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Popkultur

5. Todestag von Chester Bennington: Der mit den Dämonen tanzte

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Chester Bennington
Foto: Tom Preston

Vor fünf Jahren nahm sich Chester Bennington das Leben. Wenige Wochen vor seinem Tod führte unser Autor Björn Springorum eines der letzten Interviews mit ihm. Zu seinem Todestag lassen wir die Stimme einer Generation nochmals zu Wort kommen und blicken in fünf besonderen Geschichten auf sein Leben zurück.

von Björn Springorum

Die Zeichen sind Anfang 2017 alle da. Linkin Park eröffnen ihr neues Album One More Light mit dem Song Nobody Can Save Me, Chester Benningtons erste Zeile ist I’m Dancing With My Demons. Gewiss ist es nicht das erste Mal, dass Linkin Park derartige Töne anschlagen, viele von Benningtons Lyrics befassen sich mit Depressionen, suizidalen Gedanken, Mental Health und Angst. Diesmal klingt jedoch alles flehender, ernster, näher an der Selbstaufgabe. Am 19. Mai 2022 erscheint das Album. Acht Wochen später ist Chester Bennington tot.

Hier könnt ihr One More Light hören:

Trauer und Fragen. Hat man zu wenig getan? Hat man nicht hingehört? Oder gar weggesehen? War der Tod von Chris Cornell wenige Wochen zuvor entscheidend? Die Aussagen variieren. Je nachdem, wen man fragt, war Chester Bennington in den Tagen vor seinem Tod besonders gut aufgelegt oder eher still und nachdenklich. Wir treffen den Sänger das letzte Mal im Frühjahr 2017 in Los Angeles. Bei den Interviews zum Album ist er auffällig verletzlich und melancholisch.

Im Titelsong von One More Light besingt Bennington den Tod eines engen Freundes. Retrospektiv könnte er aber eben auch über sich selbst singen. „Ein Song wie dieser kann sehr schmerzhaft sein, aber auch schöne Erinnerungen wecken, die man an bestimmte Personen hat, die nicht mehr da sind“, sagt er 2017. „Es ist wichtig, zu trauern, es ist wichtig, diesen Schmerz zuzulassen. Auch für mich hat der Song eine ganz andere Bedeutung.“ Hier pausiert er, schluckt. Dann steigen Tränen in seine Augen. „Mein Vater hat seit vielen Jahren kein Wort mehr mit mir gewechselt und ich verstehe nicht, weshalb. Das nagt zunehmend an mir, weil er langsam älter wird. Ebendiese Gefühle durchlebe ich bei One More Light, doch auch wenn da jeder etwas anderes fühlt, so ist die Essenz doch dieselbe: Wir alle erinnern uns an etwas, das nicht mehr da ist.“

Linkin Park müssen für ihre sehr poppige Platte viel Kritik einstecken. Und irgendetwas stößt Bennington wenige Wochen nach diesem Gespräch über die Klippe – obwohl er das Album damals als seine „ganz persönliche Suche nach Licht, nach Hoffnung“ beschreibt. „Die Welt wird ein immer besserer Ort, durch die Geschichte geht der Pfeil klar nach oben“, sagt er dann am Ende noch. „Ich bin Altruist und glaube an das Gute.“

Am Ende hat es leider nicht gereicht. Zu seinem fünften Todestag würdigen wir das Leben einer der wichtigsten Stimmen seiner Generation in fünf Geschichten.

1. Chester, der Seemann

Chester Bennington begann schon im Alter von zwei Jahren mit dem Singen. Bald darauf konnte er den ganzen Popeye-Film auswendig mitsingen und mitsprechen. „Der kleine Chester – er wog gerade einmal ein paar Kilo und war bestimmt nicht größer als ein Chihuahua. Er war ja lange Zeit wirklich klein, bevor er ein großer Rockstar wurde“, so erzählte es Ryan Chuck mal, mit dem Bennington bei Dead By Sunrise spielte.

2. Erlöser wider Willen

Konzerte von Linkin Park waren für Millionen von Fans ein kathartisches, heilsames Erlebnis. Unter den vielen unvergesslichen Live-Performances von Chester Bennington wird der Auftritt von Linkin Park bei Rock am Ring 2004 auf ewig hervorschimmern: eine gewaltige Menschenmenge, die Bennington bei jedem Wort an den Lippen hängt. Ein Erlöser wollte er nie sein. In diesem Momenten kam er dieser Rolle aber sehr nah.

3. Der Urschrei

Wie wenige andere Nu-Metal-Sänger beherrschte Bennington das Spiel mit Licht und Schatten. Wenn er sang, klang er wie ein ätherisches Wesen. Und wenn er schrie, dann folgten ihm alle Dämonen der Hölle. Das Paradebeispiel für Zweiteres ist dieser siebzehnsekündige Urschrei in Given Up.

4. Schwere Bürde

Von Anfang an lagen Schatten auf Benningtons Leben. Mit sieben Jahren wird er sexuell missbraucht, mit elf muss er bei seinem Vater einziehen. Bald darauf kommen Alkohol, Gras und LSD, als Teenager hat er eine ausgewachsene Drogen- und Alkoholsucht. 1999 zieht er nach Los Angeles und steigt bei Linkin Park ein. Seine Vergangenheit kann er aber nicht für immer hinter sich zurücklassen.

5. Die letzten Videoaufnahmen

Nur sechs Tage vor seinem Tod nimmt Chester Bennington mit seiner Band noch eine Folge von Carpool Karaoke auf. Die Sendung wird erst nach seinem Tod ausgestrahlt und zeigt einen fröhlichen, scheinbar unbeschwerten Sänger. Weiß er damals schon, dass er sich wenige Tage später das Leben nehmen wird? Mancher Blick, den er mit seinem engen Freund Mike Shinoda teilt, scheint das zu bestätigen: Chester Bennington erweckt den Eindruck, als wolle er sich alles noch ein letztes Mal ganz genau einprägen.

Wenn du selbst depressiv bist oder Selbstmordgedanken hast, kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du Hilfe von Berater*innen, die dir Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

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