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Popkultur

The Rolling Stones im Hyde Park – Ein Moment, der die Band prägte

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“Die größte Rock and Roll Band der Welt. Sie sind unfassbar: die Rolling Stones!”

Das war das erste Mal, dass die Band so bezeichnet wurde. Heute ist dieser Satz gleichbedeutend mit ‘The Rolling Stones’. Es war Sam Cutler von Blackhill Enterprises, die die ersten kostenlosen Konzerte im Hyde Park veranstalteten, der dort mit Blick auf 250.000-500.000 Zuschauer auf der Bühne stand und diesen einfachen Satz aussprach.


Wir haben die Setlist des Rolling Stones Konzerts Song für Song als Playlist nachgebaut – jetzt hier anhören, während du den Artikel liest:


Der Auftritt der Stones 1969 war nicht das erste Rockkonzert in Londons berühmtem Park, es war definitiv nicht das letzte und vermutlich auch nicht das beste, aber es ist das Konzert, über das alle reden. In einer bestimmten Altersgruppe kann man jeden fragen, ob er bei ‘dem Hyde Park Konzert’ war – sie wissen sofort, von welchem Konzert die Rede ist. Es gibt viele Dinge, die es zu einem besonderen Ereignis machten, nicht zuletzt der Tod, zwei Tage zuvor, von Ex-Rolling Stone Brian Jones. Es war ihr erstes Konzert nach zwei Jahren und das erste für Gitarrist Mick Taylor, der erst einen Monat vorher für Jones eingestiegen war.

Mick Jagger betrat an diesem Abend die Bühne in dem berühmten von Michael Fish designten und griechischem Stil inspirierten weißen ‘Kleid’ und sagte: “Okay! Hört mal zu! Könnt Ihr Euch kurz beruhigen, ich möchte gerne etwas für Brian sagen. Es wäre toll, wenn Ihr kurz zuhört. Ich möchte kurz meine Gefühle über Brian zum Ausdruck bringen und ich tue das mit Shelleys Worten:

“Still, still! Er ist nicht tot, noch bannt ihn Schlaf -–

Er ist vom Traum des Lebens aufgewacht,
Wir sinds, die noch im Schatten, der uns traf,
Phantome jagen durch des Daseins Nacht…”

Adonais von Percy Bysshe Shelley (1792 – 1822)


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Als Mick Jagger seinen Vortrag beendet hatte, entließ der Tourmanager Tom Keylock mehr als 3.000 weiße Schmetterlinge gen Himmel – eine Geste, die die Band £300 kostete, aber zusammen mit Micks ‘Kleid’, zu den unvergesslichsten Eindrücken des Konzertes gehörte. Als die Stones 2013 im Hyde Park auftraten, trug Mick ein blaues Jackett mit einem weißen Schmettleringsmotiv.

Es war fast auf den Tag genau sieben Jahre seit dem allerersten Gig der Band, sechs seit der Veröffentlichung ihrer Debütsingle und fünf seit dem Beginn ihres weltweiten Siegeszuges. Der Auftritt der Stones im Jahr 1969 war nicht das erste Rockkonzert auf Londons berühmter Grünfläche. Ein Jahr zuvor waren Pink Floyd die Headliner bei der ersten kostenlosen Veranstaltung; und viele weitere Bands folgten – darunter z.B. die nur kurz existierende Band Blind Faith von Eric Clapton und Steve Winwood im Juni 1969, wo auch Mick Jagger und Marianne Faithfull anwesend waren.


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Charlie Watts erinnerte sich 2013 zurück: “Als Blind Faith auftraten, wurde mitten auf dem Rasen eine Bühne aufgebaut, Schlagzeug und Verstärker draufgestellt und die Leute versammelten sich einfach drumherum. Wir hatten eine klitzekleine Bühne auf einem Metallgerüst, Schlagzeug und eine Art Backdrop für Mick mit seinem weißen Kleid, und die Leute kamen einfach. Mittlerweile ist das Areal ja immer richtig abgesperrt.” Dann begann das Konzert. Es überraschte ein wenig, dass sie mit ‘I’m Yours and I’m Hers’ eröffneten, was nicht einmal ein Stones-Song ist, sondern von dem texanischen Albino Blues-Gitarristen Johnny Winter stammte und auf seinem erst einen Monat zuvor auf Columbia erschienenen Debütalbum zu finden war. Keith hatte es im Juni gekauft und vorgeschlagen, das Konzert damit zu eröffnen. Es war das einzige Mal, dass die Rolling Stones diesen Song live spielten.

 Als nächstes gab es  eine weitere Live-Premiere mit Jumpin’ Jack Flash. Aber wenigstens war dieser Song beim Publikum gut bekannt – immerhin war er im vergangenen Sommer zwei Wochen auf Platz 1 der Charts gewesen. Auf ihrer US-Tour im Herbst 1969 begannen sie jeden Abend mit diesem Song. Auch Mercy Mercy von Don Covay lag nicht unbedingt auf der Hand, denn der Track war schon im Mai 1965 für Out of Our Heads aufgenommen worden. Ebenso Stray Cat Blues und No Expectations, die die Band noch nie live gespielt hatten und die ursprünglich auf Beggars Banquet erschienen waren.


Schaut euch hier den Live-Mitschnitt von Jumpin’ Jack Flash an:


 

Auch I’m Free vom Album Out of Our Heads wurde an diesem Abend zum ersten Mal live gespielt. Down Home Girl war der älteste Stones-Song auf der Setliste. Er war bereits 1964 aufgenommen worden und auf der zweiten britischen Albumveröffentlichung der Stones erschienen. Und nach diesem alten Song spielten sie einen noch viel älteren Song: ein Cover von Robert Johnsons Love in Vain von 1937. Für die Band war der Song allerdings ziemlich neu, denn sie hatten ihn erst wenige Monate zuvor aufgenommen; er erschien Ende 1969 auf Let it Bleed.


 


 

Loving Cup war ein neuer Song von Mick und Keith, an dem sie im Studio feilten. 1972 erschien er endlich auf Exile on Main St. Danach spielten sie ihre neue Single ‘Honky Tonk Women’, und dann ‘Midnight Rambler’, der später der erste Song auf Seite 2 von Let it Bleed wurde; manche Presseberichte über das Hyde Park Konzerte schrieben allerdings “The Boston Gambler”.

Satisfaction war zu dem Zeitpunkt der einzige überlebende Song von der letzten Stones Tour im April 1967. ‘Street Fighting Man’ kam vor Sympathy For The Devil – beide vom Album Beggars Banquet. Beim letzten Song erhielten die Stones Verstärkung von Ginger Johnsons African Drummers; Johnson war ein Urgestein der Londoner Jazzclubszene.


Zieht euch hier den Live-Mitschnitt von Satisfaction rein:


 

Sam Cutlers Intro der ‘Größten Rock and Roll-Band der Welt’ war spontan und ist mittlerweile mehr als angemessen und quasi gleichbedeutend mit den Rolling Stones. Cutler hat die Band auch auf der kompletten US-Tour ein paar Monate später so angekündigt und man hört den Satz auch auf Get Your Ya Yas Out, dem Livealbum von dieser Tour. Auf Ya Yas wurde die Band dieser Beschreibung definitiv gerecht, aber im Hyde Park sah das anders aus. Vielmehr als eine Rock and Roll Band, waren sie hier eine Bluesband – und das wollten sie bei ihrer Gründung 1962 auch sein.

Ein Musikmagazin schrieb eine Woche später: “99% des Publikums war zum Zuhören gekommen und nicht zum Kreischen, wie das vielleicht vor fünf Jahren noch der Fall gewesen wäre.” Die Zeiten änderten sich…


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