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Popkultur

Zum 10. Todestag von Ravi Shankar: Wie die Sitar in die Pop- und Rockmusik kam

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Ravi Shankar
Foto: Express Newspapers/Getty Images

Am 11. Dezember 2022 jährt sich Ravi Shankars Todestag zum 10. Mal. Wir erinnern uns an den indischen Ausnahmemusiker — und daran, wie er die westliche Pop- und Rockmusik prägte.

von Markus Brandstetter

Alle Augen und Ohren waren auf Ravi Shankar gerichtet, als der indische Sitar-Spieler an einem Sonntagnachmittag im Juli 1967 die Bühne des Monterey Pop Festivals erklomm und dort gemeinsam mit Ustad Alla Rakha (Tabla) und Kamala Chakravarty (Tanpura) ein hypnotisches, mitreißendes Konzert spielte. Die anwesenden Zuhörer und Zuhörerinnen, darunter auch Jimi Hendrix (der wenig später sein legendäres Konzert auf demselben Festival spielte, bei dem er seine Gitarre verbrannte), waren gebannt von der Komplexität und der Kraft der Ragas.

„Ich sah einige sehr berühmte Leute aus dem Bereich der Rock- und Popmusik. Es war sehr merkwürdig. Sie saßen einfach da, hörten mir zu, schwangen mit und hatten Spaß. Ich hatte sie am Abend zuvor auftreten sehen und sie waren so anders. Danach hatte ich Angst, weil ihre Art, die Show zu präsentieren, so anders ist als unsere. Damals habe ich es nicht bemerkt, ich war aufgeregt, aber später haben mir so viele Leute erzählt, wie sehr das ihr Leben verändert hat, das war sehr bewegend“, erinnerte sich Ravi Shankar an den Auftritt. Und auch wenn er bereits lange davor in der westlichen Welt Fuß gefasst hatte, so war das Monterey Pop Festival der Wende- und eigentliche Startpunkt für ihn: „All die jungen Leute waren so frisch und leidenschaftlich und fühlten sich so sehr von meiner Musik angezogen. Von dem Moment an, als ich meinen ersten Schlag auf dem Instrument (Sitar) machte, wusste ich, dass wir miteinander verbunden waren.“

Ravi Shankar distanziert sich von Woodstock

Es dauerte aber nicht lange, bis Shankars Sympathie für die Populär- und Gegenkultur etwas getrübt wurde. Zwei Jahre nach dem Monterey Pop Festival trat er auf dem legendären Woodstock Festival auf. Allerdings fand er die Drogenaffinität der Festivalbesucher und -besucherinnen alles andere als angenehm — und distanzierte sich später von der Hippie-Gemeinschaft. „Ich fühle mich ziemlich verletzt, wenn ich sehe, dass Drogen mit unserer Musik in Verbindung gebracht werden. Für uns ist die Musik die Religion. Der schnellste Weg zur Frömmigkeit führt über die Musik. Ich mag es nicht, wenn eine schlechte Sache mit der Musik in Verbindung gebracht wird“, so der Musiker. Für Shankar sollten der Rausch, die Ekstase und die spirituelle Verbindung ausschließlich durch die Musik und in der Musik passieren.

Zwei Jahre später, am 23. November 1971, war Shankar — gemeinsam mit seinem Freund George Harrison (dazu gleich mehr) — in der Dick Cavett Show zu Gast, und sprach genau über dieses Thema.

Ravi Shankar und George Harrison

Gehen wir aber gleich ein paar Jahre zurück: Bevor Shankar mit seinem Auftritt auf dem Monterey Pop dem Rock-Publikum die Kunst der Ragas zeigte, war es vor allem einer, der die Sitar in der Popmusik bekannt machte: George Harrison. Der stieß während Dreharbeiten in einem indischen Restaurant auf den Klang der Sitar und war fasziniert.  Wie seine Witwe Olivia Harrison erklärte, war indische Musik für ihren Mann eine Art Erweckungserlebnis: „Als George indische Musik hörte, war das wirklich der Auslöser, es war wie eine Glocke, die in seinem Kopf ertönte. Es weckte nicht nur den Wunsch, mehr Musik zu hören, sondern auch zu verstehen, was in der indischen Philosophie vor sich ging. Es war eine einzigartige Abwechslung.“ Im Jahr 1966 kam es im Haus eines gemeinsamen Freundes zum ersten Treffen zwischen Harrison und Shankar. Die Sitar-Legende erinnerte sich daran: „Ich hatte damals von den Beatles gehört, aber ich wusste nicht, wie populär sie waren. Ich habe alle vier getroffen, aber bei George hat es sofort Klick gemacht. Er sagte, er wolle [Sitar] richtig lernen. Ich sagte, dass es nicht nur darum geht, Akkorde zu lernen, wie bei der Gitarre. Man braucht mindestens ein Jahr, um Sitar richtig zu lernen, weil das Instrument so schwer zu halten ist. Dann schneidet man sich die Finger so ab [zeigt die Spitzen von zwei Fingern – lila, mit Schwielen]. Er sagte, er würde es versuchen. Er schien so nett und aufrichtig zu sein, dass ich ihm das glaubte.“ Harrison wurde zum Schüler Shankars, verbrachte Zeit bei ihm in Indien.

Shankar hasste den Beatles-Song Norwegian Wood

Der Beatles-Song Norwegian Wood, bei dem Harrison Sitar spielte, wurde allerdings ein Jahr vor dem Zusammentreffen veröffentlicht. „Ich erzählte ihm, man habe mir gesagt, er habe die Sitar benutzt, obwohl ich das Lied Norwegian Wood nicht gehört hatte. Es schien ihm ziemlich peinlich zu sein, und es stellte sich heraus, dass er nur ein paar Sitzungen mit einem indischen Burschen gehabt hatte, der in London war, um zu sehen, wie das Instrument gehalten werden sollte und um die Grundlagen des Spiels zu lernen“, erinnerte sich Shankar laut Far Out Magazine. „Norwegian Wood hat angeblich so viel Aufsehen erregt, aber als ich das Lied schließlich hörte, dachte ich, es sei ein seltsamer Klang, der auf der Sitar erzeugt worden war.” Gegenüber dem US-amerikanischen Rolling Stone gestand Shankar, das Beatles-Lied grauenhaft gefunden zu haben, er habe Harrison dies aber nie gesagt: „Um die Wahrheit zu sagen, musste ich meinen Mund halten. Es wurde mir von meinen Nichten und Neffen vorgespielt […] Ich konnte es nicht glauben, weil es für mich so schrecklich klang.“

Wie man richtig Sitar spielt, brachte Shankar seinem prominenten Schüler schließlich bei — unter anderem im Jahr 1968, als dieser ihn in Indien besuchte. Filmdokumente aus dieser Zeit belegen dies. Es kam später immer wieder zu Zusammenarbeiten und Zusammentreffen der beiden Musiker.

Sitarklänge sollte es bei den Beatles daraufhin bei mehreren Stücken geben — nämlich bei Tomorrow Never Knows, Within You Without You und The Inner Light.

Auch dem legendären US-amerikanischen Violinisten Yehudi Menuhin kommt eine wichtige Rolle in der Bekanntmachung Shankars zu. Menuhin war es, der Shankar einlud, in New York City zu spielen und somit der US-Metropole klassische, indische Musik vorzustellen. Der Geiger war bereits in den 1950er-Jahren während einer Indienreise auf die Musik des indischen Virtuosen gestoßen.

Bei Shankars New-York-Gastspiel hatte es sich längst nicht um seinen ersten Auftritt im Westen gehandelt, bereits als Kind ging er mit der Tanzgruppe seines Bruders auf Tour, damals noch als Tänzer und Musiker. Später nahm ihn der Multiinstrumentalist und Komponist Allauddin Khan unter seine Fittiche. Shankar studierte unter Khan indische Klassik, kombinierte später indische mit westlicher Klassik. Aber zurück zu Menuhin: Als Shankar durch den Violinisten erneut im Westen Fuß fasste, bemerkte er das Potenzial indischer Musik hier. Er tourte durch die USA, Großbritannien und Europa, nahm 1956 in London seine erste EP Three Ragas auf. Das gemeinsame Album von Shankar und Menuhin, West Meets East, wurde 1967 zum Welterfolg.

Ravi Shankar ging als einer der wichtigsten Protagonisten der Weltmusik aller Zeiten in die Geschichte ein. Dabei handelte es sich bei seiner Musik, das sei abschließend gesagt, um keine für den westlichen Markt verwässerte Light-Version indischer Musik. Shankar brachte Kulturen zusammen. Er starb am 11. Dezember 2012 und hinterließ zwei Kinder, die selbst beide Weltstars sind: Sitar-Virtuosin Anoushka Shankar und Jazz-Pop-Superstar Norah Jones.

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