Popkultur
Still Swinging – Von den Roaring Twenties zum Electroswing
Lindy Hop Tanzkurse, 20s, 30s und 40s Mottopartys oder Electro Swing Clubs und Partyreihen: Swing, soviel ist sicher, ist auch heute noch angesagt und keinesfalls verstaubte Geschichte, die allerhöchstens noch auf dem großelterlichen Plattenspieler zu hören ist. Der aus dem Jazz hervorgegangene Musikstil erlebte um das Millennium ein Comeback und lümmelt seitdem in den internationalen Charts herum. Auch DJs haben den Sound für sich entdeckt und spielen äußerst produktiv mit den alten Klängen in Verbindung mit ihren elektronischen Beats. Aber was genau hat es mit dem Massenphänomen Swing auf sich? Wie ist der Musikstil entstanden? Warum entwickelte sich dabei ein so enormer Tanz-Hype? Was hat das Ganze mit dem US-amerikanischen Wirtschaftswachstum der „Roaring Twenties“ und dem Nationalsozialismus in Deutschland zu tun? Und warum ist Swing eigentlich heute noch so dermaßen erfolgreich?
Die Roaring Twenties und die Wurzeln des Swing
In den USA als „Roaring Twenties“, in Deutschland als „Goldene Zwanziger“ bekannt, waren die 1920er geprägt von einem bombastischen Wirtschaftswachstum. Die vom Ersten Weltkrieg paralysierten westlichen Gesellschaften wurden zu solchen des Massenkonsums mit mondänem Charme. Viele Menschen zogen vom Land in die großen Städte. In den USA waren es New York City, Chicago oder Los Angeles, in Deutschland vor allem Berlin, die eine neue kulturelle Blüte erlebten. Neu gewonnenes Geld wurde hemmungslos auf den Kopf gehauen, für Autos, angesagte Kleidung, Kosmetik, Radios, Kinokarten… Alles neu und aufregend, weltbürgerlich eben, und die moderene Massengesellschaft war geboren. Zu dieser Zeit migrierten auch unzählige Afro-Amerikaner aus den vom brutalen Rassismus durchsetzten Südstaaten in den Norden der USA, wo sie eine freiere Zukunft erwarteten. Und mit ihnen kamen auch ihre einzigartigen Musikstile – vor allem Blues und Jazz – die die Musikkultur in den Großstädten in den kommenden Dekaden verändern sollte. Vor allem der stilprägende New Orleans Jazz – der klassische Jazz schlechthin – verbreitete sich erst in Chicago und später von dort in andere Gegenden in den USA. Tonangebend im wahrsten Sinne des Wortes war hier der legendäre Louis Armstrong, der die strikten Regeln des Jazz als Ensemble-Musik aufbrach und seine improvisierende Solo-Trompete in den Vordergrund stellte. Damit beeinflusste er nicht nur eine nachfolgende Generation weißer Jazzer wie Benny Goodman oder Gene Krupa, sondern die weitere Entwicklung des gesamten Musikstils, der später Größen wie Miles Davis, Ella Fitzgerald und Frank Sinatra hervorbringen sollte.
Swing – Big Bands, Jungle-Sound und Lindy Hop
Nach kurzem Luftanhalten Ende der 1920er (aufgrund der eingeschlagenen Weltwirtschaftskrise und Roosevelts politischem Coup des „New Deal“) florierte das gesellschaftliche Leben in den USA auf ein Neues – und das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ suchte nach passenden Ausdrucksmöglichkeiten für die hyperoptimistische Stimmung der Zeit. Junge Amerikaner wollten ihren neu gewonnenen Wohlstand übermütig zur Schau stellen. Dafür kamen allabendliche Tanzabende wie gerufen. In New York City entstand zu dieser Zeit eine neue Richtung des Jazz: der Swing. Er war nicht ganz so ausdrucksstark wie der New Orleans Jazz und weniger am Blues orientiert, besaß dafür aber einen viel satteren Sound und war extrem tanzbar. Untrennbar war er daher mit dem Aufkommen der Big Bands verbunden, den großen Jazz-Orchestern der Tanzshows von Harlem bis zum Broadway. Durch die Orchester wurde der Jazz zwar pompöser, ein neuer „grooviger“ Rhythmus sorgte allerdings für die Leichtigkeit, die zum Tanzen animierte. Ein Name darf hier nicht fehlen: Duke Ellington, dessen Karriere im legendären „Cotton Club“ begann, prägte mit seinem Orchester den sogenannten Jungle-Sound des Swing, der besonders markant und showmäßig daherkam. In den Clubs entlang der 52nd Street und in Harlem wurde aber ein anderer Swing gespielt: die Tanzmusik, die Mitte der 1930er zum Massenphänomen wurde. Fast täglich sprießen neue Tanzformen aus dem Boden, der bekannteste unter ihnen wohl der „Lindy Hop“, ein Paartanz der unter Charleston- und Stepptanz-Einflüssen entstand.
Die regelrechte Tanzbegeisterung war so groß, dass sie oft in wahnwitzigen Tanzmarathons mit mehreren tausend Teilnehmern mündete. Neue Swing-Nummern wurden wie am Fließband produziert, die meisten von ihnen von professionellen Arrangeuren in den Songschmieden der berüchtigten Tin Pan Alley. So viel sorgenfreie Freude und Ausgelassenheit der Swing mit sich brachte, so war er doch extrem rassistisch konnotiert: Die meisten Big Band Musiker und Swing-Stars waren Afro-Amerikaner, wurden aber von einem ausschließlich weißen Publikum beklatscht, die sie nur zu ihrer Unterhaltung „duldeten“. In ihren eigenen Reihen akzeptierten sie schwarze Menschen nicht.
Die Swing-Jugend in Deutschland
Auch in Deutschland wurde der Musikstil in den 1930er Jahren gefeiert und fand großen Anklang bei Jugendlichen, allerdings aus maßgeblich anderen Gründen als in Übersee. Die Zeit war geprägt vom rasant zunehmenden Machtgewinn der Nationalsozialisten. Mit der Machtergreifung Hitlers und dem Aufkommen der Hitler-Jugend sahen viele Jugendliche im anglo-amerikanischen Lebensstil einen Ausweg aus der politischen Unterdrückung und Gleichmachung. Die meisten von ihnen kamen aus gutbürgerlichem Elternhaus und passten ihr Äußeres an Vorbilder aus Film und Fernsehen an: Jungs trugen vergleichsweise langes Haar unter steifen Hüten, Schlaghosen und übergroße Jacketts, sowie den obligatorischen Regenschirm, als Accessoire einer betont britischen Attitüde (wobei die Mode sich regional durchaus unterschied). Bei Mädchen galt eine Dauerwelle als todschick und mondän ebenso wie starkes Make-Up à la US-Filmstars – nachgezogene Augenbrauen und dunkler Lippenstift inklusive. Entweder provozierten sie mit körperbetonten kurzen Kleidern oder langen Hosen (was damals beides als wenig „damenhaft“ empfunden wurde). Auch die langen Zigarettenspitzen durften hier nicht fehlen. Dass die Swing-Jugend sich mit ihrer betont freimütigen und weltoffenen Lebenshaltung bei den Nationalsozialisten schnell mehr als unbeliebt machte, dürfte nicht verwundern. Bald wurde Swing-Musik als „entartet“ verurteilt, Tanzveranstaltungen konnten nur noch ganz privat und im Geheimen stattfinden und die „Swing-Boys und Girls“ mussten mit härtesten Strafen rechnen.
Electroswing – Das Swing-Comeback heute
Könnt ihr euch noch an Robbie Williams’ Album „Swing When You’re Winning“ erinnern? Es erschien 2001 und war eine Liebeserklärung des Sängers an den Musikstil, der ihm nicht nur musikalisch, sondern auch optisch enorm gut stand. Das laszive „Somethin’ Stupid“ duettiert mit Hollywood-Diva Nicole Kidman ist wohl jedem noch im Gedächtnis. Ein Glück, dass er im letzten Jahr erneut ein Album namens „Swings Both Ways“ herausbrachte, auf dem neben neuen Songs auch Klassiker wie „Puttin’ On The Ritz“ oder „Dream A Little Dream“ glänzen. Auch der große Erfolg von Künstlern wie Michael Bublé, Diana Krall oder Roger Cicero lässt sich an der besonderen Zeitlosigkeit des Swing festmachen. Seit den 1990er Jahren kann aber noch eine weitere überraschende Entwicklung beobachtet werden: DJs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz entdecken den Swing für sich und paaren ihn mit ihren elektronischen Beats. Das Ganze läuft dann unter dem Label Electroswing. Der DJ Parov Stelar ist einer dieser Experimentalisten, seine Tracks verbinden sphärische Klänge mit Loops aus alten Jazz-Nummern, oder es wird ein Electroswing im Gewand eines Clubsounds geliefert, der unmittelbar in die Beine geht.
Die Neo-Swing-Musikerin Caro Emerald nutzt wiederum die erprobten Songstrukturen aus Jazz und Swing und legt diese unter ihre modernen Popsongs. Wie sein Vorgänger hat sich auch der Electroswing als ungemein beliebte Tanzmusik enthüllt: Neue Partyreihen werden gefühlt jedes Wochenende gestartet. Das heißt aber nicht, traditioneller Swing sei nun überholt worden: Swing-Tanzkurse platzen heute aus allen Nähten und die nächste Mottoparty kommt bestimmt. Genau wie die Weihnachtszeit, in großen Schritten, und mit ihr Swing-Klassiker von Billie Holiday über Ella Fitzgerald bis Frank Sinatra, die einfach nie zu überbieten sind.
Eine geballte Ladung der besten Electroswing Tracks gibt es hier:
Passend zum Thema:
Tanzt ihr B*****s, die Königin hat Laune! – Part I
Tanzt ihr B*****s, die Königin hat Laune! – Part II
Stop, Hey, What’s That Sound? Dancefloor Jazz aus dem Mojo Club

Popkultur
„Wicked Game“ von HIM: Wie eine Coverversion den Finnen alle Türen öffnete
Mit ihrer Coverversion des Chris-Isaak-Hits Wicked Game legten HIM so ziemlich alle Grundsteine für ihre einzigartige Erfolgsgeschichte. Im Folgenden lest ihr, welchen Stellenwert der Song in der HIM-Historie einnimmt und warum die Finnen das Stück mindestens viermal in unterschiedlichen Versionen aufgenommen haben.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Greatest Lovesongs Vol. 666 von HIM anhören:
Es ist der Song, der HIM ins Rampenlicht befördert. Schon für ihre Demo This Is Only The Beginning nehmen Ville Valo und seine Bandkollegen eine Coverversion des Chris-Isaak-Klassikers Wicked Game auf und schinden damit jede Menge Eindruck — zum Beispiel bei BMG-Mitarbeiter Asko Kallonen, der die Newcomer sofort unter Vertrag nimmt. Am 19. Oktober 1996 veröffentlichen HIM ihre erste EP und geben der Welt damit einen Vorgeschmack auf eine der letzten großen Karrieren der Rock’n’Roll-Geschichte. 666 Ways To Love: Prologue heißt das gute Stück und die junge Band arbeitet für die Veröffentlichung mit Produzent Hiili Hiilesmaa zusammen, der laut Ville Valo maßgeblich an der Entwicklung des typischen HIM-Sounds beteiligt ist. Auch Wicked Game ist auf der EP zu hören — doch es handelt sich noch lange nicht um die letzte Version des Songs.
Wicked Game: ein melancholischer Love-Song mit großer Bedeutung für HIM
Im Sommer 1997 starten HIM mit der Produktion ihres Debütalbums Greatest Lovesongs Vol. 666. Einmal mehr spielen sie dafür Wicked Game ein, und zwar in der Version, die am 28. September 1998 als Single erscheint und die für viele Rock-Fans der erste Berührungspunkt mit HIM sein dürfte. Wüsste man nicht, dass es sich um eine Komposition von Chris Isaak handelt: Das Stück könnte auch ein Ville-Valo-Eigengewächs sein. Melancholie, Fatalismus, Liebe: Wicked Game enthält alle Trademarks des Finnen, weshalb HIM die Nummer auch bloß nachspielen müssen, um sie sich zu eigen zu machen. Damit heben sie sich von vielen anderen Bands und Musiker*innen ab, denn nur wenige Stücke werden so oft gecovert wie Wicked Game. Das britische Lifestyle-Magazin Dazed bezeichnet den Hit sogar mal als „möglicherweise einflussreichsten Love-Song in der modernen Musik“.
Auf die Idee für das Stück kommt Chris Isaak laut eigener Aussage nach einem Telefonat. So möchte eine Frau damals ein spontanes Treffen mit dem Musiker arrangieren, doch der hat gemischte Gefühle. In einem Interview verrät er: „Ich habe den Song zwischen dem Telefonat und dem Besuch geschrieben. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn man sich stark zu einer Person hingezogen fühlt, die nicht unbedingt gut für einen ist. Ich glaube, dass ich damit einen Nerv getroffen habe, denn viele von uns fühlen sich stark zu anderen Menschen hingezogen, die uns nicht unbedingt gut tun.“ Genau jene Hin- und Hergerissenheit zwischen Liebe und Düsternis ist es, die den Eindruck erweckt, es handele sich um einen Song aus der Feder von HIM-Frontmann Ville Valo. Manchmal passt es einfach.
Wicked Game: Der Song, mit dem HIM ihren Sound fanden
Noch heute hat Wicked Game seinen festen Platz in der HIM-Geschichte. „Das war einer der ersten Songs, die wir als Band zusammen gespielt haben, und er hat uns sehr dabei geholfen, unseren Sound zu finden“, erklärt HIM-Sänger Ville Valo Jahrzehnte später in einem Interview. „Das fällt in der Regel leichter, wenn man die Songs von jemand anderem spielt. Man muss nicht über den Text nachdenken oder so. Man kennt das Lied sowieso auswendig und das macht es einfacher.“ Ihr typischer Sound ist es auch, der HIM ab Ende der Neunziger in die Rock-Champions-League katapultiert. Schon mit ihrem zweiten Langspieler Razorblade Romance (1999) gelingt ihnen der große Durchbruch. Und wieder ist auf dem Album eine neue HIM-Aufnahme von Wicked Game zu finden. Die Jungs mögen den Song echt.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
Popkultur
Zeitsprung: Am 28.9.1988 spielt Zakk Wylde zum ersten Mal auf einem Ozzy-Album.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.9.1988.
von Christof Leim
Auf Ozzy Osbournes fünftem Soloalbum No Rest For The Wicked gibt der junge Zakk Wylde 1988 seinen Einstand. Vorher kannte ihn niemand, heute gilt er als einer der besten Rockgitarristen der Welt. Wie endet ein 20-jähriger Flitzefinger aus New Jersey in der Band eines legendären englischen Sängers? Und was hat Kim Wilde damit zu tun?
Hört hier in No Rest For The Wicked rein:
Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.
1987 braucht Ozzy Osbourne mal wieder einen neuen Gitarristen. Nach dem Unfalltod seines Gitarristen Randy Rhoads 1982 und dem Ausscheiden von Jake E. Lee nach der 1986er-Tour muss der ehemalige Black Sabbath-Sänger, damals 38 Jahre alt, einen fähigen Saitenkünstler für seine erfolgreiche Soloband finden. Zakk Wylde ist da erst 20 Jahre alt, spielt den ganzen Tag Gitarre und hat eine Band namens Zyris. Er gibt Unterricht und arbeitet an einer Tankstelle. Eine Platte hat er bisher noch nicht aufgenommen, er wohnt sogar noch zu Hause bei Mama und Papa, die ihn Jeffrey Wielandt nennen. Zu diesem Zeitpunkt sieht man sogar sein Kinn noch, was sich 2018 niemand mehr vorstellen kann. Wie endet ein 20-jähriger Shredder in einer der erfolgreichsten Rockbands der Welt? Mit viel Glück, dem richtigen Kontakt und viel, viel üben.
Damals hört Jeff Wielandt alias Zakk Wylde in der Radioshow von Howard Stern davon, dass Ozzy einen neuen Gitarristen sucht, doch er weiß nicht, wie er sich seinem großen Helden vorstellen kann. Ein paar Wochen später bietet ihm ein Bekannter namens Dave Feld an, ein Demotape an den Fotografen Mark Weiss weiterzugeben, der bereits mit Ozzy gearbeitet hatte. Natürlich könne er nichts versprechen, erklärt Feld, aber das reicht dem Gitarristen schon. Mit zwei Kassettenrekordern nimmt er ein Demo auf. Darauf spielt er neben ein paar eigenen Riffs, Soli und klassisch inspirierter Akustikgitarre die Leads der Ozzy-Klassiker Mr. Crowley und Flying High Again. Und tatsächlich löst Feld sein Versprechen ein und gibt das Demo weiter, das schlussendlich bei Team Ozzy landet.
So klingelt eines Tages das Telefon im Haus der Familie Wielandt in New Jersey: „Ich war damals noch gar nicht ausgezogen. Zuerst habe ich gedacht, einer meiner bescheuerten Freunde hätte sich einen Spaß erlaubt“, erzählt Zakk heute. „Aber dann ist mir die Zeitverzögerung aufgefallen, die früher bei Transatlantikgesprächen immer aufgetreten ist.“ Am anderen Ende meldet sich Sharon Osbourne, Ozzys Frau und Managerin. „Sie hat mir gesagt, dass sie mich für eine Audition mit der Band einfliegen würden. Ich konnte es echt nicht glauben. Aber kurz darauf kamen per Post die Tickets. Ich weiß noch, wie mich meine Eltern zum Flughafen gefahren haben, Barbaranne war auch dabei. Ich hatte meinen Koffer und meine Gitarre in den Händen, und ab ging es nach Los Angeles. Mein erstes Mal an der Westküste.“ (Mit jener Barbaranne ist Zakk heute verheiratet, die beiden haben vier Kinder: Hayley Rae, Hendrix, Jesse und Sabbath Page. Und ja, die heißen wirklich so.)
Aus über 400 Kandidaten wurde unser Mann zusammen mit einigen anderen ausgewählt. Die Finalisten steigen im Hyatt Hotel auf dem Sunset Boulevard ab: „Ich habe mitbekommen, dass manche sich nur für das Geld oder Prestige interessiert haben“, kommentiert Zakk seine Mitbewerber. „Sie waren nicht mal Black Sabbath- oder Ozzy-Fans, für sie war das einfach nur ein Job. Ich habe das ganz anders empfunden: Wenn man sein Leben lang auf Manchester United steht und plötzlich für das Team spielen darf – das ist eine heilige Sache.“ In einem Probestudio findet schließlich die Audition, das Vorspiel, statt. Dazu hat die hat die ganze Band ihr Equipment aufgebaut: Randy Castillo am Schlagzeug, Phil Soussan am Bass, John Sinclair an den Keyboards. Auch Ozzy höchstselbst ist am Start: „Der hat auf einem Sofa gesessen. Mir ging natürlich sofort durch den Kopf: ‚Oh, mein Gott! Ozzy!‘ Er hat mich freundlich begrüßt – und gefragt, ob wir uns schon mal getroffen haben. Bitte was? Wohl kaum, es sei denn, er hat mich und meine Kumpels zufällig bemerkt, wie wir auf der Bark At The Moon-Tour im Publikum ausgeflippt sind. Später stellte sich raus, dass ihm mein Foto aufgefallen ist. Sein Kommentar damals: ‚Der Junge muss echt auf Randy Rhoads stehen.‘ Das lag vor allem an meinen blonden Haaren. Ich hatte die gleiche Frisur wie Randy.“
Action und fette Riffs: Ozzy Osbourne und Zakk Wylde live in Chicago 1989. Credit: Paul Natkin/Getty Images
Nun liegt die Annahme nahe, dass sich ein 20-Jähriger angesichts dieser einmaligen Chance in Gegenwart seines Helden zu gut Deutsch ein wenig ins Beinkleid macht. Doch Zakk bleibt cool: „Ozzy hat dafür gesorgt, dass ich mich wohlfühle, Randy und Phil ebenso. Sie haben mich gefragt, welche Songs ich spielen will, und dann haben wir I Don’t Know, Bark At The Moon und Suicide Solution gejammt. Das war definitiv ziemlich cool und eigentlich stressfrei.“ Der junge Klampfenheld kommt in die engere Auswahl zusammen mit einem Gitarristen namens Jimi Bell, der schon mit Joan Jett gespielt hatte – und wird schließlich ausgewählt. Jeff Wielandt aus New Jersey ist der neue Gitarrist von Ozzy Osbourne. Jackpot!
Probleme damit, sein altes Leben einfach hinter sich zu lassen, gibt es keine: „Mich hat nichts zurückgehalten, kein Haus, keine eigene Wohnung, nichts.“ Auch seine Eltern haben keine Einwände und empfehlen ihm: „Tue, was dich glücklich macht!“ Schon bald wird die ganze Mannschaft nach England verschifft, um auf einer Farm in der Nähe von Brighton das neue Album zu schreiben. Der nächstgelegene Pub ist fußläufig zu erreichen, was Ozzy bei Bedarf ein „Flüssigfrühstück“ ermöglicht und abends zum Feierabendpils einlädt. Von dort geht es nach Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico, Phil Soussan darf aber nicht mit und wird durch Bob Daisley ersetzt, den Bassisten von Ozzys ersten drei Soloalben. Hier muss unser Mann natürlich abliefern – und Riffs schreiben, die Millionen Fans in aller Welt hören werden. Bange macht ihn das nicht: „Randy Rhoads stand ja vor der gleichen Situation, als er von den unbekannten Quiet Riot kam. Aber so darf man da nicht rangehen: Wenn man für Manchester United als Nachfolger von George Best spielen soll, dann darf man nicht gucken, ob das alles gut genug ist. Man muss sein Ding durchziehen. Das ist wie bei einem Archäologen, der nach Knochen gräbt. Wenn man ungefähr weiß, wo die sich befinden, dann gräbt man eben so lange, bis man sie gefunden hat. Und wenn man mal nichts findet, dann geht man nach Hause und gräbt am nächsten Tag weiter – bis man zufrieden ist. Wenn man zu viel darüber nachdenkt, wird alles nur schlimmer.“
Meistens jammen Zakk und Randy, bis Ozzy etwas gefällt. Mit seinen neuen Kollegen kommt er dabei generell gut klar. „Leute wollen oft wissen, ob ich diese ganzen Riffs schon vorher in petto hatte. Nein, ich habe die alle vor Ort geschrieben. Ozzy hat gefragt, ob es Ideen gibt, und ich habe losgelegt. Das allererste Riff war Miracle Man. Ich hatte gerade mit Foxey Lady von Jimi Hendrix rumgefummelt und das Ding einfach schneller gespielt. Der Fingersatz ist der gleiche.“ Schnell stellt sich heraus, dass die neuen Ozzy-Nummern fetter und heavier klingen als die letzten Werke Bark At The Moon (1983) und The Ultimate Sin (1986).
Aufnehmen soll das Ganze Roy Thomas Baker, der legendäre Queen-Produzent, doch das funktioniert überhaupt nicht. Ozzy zeigt sich unzufrieden, und als der Neuling auch noch fragt, ob er alle seine Gitarren bitte neu einspielen könne, gibt es Streit. Zur Rettung wird Keith Olsen engagiert, der Fleetwood Mac und den Millionenseller Whitesnake (auch bekannt als 1987) produziert hatte. Jetzt klickt es. „Keith war super!“, versichert Zakk.
No Rest For The Wicked erscheint am 28. September 1988 und macht Zakk auf einen Schlag in der Rockszene bekannt. In den ersten sechs Monaten verkauft sich die Scheibe eine Million Mal. Glücklicherweise hat er sich da schon einen neuen Namen zugelegt, wie er in der Zeitschrift Guitar World erzählt: „Zu Hause in New Jersey habe ich meinen Nachnamen immer Wylant geschrieben, weil keiner Wielandt vernünftig buchstabieren konnte. Barbaranne hat dann irgendwann erzählt, dass sie den Namen Zack für ein Kind gut fände. Den habe ich dann selber benutzt. Von Zack Wylant hielt Ozzy aber nichts. Als wir dann eines Abends einen gezischt haben, lief ein Song von Kim Wilde, dieser britischen Popsängerin. Also habe ich einfach Zakk Wylde vorgeschlagen. Ozzy fand es super. Und wenn man sich unsere frühen Fotos anguckt, habe ich sogar ihren Look geklaut!“
Als erste Single wird Miracle Man veröffentlicht, ein beißender Kommentar in Richtung des TV-Predigers Jimmy Swaggart, der vom hohen religiösen Ross herunter lange Jahre Osbourne als moralisch unerträglich kritisiert, aber dann selbst mit Prostituierten erwischt wird. Im Clip steht die Band in einer alten Kirche, in der Dutzende kleine Schweinchen herumlaufen. Das bringt die Botschaft zwar rüber, geht aber mit einer unerwarteten Sauerei einher: Als zum ersten Mal die Musik angeht, erschrecken sich die Ferkel – und „entleeren“ sich alle und zur gleichen Zeit.
Kurz nach seinem Einstieg hatte Zakk am 28. Juli 1987 seine erste Show als Sidekick von Ozzy Osbourne gespielt – in einem britischen Gefängnis. Auf große Arena-Tour geht es mit der Platte im Gepäck Ende 1988, Vorgruppe sind Anthrax. Dafür hat es einen erneuten Wechsel am Bass gegeben: Daisley ist raus, Geezer Butler ist drin.
Damit spielt der gerade mal 21-jährige Blondschopf mit der halben Besetzung von Black Sabbath zusammen. Doch dem fällt es nicht schwer, sich in eine Gruppe aus mittelalten Rocklegenden einzufügen: „Sie haben sich alle um mich gekümmert.“ Allerdings feiern Ozzy und Geezer zu diesen Zeiten noch ziemlich hart. Das färbt ab: „Wir hatten alle definitiv unseren Spaß. Ich habe trotzdem ständig geübt und immer noch genau das gemacht, was ich am liebsten tue. Das handhabt vielleicht jeder anders. Wir sind rausgegangen und haben einen gezischt, aber am nächsten Tag ging es wieder an die Arbeit.“ Heute lacht der mittlerweile abstinent lebende Gitarrist: „Der betrunkene, der verkaterte und der halbverkaterte Geezer sind allesamt großartige Geezer, und ich liebe jeden einzelnen davon.“
Als die Tour schließlich im August 1989 vor 100.000 Zuschauer beim Moscow Music Peace Festival endet, hat Zakk Wylde sich in der Band von Ozzy und der Welt der Rockgitarre etabliert. Der Sänger selbst scheint die Konzertreise nicht gänzlich unbeschadet überstanden zu haben, denn kurz darauf versucht er im Wahn, seine Frau Sharon umzubringen, aber das ist eine andere Geschichte (die hier steht).
Und wie sieht Zakk No Rest For The Wicked heute? „Ich bin stolz darauf, keine Frage. Wenn ich mir die Platte anhöre, den Sound und die Songs, dann muss ich sagen: Das hat funktioniert. Ich war erst 19 oder 20, als ich die Riffs geschrieben habe. Natürlich konnte ich dabei richtig viel lernen, denn vorher hatte ich noch nie ein Album aufgenommen. Und ich würde heute alles so lassen.“
Zakk Wylde heute: Meistergitarrist, Zottelbartträger und immer noch Ozzy-Fan. Credit: Chascar
Headerbild Credit: Paul Natkin/Getty Images
Zeitsprung: Am 28.9.1988 spielt Zakk Wylde zum ersten Mal auf einem Ozzy-Album.
Popkultur
Home is where your bunte M&Ms is: Die verrücktesten Backstage-Wünsche
Für ihre sogenannten „Hospitality Rider“ fallen Musikstars die verrücktesten Anforderungen ein. Ob bunte M&Ms, Haartrockner oder Würgeschlangen: Hinter der Bühne scheint einfach alles möglich zu sein. Die 15 verrücktesten und unterhaltsamsten Backstage-Wünsche haben wir für euch zusammengestellt.
von Timon Menge
Vorweg sei gesagt: Um kaum etwas Ranken sich so viele Mythen und Gerüchte wie um die Backstage-Wünsche der großen Rock- und Pop-Sternchen. Die folgende Liste sollte also keinesfalls zu ernst genommen werden. Allzu abwegig klingt vieles davon allerdings nicht …
15. Die Beatles und Elvis: bescheidene Rockstars
Beginnen wir mit den Pflegeleichtesten in unserer Liste. Laut New York Post verlangten die Beatles in ihren Backstage-Räumen bloß einen Schwarzweißfernseher und einige Flaschen Coca-Cola. Ganz schön genügsam für die größte Band aller Zeiten. Elvis wünschte sich hinter der Bühne angeblich nichts weiter als zehn Softdrinks und vier Gläser Wasser.
14. Slipknot futtern aus der Dose
Slipknot unterstreichen mit ihrem Hospitality Rider auf sympathische Art und Weise ihre proletarische Herkunft und legen Wert auf Dinge wie Dosenravioli, Kaubonbons, Feuchttücher und Socken aus der Dose. Ob die Lebensmittel und die Socken etwas miteinander zu tun haben, ist nicht überliefert.
13. Eminem liebt Taco Bell
In den USA zählt Taco Bell zu den berühmtesten Fast-Food-Ketten überhaupt. Jenseits der Landesgrenzen ist das mexikanisch beeinflusste Schnellrestaurant allerdings kaum anzutreffen. Genau deshalb steht in den Backstage-Anforderungen von Rapper Eminem explizit: „A selection of Taco Bell (Mexican-themed fast food) — imported from America“.
12. Die Beach Boys verlangen weiches Toilettenpapier
Wenn es um die Auswahl des richtigen Klopapiers geht, hatten die Beach Boys genaue Vorstellungen. „VERY SOFT“ sollte sich das Abputzen anfühlen. Außerdem legten die Musiker Wert auf Recycling-Mülleimer im Essensbereich. „Die Beach Boys und der Planet danken euch“, war an entsprechender Stelle im Hospitality Rider der Band zu lesen.
11. DJ Shadow gräbt gern nach Vinyl
Hip-Hop-Legende DJ Shadow verlangt bei jedem Konzert nach einer Liste aller lokalen Plattenläden, um in seiner Freizeit nach neuen LPs stöbern zu können. Wenn er in der Stadt ist, lohnt es sich also, die umliegenden Anlaufstellen für das schwarze Gold im Blick zu behalten. Vielleicht lauft ihr ihm ja über den Weg.
10. Lady Gaga mag keinen Stinkekäse
Nachvollziehbar: Lady Gaga möchte nicht, dass es in ihrem Backstage-Bereich nach Käsetheke im Sommer riecht. Folglich steht in ihrem Hospitality Rider, dass beim Catering unterschiedliche Käsesorten zur Verfügung stehen sollen, aber nur wenn sie „non-smelly“ und „non-sweaty“ sind.
9. Van Halen und die braunen M&Ms
Diese Geschichte haben wir fast alle schon einmal gehört, doch man kann sie unmöglich auslassen: Als Van Halen 1982 durch die USA touren, bestellen sie für ihren Backstage-Bereich unter anderem eine Schüssel M&Ms. Doch Vorsicht: „Absolutely no brown ones!“, heißt es im Rider der Band. Andernfalls droht der ersatzlose Konzertabbruch.
8. Adele mag keinen Bio-Honig
Während viele Pop-Stars hinter der Bühne Wert auf Bio-Lebensmittel legen, verlangt Adele in ihrem Rider explizit „non-organic honey“, also Nicht-Bio-Honig. Welche Beweggründe sie dafür hat, bleibt wohl ihr Geheimnis. Außerdem sagt man, dass sie keine Tomaten auf ihren Sandwiches mag.
7. James Brown hat die Haare schön
Soul-Legende James Brown hatte nicht nur eine beeindruckende Stimme, sondern auch stets schicke Haare. Damit das auch so blieb, verlangte der Sänger in seinem Backstage-Bereich nach einer Trockenhaube, wie man sie aus Friseursalons kennt. Außerdem auf seiner Liste: Champagner, ein Bügeleisen und ein Golfauto.
6. Amy Winehouse empfängt nur „große Jungs“
Zu den Hospitality-Anforderungen von Soul-Queen Amy Winehouse gehörten die unterschiedlichsten Dinge, von Whiskey über Pizza bis hin zu Camel Lights. Besonders lustig mutet aber ein Schild an, dass die Sängerin bei jeder ihrer Shows an der Tür ihres Zimmers anbringen ließ: „Only big boys can enter“, also „Zutritt nur für große Jungs“.
5. Rihanna hat es gern gemütlich
Rihanna legt in ihren Backstage-Räumlichkeiten Wert auf Duftkerzen. Aber nicht auf irgendwelche Duftkerzen, sondern die Sorte „Archipelago Black Forest“ muss es sein. Außerdem verlangt sie vor Auftritten nach einem Teppich mit Tierfellmuster, der unbedingt sauber sein muss, weil sie barfuß darüber läuft.
4. Kanye West steht auf Slushy-Cocktails
Rapper Kanye West scheint eine Vorliebe für Cocktails zu haben, vor allem für gefrorene. So lässt er sich für eine Tour eine Slushy-Maschine hinter die Bühne stellen, die zwei verschiedene Sorten enthält: Grey Goose (Wodka) mit Limo sowie Hennessy (Cognac) mit Coca-Cola. Prost!
3. Nikki Sixx wünscht sich eine Würgeschlange
Dass die Rider-Wünsche von Nikki Sixx wirklich ernst gemeint sind, kann man kaum glauben. Aber erfahrungsgemäß ist es ja so: verrückt, verrückter, Mötley Crüe. So verlangt der Bassist der Glam-Metaller zeitweise, dass er im Backstage-Bereich eine mindestens 4,5 Meter lange Boa Constrictor vorfindet. Warum auch immer.
2. Iggy Pop erwartet „sieben Zwerge“
Noch verrückter wird es in den Backstage-Anforderungen von Iggy Pop. „Pizza für die Obdachlosen“ liest sich fast noch harmlos, doch die Punk-Legende fordert auch „sieben Zwerge“ sowie Brokkoli, der bereits kleingeschnitten ist — damit man ihn besser entsorgen kann.
1. Madonna nimmt ihr ganzes Wohnzimmer mit
Madonna denkt das Wohlbefinden hinter der Bühne etwas größer und lässt bei jedem ihrer Konzerte ihr komplettes Wohnzimmer auf- und abbauen. Das klingt im ersten Moment großspurig. Wenn man sich in die Lage einer vielreisenden Künstlerin hineinversetzt, die fast nie zuhause ist, irgendwie aber auch nicht.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
Der kürzeste Song, die längste Tour: Diese 7 Bands haben Weltrekorde aufgestellt
-
Zeitsprung: Am 21.4.1959 kommt Robert Smith von The Cure zur Welt.
-
Herzschmerz, Todesfälle und der Wunsch nach Frieden: 20 Rockballaden für die Ewigkeit
-
„Bohemian Rhapsody“: Die Geschichte des Klassikers, für den Queen alle Regeln brachen
-
Ziemlich beste Freunde: 50 Jahre Elton John und Bernie Taupin in Bildern