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Popkultur

Paul McCartney über seine Lockdown-Erfahrungen, „McCartney III“ und den Film „Get Back“

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Paul McCartney während eines Auftritts in London im Jahr 2018. Foto: Samir Hussein/WireImage/Getty Images

Im Interview mit der BBC hat Paul McCartney davon berichtet, wie er die Lockdown-Zeit mit der Familie erlebt hat. Außerdem sprach er über das kommende McCartney III-Album im Kontext der beiden Vorgänger und verriet erstmals, was er von Peter Jacksons Kinofilm The Beatles: Get Back hält, der im Sommer 2021 in die Kinos kommen soll.

von Paul Sexton

Das Gespräch mit Interviewer Matt Everitt, das in Shaun Keavenys Sendung bei BBC 6 Music ausgestrahlt wurde, konzentrierte sich eingangs aufs neue Soloalbum von McCartney – ein Werk, das sich gewissermaßen verselbständigt habe: Wie von selbst sei es entstanden, obwohl der Ex-Beatle eigentlich gar kein neues Album geplant hatte. „Ich habe immer diese Ideen, und ich weiß auch nicht – irgendwie brauche ich einfach immer eine Beschäftigung“, so der Brite.


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„Anfang des Jahres war ich gerade aus dem Urlaub zurückgekommen, und ich zog mich dann erst mal aufs Land zurück, auf meine Farm. So kam es, dass ich den Lockdown zusammen mit meiner Tochter Mary und deren Familie verbracht habe, sprich: mit vier Enkelkindern. Ähnlich wie bei vielen anderen auch, sah die Situation plötzlich also so aus, dass man sehr viel Zeit mit der Familie verbracht hat, viel mehr als geplant – und das war echt schön“, so McCartney.

„Und dann hatte ich auch noch die Arbeit“, berichtete er weiter, „schließlich war die Idee ja, nur dann zur Arbeit zu gehen, wenn sich das zu Hause nicht einrichten ließ. Ich hatte nun aber tatsächlich noch ein paar Sachen, die im Studio zu erledigen waren, und das war gewissermaßen der Startschuss, wenn man so will. Ich machte also ein paar Aufnahmen in jenen Tagen, und abends kam ich dann nach Hause, und da warteten dann Mary und die Familie, was wirklich sehr angenehm war. Was ich damit sagen will: Das war gar keine so schlimme Zeit. Und auch wenn ich das jetzt eher ungern sage, weil ich sogar persönlich viele Leute kenne, die richtig gelitten haben darunter, aber nein: bei mir war’s echt nicht so schlimm. Ich habe viel Zeit mit meinen Enkeln verbracht, und das war toll.“

McCartney’s Trilogie

Mit McCartney III setzt er seine Serie von selbstproduzierten, in den eigenen vier Wänden aufgenommenen DIY-Alben fort, die der Brite schon 1970, zur Zeit der Beatles-Auflösung, mit dem ersten Soloalbum McCartney begonnen hatte. Auch jenes erste Album sei, so McCartney, „damals einfach nur entstanden, weil ich daheim war und Zeit für mich hatte. Plötzlich war ich nicht mehr Teil der Beatles, und da kann es einem schon passieren, dass man nicht so genau weiß, was man mit sich anfangen soll…“

„Aber ich hatte ja meine ganzen Sachen da: Ich hatte ein Schlagzeug, ich hatte meinen Bass, ich hatte meine Gitarre, hatte einen Verstärker. Von EMI organisierte ich mir dann ein Vierspur-Aufnahmegerät, genauso ein Teil, wie wir es mit den Beatles auch benutzt hatten, nur setzte ich jetzt voll auf Lo-Fi-Sound: Ich stöpselte einfach das Mikro ein, ohne Mischpult dazwischen, und machte meine Aufnahme, fertig.“

DIY

Zehn Jahre später setzte der Ex-Beatle ein zweites Mal auf diese Do-It-Yourself-Herangehensweise – für McCartney II aus dem Jahr 1980. „Da hatte ich mir einen Synthesizer liefern lassen und hab mich dann zum ersten Mal überhaupt damit befasst, konnte also alles machen, was damit möglich ist, und dann kam noch ein Sequenzer dazu“, erinnert sich McCartney. „Auch da ging es um etwas, das ich irgendwo gehört, aber noch nie selbst ausprobiert hatte. Und auch für das Album habe ich mich gewissermaßen eingesperrt.“

„Zwischendurch fühlte sich das schon etwas verrückt an. Früher habe ich das immer mit einem verrückten Professor verglichen, der allein im Labor ist. Ein Stück zum Beispiel: Secret Friend, das geht einfach mal acht Minuten lang.“ Ein Umfang, der damals ganz andere Herausforderungen mit sich brachte: „Wenn man zum Beispiel einen Shaker als Rhythmuselement aufnehmen will, dann reicht das, wenn man es ganz kurz aufnimmt – und den Rest der acht Minuten erledigt dann der Rechner. Damals jedoch stand ich dann ganz alleine da in diesem kleinen Raum, machte die Shaker-Aufnahme und glotzte dabei auf die Uhr: ‘Mann, das sind ja immer noch sieben Minuten…’“

„Wenn man alles im Alleingang macht, hat man die Idee und kann sie sofort umsetzen. Bei einer Band ist das anders: Du musst alles erst erklären, die anderen müssen es kapieren… das kann manchmal großartig sein, bitte nicht falschverstehen – gerade live ist das unschlagbar gut. Aber ja, wenn man alleine ist und einfach herumexperimentiert, dann hat man all diese Freiräume, und das ist etwas, das mir schon immer sehr viel Spaß gemacht hat.“

Den Tag nutzen

Interviewer Everitt fragte McCartney schließlich, ob einer der neuen Songs auch ganz direkt vom Pandemiegeschehen inspiriert sei. „Ja, ich denke schon, ein paar der neuen Songs sind das“, entgegnete McCartney. „Einer davon heißt Seize The Day, da schwingt das Pandemiethema mit. Es geht darum, dass wenn die kalten Tage anbrechen, man sich dann wünscht, die Zeit besser genutzt zu haben… eigentlich wollte ich damit mich und alle, die zuhören, daran erinnern, dass wir an den guten Dingen festhalten müssen, um so besser durch diese Zeit zu kommen. Mir jedenfalls hat das geholfen.“

Auch seinen Unmut über die Situation brachte der Brite im BBC-Gespräch ganz offen zum Ausdruck: „Ich hasse es. Du machst den Fernseher an und es geht nur darum, wie viele Menschen heute schon wieder gestorben sind. Natürlich zieht einen das runter mit der Zeit. Und ehrlich gesagt habe ich immer wieder, um besser damit klarzukommen, daran zurückgedacht, was meine Mutter und mein Vater im Zweiten Weltkrieg alles durchmachen mussten.“

„Sie haben überlebt. Haben die Bomben, die ganzen Verluste um sie herum überstanden. Sie gingen mit unglaublich starkem Geist weiter, weshalb wir Kinder in Liverpool mit dieser ‘Komm, amüsieren wir uns doch’-Haltung groß geworden sind. Diese Nachkriegshaltung war großartig, weil alle einfach die Nase voll hatten. Für mich war das gut, sich daran zu erinnern, denn: wenn die das konnten, dann kann ich das auch!“

„Sollten sie mich feuern, würde ich auch als Hobbymusiker weitermachen.“

Auch die heilende Kraft der Musik war Thema des Gesprächs: „Ich hab schon so oft gesagt, dass ich auch als Hobbymusiker weitermachen würde, wenn man mich feuern sollte. Meine Gitarre ist immer bei mir, wie ein Freund. Viele Gitarristen oder Musiker ganz allgemein kennen dieses Gefühl: Es gibt da diese Beziehung, die man zu diesem leblosen Gegenstand aufbaut. Er wird einem mit der Zeit sehr wichtig.“

„In den Anfangstagen der Beatles haben John und ich das immer mit einem Psychiater verglichen. Wenn man sich mies fühlte, zog man sich in die Schrankecke zurück, begann zu spielen, arbeitete sich immer weiter dadurch, bis man das Gefühl am Schluss abgeschüttelt hatte. Ein wichtiger Prozess ist das.“

Abschließend fragte der Interviewer auch noch nach dem Stand der Arbeiten an Peter Jacksons Film Get Back. Angekündigt für den 27. August 2021, soll auch das gleichnamige Buch wenige Tage später in den Handel kommen. „Ja, habe ich, und ich finde sie umwerfend“, so McCartney auf die Frage, ob er denn schon Ausschnitte gesehen hätte. Im Vorfeld habe der Ex-Beatle Jackson davor gewarnt, wie langweilig und wie umfangreich das Material sei: „56 Stunden oder so, und ich sagte, ‘Gott, das wird sicher langweilig für dich!’, denn in meiner Erinnerung war der Film [das Original von 1970] eher trist.“

„Doch dann meldete er sich bei mir und sagte, wie lustig das Material sei – ‘da sind halt vier Typen bei der Arbeit und man sieht förmlich, wie ihr neue Songs erschafft.’ Konkret sieht man beispielsweise, wie George den Text von Something In The Way She Moves hinterfragt oder wie ich versuche, Get Back zu verstehen. Er hat mir Ausschnitte gezeigt und das wird super, ich liebe es, denn so war’s wirklich! Mich erinnert dieser Film daran, wie sehr wir uns geliebt haben, auch wenn es natürlich Streitigkeiten gab, wie in jeder Familie… Ein ganz warmes Gefühl löst das bei mir aus, und es ist der Hammer: Einfach hinter den Kulissen mit diesen Jungs zu sein – und Musik zu machen, die sich dann auch noch als brauchbar herausstellen sollte.“

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