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Popkultur

Zeitsprung: Am 17.4.1964 findet das FBI keinen Schweinkram in „Louie Louie“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 17.4.1964.

von Christof Leim

Mit Louie Louie landen die Kingsmen 1963 einen Hit. Doch besorgte Eltern wollen in der rumpeligen kleinen Rock’n’Roll-Nummer Schweinkram gehört haben und schalten sogar das FBI ein. Damit beginnt eine mehrjährige Untersuchung, die allerdings nicht ganz das gewünschte Ergebnis bringt…


Hört hier in die besten Songs der Kingsmen rein:

Klickt auf „Listen“ für das volle Programm.

Es fängt echt harmlos an: Im April 1963 nimmt die junge Krachkapelle The Kingsmen aus Portland, Oregon den Song Louie Louie, weil sie bemerkt haben, dass er das Publikum zum Tanzen animiert. Das Stück stammt von einem Songwriter namens Richard Berry und erinnert an Wild Thing von The Troggs. Bereits mehrere Künstler hatten die Nummer zu diesem Zeitpunkt auf eher obskuren Singles verewigt. Über ein großes Aufnahmebudget verfügen die Kingsmen nicht, sie ballern das in einem Take auf’s Band, eine B-Seite gleich mit, fertig. Ein kleines Label veröffentlicht das Ganze im Mai, aber viel passiert nicht.



Im Oktober greift die größere Firma Wand Records zu, und diesmal knacken die Kingsmen sogar die Charts: Bis auf Platz zwei steigt Louie Louie im Dezember des gleichen Jahres und hält sich noch bis zum Februar in den Top Ten (bevor die „Beatlemania“ zuschlägt und alles ändert)



Zu dieser Zeit gehen allerdings Beschwerden besorgter Eltern ein: Angeblich soll der Text über einen heimkehrenden Matrosen allerlei Schweinkram und Sexerei enthalten, was mindestens den Untergang des Abendlandes zur Folge haben würde. Einen Beschwerdebrief aus der „moralischen Mehrheit“ kann man sich hier ansehen.

Das Problem: Den Text kennt keiner so richtig, und man kann ihn auch nicht verstehen. Die Kingsmen hatten ihre Version nämlich einfach live mit drei Mikrofonen eingespielt, besonders gut oder deutlich klingt das alles nicht. Weil ursprünglich auch nur eine Instrumentalversion geplant war und Sänger Jack Ely erst im letzten Moment hinzugebeten wurde, musste er auf Zehenspitzen in ein Mikro singen oder schreien, das irgendwo über ihm hing. Mehr noch: Er trug damals eine Zahnspange.

Solche schlimmen Dinge hören manche in „Louie Louie“ – Quelle: FBI

Deshalb tun sich die Spezialisten vom FBI auch schwer: Sie hören die Aufnahme vorwärts, rückwärts, langsamer und schneller, womöglich sogar bei Mondschein und unter Wasser, mehrere Monate lang. Aber sie können keine Ferkeleien ausmachen. Genaugenommen, und das finden wir ein bisschen lustig, verstehen sie den Text einfach überhaupt nicht. So geht am 17. April 1964 folgende interne Meldung raus: „Die Platte wurde mit mehreren Geschwindigkeiten abgespielt, aber keine davon half dabei, die Wörter im Text zu verstehen.“

Das FBI muss zugeben, kein Wort zu verstehen – Quelle: FBI

Die Untersuchung dauert weit über ein Jahr (je nach Quelle 18 oder 31 Monate), das Ergebnis ändert sich nicht. Damit können natürlich keine Beweise für Obszönität erbracht werden. Den gesamten FBI-Bericht könnt ihr euch hier ansehen. Im September 1965 läd das FBI sogar einen Musiker der Kingsmen vor, der natürlich abstreitet, Unsittliches aufgenommen zu haben. Interessanterweise wendet sich die Behörde kein einziges Mal an den ursprünglichen Songwriter Richard Berry oder schaut einfach im U.S. Copyright Office nach, wo die tatsächlichen Lyrics ordnungsgemäß hinterlegt sind…

Natürlich schadet das anrüchige Image der Single überhaupt nicht: Manche Radiosender weigern sich, die Nummer zu spielen, und der Gouverneur von Indiana verbietet das Stück in seinem Bundesstaat gleich ganz. Die Teenager der Fünfziger hingegen tauschen begeistert vermeintlich authentische (und natürlich nicht jugendfreie) Textabschriften aus. So wird Louie Louie ein Klassiker, der bis heute abertausendfach gecovert wurde, unter anderem von Frank Zappa, den Beach Boys, Black Flag und Motörhead.



Und wie versaut ist Louie Louie nun wirklich? Nach heutigen Standards natürlich gar nicht, und während der Achtziger hätte nicht mal das berüchtigte PMRC hier einen „Explicit Lyrics“-Aufkleber draufpappen können. Und so wie wir das Gemurmel verstehen, passiert da nun echt gar nichts, was die Entrüstung rechtfertigen würde. Allerdings erfährt man später, dass der Drummer bei der Aufnahme einen Stock fallen lässt – und bei 0:55 Min. ziemlich deutlich „Fuck“ ruft. Das hat aber irgendwie keiner gemerkt.


Titelfoto:  GAB Archive/Redferns

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