Popkultur
Polaroid-Paranoia-Pop: Peter Gabriels drittes Soloalbum „Melt“ wird 40 Jahre alt
Zwischen dem ausufernden Theater-Rock von Genesis in den Siebzigern und den MTV-Hits der mittleren Achtziger liegt das wahre kreative Glück: Peter Gabriel III ist das beste Album des Sängers und Songwriters.
von Michael Döringer
Ein künstlerischer Befreiungsschlag
Das Jahr 1975 markiert das Ende für das gemeinsame Projekt von Genesis und Peter Gabriel. Der Frontmann und seine Bandkollegen hatten sich während der Arbeit an ihrem letzten Album, dem Prog-Meilenstein The Lamb Lies Down On Broadway (1974), im kreativen Prozess verloren und entfremdet. Gabriel wollte solo weitermachen und zog von dannen, bei Genesis übernahm Phil Collins nach kurzer Ratlosigkeit den Lead-Gesang. Es sollte ungefähr fünf Jahre dauern, bis beide Trennungsparteien dort ankamen, wo sich sich künstlerisch wieder vollkommen neu entfalten konnten und jeweils ein großes neues Kapitel aufschlugen.
Genesis wurde zur Pop-Band, spätestens mit dem Album Duke (1980). Und Peter Gabriel gelang nach zwei Soloalben, einem mäßig stringenten und einem mäßig erfolgreichen, mit Peter Gabriel III ebenfalls 1980 sein musikalischer Befreiungsschlag. Die Platte mit dem Spitznamen Melt deutet den ganz großen kommerziellen Triumph an, den er später dank Hits wie Sledgehammer feiern sollte, ist aber aus tiefstem Herzen als Experimental-Pop-Album gedacht, das Avantgarde-Techniken genau so frönt wie den zwingenden Melodien. In dieser Zwischenposition ist es eines der besten Alben der ganzen Dekade, und noch immer das beeindruckendste Solowerk von Peter Gabriel.
Sonische Widerhaken und politischer Widerstand
Schräge Gitarren kratzen über dem Drumbeat-Intro von Intruder, das eine geheimnisvoll-paranoide Stimmung entwickelt. Der Opener ist keiner der großen Hits, die man heute allgemein mit Gabriel assoziiert, aber eine derart einflussreiche Nummer für den Pop der Achtziger, dass über ihre Details noch heute geredet wird. Gleich mehr dazu. Einfallsreiches Songwriting und herausfordernde Klangspielereien verbinden sich in No Self Control oder Family Snapshot, auch ein vermeintlich straighter Disco-Rocker wie I Don’t Remember spart nicht mit sonischen Widerhaken und schaffte es dennoch weit nach oben in die Charts.
Games Without Frontiers und Biko waren die anderen Single-Erfolge auf Melt. Die Hymne auf den südafrikanischen Widerstandskämpfer Steve Biko, der in Polizeigewahrsam verstarb, steht für ein ganz anderes Kapitel in Gabriels Karriere. Der Anti-Apartheidssong war sein erster dezidiert politischer Song, er sollte sich in Zukunft nicht nur vehement für globale Menschenrechte einsetzen, sondern auch an der Vermittlung zwischen sogenannter Weltmusik und westlicher Kultur mitwirken.
Am Anfang war der Rhythmus
Biko wurde einer von Gabriels wichtigsten Songs, spielt aber für den Sound von Melt eine eher untergeordnete Rolle. Die großen Themen auf seinem dritten Album sind düster und persönlich, investigieren Abgründe der menschlichen Psyche, Depression und Paranoia. In vielen retrospektiven Betrachtungen heißt es, dass Gabriel hier zum ersten Mal Themen, Songs und Sounds in perfekten Einklang bringen konnte, auch wenn sich eine solche Ästhetik auf den Vorgängern schon angedeutet hatte.
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Ein Grund dafür war wohl, dass Gabriel seine Art des Songwritings änderte: Er begann nun zuerst mit dem Rhythmus, die Melodie folgte später. Alle Songs bauten sich nach und nach auf den rhythmischen Sequenzen auf. Ein großer Einfluss auf diese Herangehensweise war die „Systems Music“ von Minimal-Komponisten wie Steve Reich, dessen Werk Music For Eighteen Musicians Gabriel als Inspiration zitiert: „Da tauchten Marimbas auf. Von allen Komponist*innen hatten seine Stücke die schönsten Texturen, Farben und Grooves. Das sprach mich sehr an. Solche Elemente versuchte ich einzubauen und arbeitete deshalb unter andere mit dem Percussion-Spieler Morris Pert auf No Self Control.“
Künstlerische Freiheit: Weniger ist mehr
Natürlich profitierte Gabriels Vision von den Musikern, mit denen er die Platte aufnahm: King Crimsons Robert Fripp mit seinen unerhörten Gitarrenideen. Dave Gregory von der New-Wave-Band XTC, ebenfalls an der Gitarre. Zuvor mit XTC arbeiteten auch Steve Lillywhite und Hugh Padham, die genau die experimentierfreudigen jungen Produzenten waren, die Gabriel brauchte, um unkonventionelle Ideen umzusetzen.
Legendär ist Gabriels Ansage an die Drummer, ganz auf Becken zu verzichten. Jerry Marotta sträubte sich, Phil Collins war weniger skeptisch, der seinem alten Kollegen auf einigen Tracks aushalf. So entstand der berühmte „gated drum sound“, ein stark mit Effekten und Hall versehener Schlagzeug-Sound, den Collins zuerst in Intruder spielte und daraufhin auch in seiner eigenen Musik einsetzte – In The Air Tonight ist das markanteste Beispiel. Diese Drum-Ästhetik wurde über Jahre hinweg zum Maßstab in der Pop-Produktion. „Komplette künstlerische Freiheit führt zu gar nichts“, sagte Gabriel später in einem Interview und erklärte seine Entscheidung: „Wenn man Künstler*innen vorgibt, was sie nicht machen dürfen, werden sie kreativ. Deshalb habe ich die Becken verboten. Stell dir vor, du bist Rechtshänder und sollst lernen, mit der linken Hand zu schreiben.“
Der subtile Einsatz der Mittel
Es gibt noch andere Stargäste, die auf Melt ihre Spuren hinterlassen haben: Seit Wuthering Heights war Gabriel ein Fan von Kate Bush und engagierte sie nun für Backing Vocals in No Self Control und Games Without Frontiers. Ihre Stimme schwebt oft nur wie ein Soundeffekt im Hintergrund, doch genau dieser subtile und sparsame Einsatz der Mittel zeichnet das ganze Album aus. Jahre später erst nahmen Bush und Gabriel mit Don’t Give Up vom Album So (1986) ein richtiges Duett auf.
Paul Weller ist ein Gast, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hätte. Er nahm im Studio nebenan mit The Jam auf und wurde von Gabriel für den Gitarrenpart in And Trough The Wire verpflichtet. Ein ideale Wahl für diesen eher konventionelleren Rocksong, der nichtsdestotrotz ein wichtiges musikalisches Puzzleteil von Melt ist.
Polaroid-Paranoia
Den inoffiziellen Titel Melt erhielt die Platte aufgrund des auffälligen Coverdesigns von Hipgnosis. Man hatte ein Polaroid-Portrait von Gabriel derart im Entwicklungsprozess bearbeitet, also geknautscht und geknickt, bis die Farben zerflossen und das Foto regelrecht zerschmolzen wirkte. Das Artwork bietet nicht wenig Interpretationsmöglichkeiten: Zusammen mit den beklemmenden Themen der Songs und dem für kommerziell ausgerichtete Ohren verstörenden Klangeffekten konnte durchaus der Eindruck entstehen, dass sich Gabriel mental nicht im besten Zustand befand. Lead A Normal Life beschreibt den Aufenthalt in einer Psychiatrie und das Gefühl von Isolation. Family Snapshot basiert auf den Aufzeichnungen eines politischen Attentäters. Not One Of Us erzählt vom Dasein als Außenseiter.
Als die Verantwortlichen seiner Plattenfirma Gabriels neues Werk zum ersten Mal hörten, dachten sie, er selbst hätte einen mentalen Kollaps erlitten. Atlantic Records wollte Melt in den USA so nicht veröffentlichen, man versprach sich keinen großen Erfolg. Doch Gabriel fand Ersatz und die Platte übertraf alle Erwartungen. In Großbritannien ging sie auf Platz eins, in Deutschland erschien Melt als Ein deutsches Album in komplett deutscher Übersetzung. Das klingt aus heutiger Sicht vollkommen kurios, doch die deutschen Texte funktionieren verstörend gut, indem sie der Musik eine noch seltsamere Aura als im Original verleihen.
Bei Atlantic Records sah man den Fehler bald ein und nahm Peter Gabriel wieder unter Vertrag. Kluger Schachzug, denn sein kommerzielles Potenzial sollte er auf den folgenden Alben immer weiter entfalten. Das musste sich naturgemäß auf den avantgardistischen Aspekt seiner Musik auswirken. Peter Gabriel III ist in dieser Hinsicht ein Höhepunkt und bleibt sein größtes Meisterwerk auf dem schmalen Grat zwischen Popsongs und Soundexperimenten. Gabriel selbst sieht es genau so: „Ich glaube, dass das dritte Album sehr wichtig für mich war, weil ich zusammen mit der Band einen eindeutigen eigenen Sound entwickeln konnte. Es war die erste Platte, auf der ich ganz deutlich etwas anderes machte als alle anderen.“
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Popkultur
Als Led Zeppelin facettenreicher wurden: „Houses Of The Holy“
Vier durchnummerierte Platten brauchten Led Zeppelin, um die Spitze des Rockolymp zu erklimmen. Auf ihrer fünften Veröffentlichung Houses Of The Holy schlugen die Briten experimentierfreudigere Pfade ein — mit großem Erfolg. Den Titeltrack mussten sie allerdings auf das nächste Album verschieben.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Houses Of The Holy von Led Zeppelin anhören:
Pause? Für Led Zeppelin ist das zu Beginn ihrer Karriere ein Fremdwort. In gerade einmal drei Jahren veröffentlichen die Briten vier legendäre Alben, touren mehrfach um den Globus und spielen weltweit vor ausverkauften Häusern. Großbritannien, Nordamerika, Japan, Australien — und wieder von vorn. Ein wenig zur Ruhe kommen Led Zeppelin erst 1972, als sie mit der Aufnahme ihres fünften Albums Houses Of The Holy beginnen. Die Gruppe schlägt darauf experimentellere Wege ein und setzt auf aufwändige Arrangements und neue Einflüsse statt auf schnodderigen Hardrock-Sound. Doch wie genau kam es zu dieser Typveränderung — und hatten auch die Fans Freude an den neuen Led Zeppelin?
Houses Of The Holy: Ein Album unter anderen Umständen
Anfang der Siebziger ist das Bankkonto von Led Zeppelin bereits gut gefüllt — so gut, dass sich Gitarrist Jimmy Page und Bassist John Paul Jones ihre eigenen Heimstudios einrichten. Zum ersten Mal können die beiden Musiker ihre Ideen in aller Ruhe aufnehmen, noch einmal hören, bearbeiten und ergänzen. Dadurch werden die Songs ausgeklügelter als sonst — weg vom Bluesrock, hin zum AOR, wenn man so möchte. Als Led Zeppelin mit den offiziellen Aufnahmen von Houses Of The Holy beginnen, sind die vier Musiker deutlich besser vorbereitet als bei ihren vorherigen vier Alben. Zu gut, wie es scheint, denn die Band spielt mehr Songs ein als auf die Platte passen.
Während der Sessions zu Houses Of The Holy sammeln Led Zeppelin so viel Material, dass sie ein paar ihrer neuen Kompositionen für später aufbewahren müssen. Das betrifft zum Beispiel den Song Walter’s Walk, der erst 1982 auf der Zusammenstellung Coda erscheint. The Rover und Black Country Woman packen die Briten auf ihr sechstes Album Physical Graffiti (1975). Besonders kurios: Sogar den Titeltrack verschieben Led Zeppelin auf später, sodass der Song Houses Of The Holy nun nicht auf dem Album Houses Of The Holy zu finden ist, sondern ebenfalls auf dem Nachfolger Physical Graffiti. Trotzdem klingt Houses Of The Holy stimmig — auch wenn „Led Zep“ darauf einige Experimente wagen.
Da wäre zum Beispiel die Funk-lastige Nummer The Crunge, die man den Briten vorher wohl nicht unbedingt zugetraut hätte. Auch das Reggae-beeinflusste Stück D’yer Mak’er klingt nicht wie ein typischer Led-Zeppelin-Song. Genau das war das Ziel, wie Gitarrist Jimmy Page in dem Buch Light & Shade: Conversations With Jimmy Page erklärt: „Auch wenn alle ein zweites Led Zeppelin IV wollten: Es ist sehr gefährlich, sich selbst zu kopieren. Ich werde keine Namen nennen, aber jeder kennt Bands, die sich ewig wiederholen. Nach vier oder fünf Alben sind sie ausgebrannt. Bei uns hingegen wusste man nie, was als nächstes kommt.“
Eine Tour der Superlative — und der anschließende Burnout
Das gilt auch für die Tour zu Houses Of The Holy, mit der Led Zeppelin einmal mehr neue Live-Show-Maßstäbe setzen. Laser, Discokugeln, aufwändige Outfits, Pyrotechnik: Die britischen Rocker lassen sich nicht lumpen und feuern auf ihrer insgesamt dreimonatigen Tour aus allen Rohren. 55 Konzerte geben Led Zeppelin, darunter auch in Nürnberg, München, West-Berlin, Hamburg, Essen und Offenburg. Überall feiert wird die Band gefeiert; später ist sogar die Rede davon, dass die Tour der technische Höhepunkt der Gruppe gewesen sein muss. Doch der Preis ist hoch: Nach der Konzertreise sind Led Zeppelin so fertig, dass sie eine fast zweijährige Pause einlegen.
Was die Verkaufszahlen und den Erfolg von Houses Of The Holy betrifft, geht die Platte im Vergleich zum direkten Vorgänger Led Zeppelin IV beinahe unter. „Nur“ elffaches Platin gelingt den Briten bis heute mit dem Album; bei Led Zeppelin IV ist es mehr als doppelt so viel und auch der Houses Of The Holy-Nachfolger Physical Graffiti kann insgesamt 16 US-Platinveredelungen abräumen. Dennoch: Led Zeppelin zeigen sich auf Houses Of The Holy von ihrer erwachsenen Seite und das kommt an. Drei Alben bringen die Briten anschließend noch raus, bis der Tod von Schlagzeuger John Bonham die Karriere der Gruppe im Jahr 1980 beendet. Doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 28.3.1985 tritt Alicia Keys zum ersten Mal im TV auf. Sie ist 4.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.3.1985.
von Timon Menge und Christof Leim
Mehr als 150 Preise gewinnt Alicia Keys im Lauf ihrer Karriere, darunter 15 Grammys. Ihre Premiere im Showgeschäft feiert sie allerdings am 28. März 1985 in einer TV-Serie – mit vier Jahren.
Hier könnt ihr euch Here anhören:
Übernachtungsparty! Die kleine Tochter der Familie hat ihre Freunde und Freundinnen eingeladen, alle sind bestens gelaunt, vor allem als sie reihum mit dem Herrn Papa Rodeo spielen. Die Regeln: Wer sitzen bleibt, gewinnt. Ein Mädchen mit Lockenkopf kann sich trotz wildester Bewegungen halten und geht als Siegerin hervor. Vier Jahre alt ist die junge Schauspielerin in dieser Szene der Bill Cosby Show, ihr Name lautet Alicia Cook. Damals kennt sie niemand, heute schon…
In den Achtzigern kann man sich ein Fernsehprogramm ohne die Familie Huxtable kaum vorstellen. In acht Staffeln thematisiert die Sitcom das Leben einer afroamerikanischen Familie aus der Mittelschicht, die sich mit alltäglichen Situationen und Problemen auseinandersetzt. Dass dieses Format auch bei der weißen Bevölkerung gut ankommt, ist zu jener Zeit noch nicht selbstverständlich. Den Familienvater Dr. Heathcliff Huxtable gibt Schauspieler Bill Cosby, nach dem die Sendung auch benannt ist. (Heute ist Cosby weltweit und zurecht in Ungnade gefallen, weil er wegen dreifachen sexuellen Missbrauchs zu mehreren Jahren Haft verurteilt wird. Aber das ist eine andere, unschöne Geschichte.)
Wer ist Alicia Cook?
Diese kleine Alicia Cook, die da einen Gast der Übernachtungsparty der kleinsten Huxtable-Tochter Rudy spielt, lernen wir Jahrzehnte später unter einem anderen Namen kennen: Alicia Keys. Mit dem Auftritt in der Show feiert sie sozusagen ihren Einstand im Showgeschäft. Hier könnt ihr euch den Ausschnitt mit ihr angucken:
In einem späteren Interview mit der Teleschau erzählt Keys: „Ich erinnere mich vor allem daran, dass es ein wahnsinnig langer Tag war. Bis das alles abgedreht war, war es später Abend – und ich und die anderen Kinder waren so müde, dass wir irgendwann einfach auf dem Sofa eingeschlafen sind. Aber ich erinnere mich auch daran, dass es extrem witzig war. Bill Cosby war super. Und hey, immerhin habe ich beim Reite-Spiel auf seinem Knie gewonnen.“
Nur der Anfang
Gewinnen wird Keys nachher noch so einiges, nämlich mehr als 150 Auszeichnungen und 14 Platinschallplatten (allein in den USA). Mit Alben wie Songs In A Minor (2001), The Diary Of Alicia Keys (2003), As I Am (2007) und The Element Of Freedom (2009) räumt sie in den 2000er Jahren wirklich alles ab. Wer hätte 1985 gedacht, dass aus der kleinen Alicia Cook einer der größten Popstars des 21. Jahrhunderts wird?
Zeitsprung: Am 7.9.1984 sind die Jacksons auf Tour und Janet brennt durch.
Popkultur
Zeitsprung: Am 27.3.1970 veröffentlicht Alice Cooper „Easy Action“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.3.1970.
von Bolle Selke und Christof Leim
Die Rock’n’Roll-Welt steht nicht gerade in Flammen für die Alice Cooper Band, als sie am 27. März 1970 ihr zweites Album Easy Action veröffentlicht. Das könnte nicht zuletzt an der lustlosen Produktion liegen. Trotzdem bietet sich hier ein perfektes Zeitdokument einer sich entwickelnden Band, das man fast als Vorproduktion für den Meilenstein Love It To Death im folgenden Jahr ansehen könnte.
Hier könnt ihr euch Easy Action anhören:
Geneigte Fans und Hardrock-Aficionados wissen vermutlich, dass Alice Cooper für eine Band steht, die sich 1975 auflösen wird. Erst danach adaptiert deren Sänger Vincent Furnier den Namen und wird so zu einem hochgeschätzten Heavy-Metal-Entertainer und Gottvater des Shock Rock.
Psychedelische Scheißmusik
1970 allerdings stehen solche Superlative noch in weiter Ferne. Die Truppe schraubt an ihrem zweiten Album, das ebenso wie der Vorgänger Pretties For You bei Frank Zappas Plattenfirma Straight erscheinen soll. An den Reglern sitzt David Briggs, der heutzutage vor allem bekannt dafür ist, mehr als ein Dutzend Neil-Young-Alben produziert zu haben. Schlagzeuger Neal Smith sagt später über Briggs: „David hasste unsere Musik und uns. Ich erinnere mich, dass unsere Song für ihn ‚psychedelischer Scheiß‘ waren. Wenn man mich fragt, klang Easy Action zu trocken, eher wie eine TV- oder Radiowerbung. Er half in keiner Weise beim Arrangement der Lieder oder lieferte irgendwelchen positiven Input.“ Und so wird kein einziges der Stücke von Easy Action nach der Love It To Death-Tour jemals wieder live von Cooper aufgeführt.
Nichtsdestotrotz bezeichnen manche gerade diese Scheibe als das „große unentdeckte“ Cooper-Album. Während Pretties for You eine schwierige Platte ist und Love It to Death ein Klassiker, könnte man Easy Action als das perfekte Bild einer sich entwickelnden Band ansehen. Beim ersten Stück Mr. And Misdemeanor lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Sänger Furnier seinen bösartig klingenden Gesangsstil definiert. Alice Cooper steht später für drei Minuten lange Hits mit eingängigen Melodien und negativen Themen, welche dann gegen Ende der Alben durch längere Stücke ergänzt werden. So gesehen liefern die Rocker mit Easy Action also fast eine Vorproduktion für Love It to Death, obwohl die Band auf ersterem mehr Erfindergeist zeigt.
Unisex, roh und gewalttätig
Hinter dem Albumtitel steckt eine Zeile aus einem Lieblingsfilm von Furnier und Bassist Dennis Dunaway, dem Musical West Side Story mit der Musik von Leonard Bernstein. Zitate daraus wie „got a rocket in your pocket“ und „when you’re a Jet, you’re a Jet all the way“ werden auch bei dem Song Still No Air verwendet. Das Motiv der halbstarken Gang aus West Side Story wird auch an anderen Stellen von Alice Copper aufgegriffen. Auf dem Cover wendet sich die Band von der Kamera ab, deren unbedeckte Rücken sind nur durch ihr langes Haar bedeckt. Eine Radiowerbung von 1970 pries die Band dann auch als „unisex, roh, miteinander und gewalttätig – genau wie ihr, amerikanische Mitbürger“.
Als ob die Band den fehlenden kommerziellen Erfolg von Easy Action geahnt hätte, beginnt der letzte Song, das psychedelisch abgedrehte Lay Down And Die, Goodbye, mit den Worten des Komikers Tom Smothers: „Ihr seid der einzige Zensor. Wenn euch das, was ich sage, nicht gefällt, habt ihr die Wahl: Ihr könnt mich ausschalten.“
Die Kritiker zerreißen das Album hauptsächlich. Robert Christgau bezeichnet es im Magazin The Village Voice als „unmelodisches Singen, unmelodisches Musizieren, unmelodische Melodien und pseudomusikalischen Beton“. Erst bei Love It To Death entdeckt die Band mithilfe von Produzent Bob Ezrin den Sound für den Alice Cooper heutzutage geliebt wird…
Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.
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