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Popkultur

Zeitsprung: Am 8.1.1991 lebt Kiss-Drummer Peter Criss angeblich auf der Straße.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 8.1.1991.

von Christof Leim

Ex-Rockstar lebt auf der Straße! Am 8. Januar 1991 behauptet ein Klatschblatt, der ehemalige Kiss-Drummer Peter Criss sei völlig abgestürzt. Als der verständlicherweise seinen Ruf in einer Talkshow verteidigen will, wird es sonderbar. Denn ziemlich schnell geht es um etwas anderes, nämlich seine Ehe…


Hört hier in Peter Criss’ Soloalbum von 1978 rein:

Klickt auf „Listen“ für das volle Programm.

Eigentlich kann Peter Criss Anfang der Neunziger eine ruhige Kugel schieben. Seit über zehn Jahren gehört er nicht mehr zu Kiss, seine Solokarriere macht, um es positiv zu formulieren, nicht so richtig viel Arbeit. Also könnte der 45-Jährige das Eheleben mit dem Playboy-Model Debra Jensen genießen und der gemeinsamen Tochter Jenilee beim Aufwachsen zusehen.

Doch am 8. Januar 1991 behauptet das Promi-Klatschblatt The Star in einer Titelgeschichte, dass der ehemalige Rockstar seine Millionen durchgebracht habe und jetzt dauerbesoffen ohne festen Wohnsitz am Strand von Santa Monica lebe. Um das zu belegen, druckt die Zeitung ein Interview mit einem Obdachlosen, der sich seit Jahren als Peter Criss ausgibt.



Peter wundert sich nicht wenig, als ihn daraufhin Freunde und Bekannte nach seinem Wohlergehen fragen, zumal er sich gerade in New York aufhält, um seiner sterbenden Mutter beizustehen. Zu allem Unglück taucht sogar noch eine angebliche Gespielin auf und will sich um den Gefallenen kümmern, was Criss wiederum erstmal seiner Frau erklären muss. Der Schauspieler Tom Arnold, ein alter Freund des Drummers, begibt sich sogar nach St. Monica, um nach dem Rechten zu sehen. Natürlich interessieren sich schnell auch andere Medien für das Leben des Kiss-Veteranen und überfluten ihn mit Anfragen. Kurzum: Schön ist das nicht.

Die Helden der Siebziger: Kiss mit Peter Criss (rechts)

Aber so richtig aus dem Ruder läuft die Angelegenheit erst, als Peter Criss in der Talkshow Donahue seinen „Doppelgänger“ von Angesicht zu Angesicht trifft. Der heißt in Wirklichkeit Christopher Dickinson, ist 39 Jahre alt, hat ein massives Alkoholproblem und nicht viel Glück im Leben. Jahrelange Sauferei hat seine Leber und Nieren angegriffen, er lebt auf der Straße – und gab sich irgendwann als Peter Criss aus, um Unterstützung von Kiss-Fans abzugreifen. Schnell wird klar: Der Mann ist vor allem zu bemitleiden. Deshalb verwundert es nicht, dass er das Angebot eines Star-Reporters bereitwillig angenommen hat: Für ein Foto und ein Interview bekam Dickinson 500 Dollar und drei Nächte in einem Motel, beides in seiner damaligen Situation großer Luxus. Doch in dem folgenden Drama wird er rasch zur Nebenfigur.


Denn ebenfalls am Tisch sitzt Cheryl Ann Thompson, eine 28-jährige Schauspielerin. Spuren ihrer filmischen Tätigkeiten lassen sich heute nicht mehr finden, die Rede ist von Serien wie Matlock und Simon & Simon. Sie behauptet, 1981 eine fünfmonatige Affäre mit Peter Criss gehabt zu haben – just zu der Zeit, als seine Frau Debra gerade mit dem gemeinsamen Kind schwanger war. Und plötzlich sieht sich der Musiker gezwungen, seine Ehe zu verteidigen.

Was folgt, ist unangenehmes Trash-TV, bei dem sogar noch Criss’ Exfrau Lydia telefonisch zugeschaltet wird und seine aktuelle Partnerin Debra Jensen im Publikum sitzt. Vor allem Thompson bekommt heftigen Gegenwind; selbst die Tatsache, dass sie den „enttarnten“ Dickinson trotz allem einen Monat bei sich zu Hause aufnimmt, wird ihr angekreidet. Einen Beweis für die behauptete Affäre bleibt sie indes schuldig, selbst wenn manche Beobachter ihr durchaus Glaubwürdigkeit attestieren.



Immerhin sind sich alle einig, dass die wirklichen Übeltäter in der Redaktion des Star sitzen. Denn das Blatt hat mit der Veröffentlichung vom 8. Januar 1991 nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal einen Artikel unter Missachtung sämtlicher journalistischer Sorgfaltspflichten veröffentlicht. So wäre es ein leichtes gewesen, die Behauptung des „falschen“ Peter Criss durch einen Anruf beim Management des echten zu widerlegen. Man darf also davon ausgehen, dass die Redakteure des Star genau wussten, dass die Rockstar-in-der-Gosse-Geschichte schlicht nicht stimmt. Deshalb verklagen Criss und seine Frau die Zeitung am 26. August des gleichen Jahres, erst im April 1993 wird der Streit außergerichtlich beigelegt, allem Anschein nach gegen üppige Schadensersatzzahlungen.

Peter Criss, der wegen dieses Skandälchens zum ersten Mal nach langen Jahren wieder in der breiten Öffentlichkeit aufgetaucht war, bringt 1994 noch ein leider vernachlässigbares Soloalbum namens Cat #1 unter die Leute, bevor er 1996 an der immens erfolgreichen Kiss-Reunion teilnimmt. Über Cheryl Ann Thompsons Werdegang ist nichts bekannt, manche Fans wollen auf Facebook entdeckt haben, dass sie als Krankenschwester arbeitet. Christopher Dickinson hatte 1991 gegenüber People die Bereitschaft verkündet, sich in den Alkoholentzug begeben. „Ich will gesund werden“, sagte er damals. „Von normalen Leuten umgeben zu sein, wirkt Wunder. Ich bin einfach glücklich, von der Straße runter zu sein.“ Was aus ihm geworden ist, lässt sich nicht herausfinden. Hoffen wir das Beste.


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