten, als dass Folk-Patronin Joan Baez das pastorale „In My Time Of Need“ ein paar Jahre später für sich adaptieren sollte, hätte sich Adams sicherlich nicht wünschen können.

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Auch 15 Jahre nach Erstveröffentlichung – und eine beachtlichen Reihe an Folgealben später – bleibt Heartbreaker der schnörkelloseste und direkteste Schlüssel zu Adams Schaffen und vielleicht auch seinem Künstler-Herzen. Zeit für eine Wieder- oder gar Neuentdeckung dieses ersten Alternative Country-Meilensteins des neuen Jahrtausends, ist es allemal.

Text: Frank Thiessies
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