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„Er erzählte immer, dass er groß rauskommen würde“: Tim Staffell vom Queen-Vorläufer Smile erinnert sich an Freddie Mercury

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Smile
Smile im August 1969 in London: Brian May sitzt mittig auf der Motorhaube, Tim Staffell ist der zweite von rechts. Foto: Mark and Colleen Hayward/Redferns/Getty Images

"TV-Tipp: Am 18. April widmet sich der Sender VOX ab 20:15 Uhr in der vierstündigen Doku „We Are The Champions – 50 Jahre Queen“ der Musiklegende. Zum 50. Bühnenjubiläum von Queen wird ihr Werdegang mit zum Teil unveröffentlichten Aufnahmen von Live-Auftritten und Musikvideos sowie intimen Interviews mit den Bandmitgliedern, darunter auch Adam Lambert, nachverfolgt.

Es ist ein bisschen so, als würde der Lottoschein, den man gerade verschenkt hat, den Jackpot knacken. Der britische Rocksänger Tim Staffell weiß vielleicht, wie sich das anfühlt.

von Andrea Hömke

Als er 1970 seine noch unbekannte Band Smile verlässt, um neue musikalische Wege zu gehen, nimmt ein Kumpel und großer Fan seine Position ein. Der Name des jungen Mannes: Farrokh Bulsara. Er tauft die Gruppe in Queen um und nennt sich selbst fortan Freddie Mercury. Der Rest ist Geschichte. Im Interview mit Ultimate Classic Rock erinnert sich Staffell nun an diese Zeit und gibt charmante Einblicke. „Als ich mich entschied, die Band sein zu lassen, stand Freddie in den Startlöchern.“

Hier könnt ihr Tim Staffells aktuelles Album Two Late hören:

Smile gründen sich 1968 als Powertrio, bestehend aus Tim Staffell, Brian May und Roger Taylor. „Brian und ich waren Schulfreunde“, erinnert sich Staffell. „Er war eine Stufe über mir, und wir teilten das Interessen an Musik.“ Beide spielen in der Schulband 1984 und sammeln dort erste Erfahrungen. „Nach der Schule trennten sich unsere Wege, weil Brian aufs Imperial College ging, um Astronomie zu studieren, und ich auf die Kunsthochschule, um Grafikdesign zu lernen. Doch musikalisch sind wir Kollegen geblieben, haben noch Roger Taylor als Schlagzeuger ins Boot geholt – und damit war Smile geboren.“

Erste Aufnahmen

Tatsächlich gelingt es den Neulingen sogar, einen Vertrag mit Mercury Records an Land zu ziehen. Sie nehmen Songs auf wie Earth, Step On Me, April Lady und Doin’ Alright, doch werden bis heute nie offiziell und „ordentlich“ veröffentlicht. Es existieren lediglich einige semiprofessionelle Versionen.


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Noch bevor Smile so richtig durchstarten, hat Staffell jedoch genug von der Band. 1970 verlässt er die Kombo, um neue musikalische Wege zu gehen. „Ich hatte das Gefühl, diesen Musikstil für mich persönlich ausgereizt zu haben“, erinnert er sich. Smile-Fan und Bandkumpel Farrokh Bulsara alias Freddie Mercury tritt in seine Fußstapfen.

Es zählt nur Musik

Kennengelernt hatten sich der Smile-Frontmann und Bulsara am College. „Freddie und ich hingen ständig zusammen rum. Es waren die Sechziger, und in London entwickelte sich gerade eine musikalische Revolution“, berichtet Staffell. „Das Geld meines College-Stipendiums gab ich für einen Bass und Verstärker aus. Klar war das aus akademischer Sicht ziemlich unverantwortlich. Aber Freddie, der genau so drauf war wie ich, und ich besuchten eh das College nur, weil wir mussten. Wir wollten beide eigentlich nur Musiker werden.“

Gegenseitig unterstützen sie ihre jeweiligen Projekte, Freddie verfolgt als großer Fan die Aktivitäten von Smile aus der Nähe und besucht ständig die Konzerte. „Er erzählte uns immer, dass er irgendwann ganz groß rauskommen würde. Diese Art von Selbstbewusstsein hatte ich nie. Doch genau das ist notwendig, um sich so präsentieren zu können, wie Freddie es konnte.“

Ein Jahr nach Mercurys Übernahme benennt sich die Band in Queen um, am 2. Juli 1971 treten sie zum ersten Mal mit Bassist John Deacon auf.

Das gewisse Etwas

Staffell steigt unterdessen bei Humpy Bong ein, der Gruppe des früheren Bee-Gees-Schlagzeugers Colin Petersen. „Ich war einfach immer ein eher zurückhaltender Musiker. Natürlich wusste ich, dass ein Sänger zu sein eigentlich im Gegensatz dazu steht, aber ich bin nun mal eher ein passiver Typ. Zwar ist es schade, dass es für Smile nicht weiterging, allerdings hätten wir nie erreichen können, was Queen geschafft haben. Es brauchte Freddie, um dem Rest der Band die notwendige Kraft zu verleihen. Ich bin nicht neidisch.“

Außerdem wird Staffell immer mit Queen in Verbindung stehen. Der Song Doin’ Alright, den er gemeinsam mit May schrieb, schafft es 1973 auf das erste Queen-Album. Auch die Freundschaft mit May und Taylor bleibt über die Jahre bestehen. Am 22. Dezember 1992 gibt es im Marquee Club in London beim Gig von Roger Taylors Band The Cross sogar eine bis dahin einmalige Wiedervereinigung von Smile, als May und Staffell hinzustoßen, um die Songs Earth und If I Were A Carpenter zu spielen.

Wiedervereinigung im Studio

Vor wenigen Jahren ruft Brian May dann wegen eines anderen Projektes an: Es soll eine Neuaufnahme von eben jenem Stück Doin’ Alright für den Film Bohemian Rhapsody geben. „Es ging um die Eröffnungsszene, in der Freddie in einen Club geht, um diese Band zu sehen. Sie hatten es erst mit einigen Queen- und ein paar originalen Smile-Aufnahmen versucht. Sogar Jack Roth, der mich in dem Film spielt, brachte eine Version auf Band. Doch irgendwie fehlte ihnen der richtige Effekt. Deshalb fragte Brian mich schließlich, ob ich den Song nicht noch einmal einsingen könne.“ Und so kommt es, dass die ehemaligen Kollegen noch einmal in den legendären Abbey Road Studios in London zusammenarbeiten. „Sie wollten einen ungeschliffeneren Sound, mehr so, wie Smile eben klangen, und nicht so sauber wie bei Queen. Das Resultat wirkt einfach etwas authentischer, und genau deshalb haben sie mich auch gebeten, es einzusingen.“

Durch die Veröffentlichung des Films bekommt Staffell einen regelrechten Energieschub. „Bis zu dem Punkt habe ich ganz normal gearbeitet. Zwar hatte ich die Musik nie aufgegeben, mich aber auch nicht voll gewidmet. 2014 bin in Rente gegangen und habe begonnen, wieder mehr Songs zu schreiben. Als Bohemian Rhapsody 2018 raus kam, hat mich das geradezu beflügelt. Plötzlich war so viel mehr möglich.“

Späte Veröffentlichungen

Nach seinen beiden Alben aMIGO (2003) und Two Late (2018) nimmt er aktuell neues Material auf und spielt mit seiner Band vor allem in West London, aber auch in Kontinentaleuropa kleine Gigs. Und er hat noch einen großen Traum: „Ich habe mir immer gewünscht, dass jemand einen meiner Songs irgendwann einmal nachspielt. Bis Ende des Jahres habe ich mein drittes Soloalbum fertig, und vielleicht gibt es dann ja eine Person, die einen meiner Songs neu aufnehmen will.“

https://www.instagram.com/p/B-XZ5-8BTCT

Der 72-Jährige klingt entspannt und zufrieden, mit der womöglich verpassten Chance hat er seinen Frieden gemacht. In einem Post auf seiner Instagram-Seite schreibt er über seinen Abschied von Smile: „So sehr mir ein vergleichbarer Erfolg auch gefallen hätte: Es war genau das richtige. Ich habe es nie wirklich bereut und hatte in all den Jahren sehr viel Spaß.“

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