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Popkultur

„Let Go“: Wie Avril Lavignes Debüt 2002 den Mainstream rockt

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Avril Lavigne
Foto: Scott Gries/Getty Images

Sommer 2002: Shakira und Eminem dominieren die weltweiten Charts, Alternative-Acts beschränken sich im Hip-Hop- und Pop-durchtränkten Markt auf Gastspiele. Und plötzlich erscheint da jemand im wohldosierten Skater-Look – und mischt die Populärmusik kräftig auf. Zum Geburtstag von Avril Lavignes Debütalbum Let Go schauen wir auf Entstehung und Nachhall der Platte.

von Victoria Schaffrath

Hier könnt ihr Let Go hören:

Sie schnuppert an ihren Achseln, statt Deo zu benutzen, rülpst ins Interview-Mikro und schneidet auf dem roten Teppich lieber Grimassen, als hübsch zu posieren: Avril Lavigne macht 2002 genau das Gegenteil von allem, was Britney Spears, Christina Aguilera oder Shakira zu Popsternchen-Status verhilft. Diese Eskapaden duldet das Label nicht nur, es fördert sie, denn die junge Musikerin hat Ehrgeiz. Ein Auftritt mit Shania Twain noch vor dem Plattenvertrag, ein Umzug aus der kanadischen Provinz nach New York und Kalifornien mit gerade einmal 16 Jahren – da weiß jemand, was sie will.

Avril Lavigne: verdauliche Anti-Haltung

Die blutjunge Kanadierin macht „Teenie-Pop, ohne Teenie-Pop zu sein“, wie es der Rolling Stone im Folgejahr auf den Punkt bringt. Eine risikoreiche Rebellion à la Grunge-Ära muss das Management dabei nie verhandeln; Lavignes Anti-Haltung umschifft die Themen Drogen, Politik und Religion einigermaßen weiträumig. Vielmehr geht es um Liebe, um Enttäuschung und ums Erwachsenwerden. Die durchaus marktfähige Unangepasstheit und eine Menge Kajal machen die Inhalte etwas kantiger.

Lavignes Songs, die sie konsequent mitschreibt, folgen dabei einer zuverlässigen Pop-Formel. Mal klingt das nach Pop-Punk, wie im eingängigen Sk8er Boi, mal mehr nach Rock, siehe die Leadsingle Complicated oder die Ballade I’m With You. Alle drei Veröffentlichungen behaupten sich nachdrücklich in den Charts, das Album selbst erhält mühelos Doppel-Platin und beschert der Sängerin Nominierungen für einen Grammy, einen MTV-Award und mehr.

Vergleiche mit Alanis Morissette

Die vierte Auskopplung Losing Grip schlägt einen Nu Metal-lastigen Ton an und dient so als Vorbote für das nächste Album Under My Skin. Bis dieses erscheint, darf sich Lavigne erst einmal mit einer Tour und jeder Menge Promo-Terminen auseinandersetzen. Konzerte und TV-Auftritte mit ihrer Band wirken zunächst ausbaufähig, aber mehr und mehr liegen Vergleiche mit Alanis Morissette durchaus auf der Hand. Wer sich außerdem tiefer ins Album reinhört, entdeckt Perlen wie Tomorrow und Too Much To Ask.

Lavigne bietet Anfang der Zweitausender vor allem weiblichen Jugendlichen eine Identifikationsfläche, die sich im sonstigen Pop-Geschehen nicht wiedererkennen. Aus heutiger Sicht erfüllt die Krawattenträgerin diese Vorbildfunktion leider nur bedingt: Abwertende Kommentare über Spears („Sie läuft rum wie ein Showgirl“ oder Protagonistinnen ihrer Songs (beispielsweise in Sk8er Boi oder dem späteren Hit Girlfriend) altern nur mäßig gut. Auf TikTok, wo die Popkultur der frühen Zweitausender heute wieder auflebt, führt das zu deutlicher Kritik.

Kommentare über Britney Spears altern „Complicated“

Als „Riot Grrrl“ muss man die Franko-Kanadierin also nicht einordnen, dennoch äußert sie sich mittlerweile positiv über ihre Kolleginnen. Das aktuelle Y2K-Revival führt schließlich auch dazu, dass sich Nachwuchstalente wie Billie Eilish und Olivia Rodrigo als Avril-Fans outen – oder ihre Pop-Rock-Vorgängerin kurzerhand auf die Bühne holen.

Entsprechend gut steht es heute um das Ansehen von Complicated, auch deswegen, weil die Platte mit mehr als 16 Millionen verkauften Exemplaren eines der 20 erfolgreichsten Alben des 21. Jahrhunderts bleibt. Lavigne übersetzte diese andauernde Relevanz übrigens unter anderem in eine eigene Deo-Linie.

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