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Popkultur

Zeitsprung: Am 14.10.1994 revolutioniert „Pulp Fiction“ den Filmsoundtrack.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.10.1994.

von Timon Menge und Christof Leim

Quentin Tarantino kennt man nicht nur als genialen Regisseur, sondern auch wegen seiner liebevoll ausgewählten Filmmusik. 1994 gelingt ihm mit Pulp Fiction der Durchbruch, der dazugehörige Soundtrack zündet ebenfalls — und verhilft dem Surf Rock zu einem zweiten Frühling.


Hört hier in den Soundtrack von Pulp Fiction rein:

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Kaum ein Film hat die Popkultur so sehr verändert wie die Gangstergeschichte Pulp Fiction. Ob der nicht-chronologische Multiplot-Aufbau inklusive zusammenlaufender Handlungsstränge oder die hochkarätige Besetzung mit Schauspielern wie John Travolta, Samuel L. Jackson, Uma Thurman, Bruce Willis und Christopher Walken: Quentin Tarantinos größtes Meisterwerk entbehrt zwar einer tieferen Botschaft, gehört aber zu den besterzählten und vielseitigsten Werken aller Zeiten.

Quentin Tarantino 2015. Credit: Gage Skidmore

Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen sind Quentin Tarantinos Filme unzertrennlich mit ihrem Schöpfer verbunden. Die Drehbücher für seine erfolgreichsten Streifen schreibt der hochintelligente US-Amerikaner selbst, und sogar seine Soundtracks wählt er aus der eigenen Plattensammlung aus. So auch die Musik für Pulp Fiction, die im Wesentlichen den Jahren 1958 und 1972 entspringt. Zusätzliche Hilfe bei der Zusammenstellung erhält er von Musiker Boyd Rice, dem gemeinsamen Freund Allison Anders sowie von Chuck Kelley und Laura Lovelace, die in den Credits auch als Musikberater genannt werden.

Ob Surf Rock, Country, Soul, Rock’n’Roll oder Pop: Tarantino untermalt nicht, sondern er schafft eine perfekte Symbiose aus Szene und Soundtrack. So tanzen Uma Thurman und John Travolta bei Jack Rabbit Slims Tanzwettbewerb den Twist zu Musik von Chuck Berry. Als sich Filmcharakter Vincent Vega einen Schuss setzt und zugedröhnt durch die Stadt fährt, spielt Tarantino die düster-entspannten Töne der Surfrocker The Centurians.



Einen besonderen Ironiepreis erhält die Szene, in der Bruce Willis aka Boxer Butch geduldig den Monologen des Gangsterbosses Marsellus Wallace lauscht, während im Hintergrund die sexy Soulhymne Let’s Stay Together von Al Green läuft. Nie hat die Kombination aus Text, Musik, steinerner Mimik und zwei simplen Kameraeinstellungen für mehr Lacher gesorgt.



Tarantinos besonderes Talent ist das Aufladen bekannter und weniger bekannter Stücke mit neuer Energie. So verhilft er der Band Urge Overkill und ihrem Cover des Neil-Diamond-Klassikers Girl, You’ll Be A Woman Soon zu kurzfristiger Berühmtheit; den Jungle Boogie von KC & The Sunshine Band setzt er in den humoristischen Kontext eines Gesprächs über Fast-Food-Restaurants in Europa.



Vor allem der prominent vertretenen Surfmusik hilft der Regisseur aus der Versenkung und verschafft ihr ein Revival, ob in der Popkultur oder in der Werbung. Die besondere Begeisterung für jenes Genre erklärt der Filmemacher folgendermaßen: „Surfmusik klingt wie eine Mischung aus Rock’n’Roll und Ennio Morricone — Rock’n’Roll-Spaghetti-Western-Musik.“ Waren die Songs von Dick Dale und Co. Anfang der Neunziger Jahre weitestgehend in Vergessenheit geraten, buddelt Tarantino sie aus und rettet sie mithilfe seines Filmklassikers bis ins 21. Jahrhundert.



Auch Dekaden später bleibt Pulp Fiction der wahrscheinlich einzige Film der Welt, der einen eigenen Groove hat. Die Begeisterung für Surfmusik hat zwar wieder nachgelassen, aber wer weiß, wann der nächste Regisseur eine angestaubte Plattensammlung ausgräbt.


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