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Popkultur

Desaströse Rock’n’Roll-Premiere: Wie ein Auftritt von Bill Haley in Berlin 1958 zur Katastrophe wurde

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Ausschreitungen beim Bill-Haley-Konzert 1958 in Berlin
Foto: Getty Images

Wir schreiben den 26. Oktober 1958 — und Bill Haley kommentiert ein Konzert im Berliner Sportpalast mit den Worten: „Was hier passierte, ist eine Schande. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Was war geschehen?

von Markus Brandstetter

Ende der 1950er-Jahre sind Rockkonzerte in Deutschland noch eine Seltenheit. Der Star der Stunde: Bill Haley, US-amerikanischer Sänger und Pionier des Rock’n’Roll. Nicht nur in seiner Heimat läuft es für Haley, der vier Jahre zuvor seine bekannteste Single Rock Around The Clock veröffentlicht hatte, bestens, auch die Deutschlandtermine sind allesamt ausverkauft. Allerdings, so zitiert der Spiegel am 4. November 1958 den Veranstalter Kurt Collien, habe man es mit einem Verlustgeschäft zu tun: „Was da in Berlin passiert ist, das kann die Versicherungssumme gar nicht decken.“

Aber lesen wir uns doch den gesamten Einstieg des Spiegel-Artikels, ehe wir auflösen, was genau passiert ist: „Nachdem die Radau-Tournee des amerikanischen Massenaufpeitschers Bill Haley in der vergangenen Woche wie ein Tornado über Berlin, Hamburg und Essen hinweg gerast war, zog der Veranstalter Kurt Collien an Hand der ersten ausführlichen Berichte von den Verwüstungen eine klägliche Bilanz“, so die wundervolle Formulierung. Und weiter: „Seine Veranstaltungen hatten zwar die Boulevardpresse mit Schlagzeilen gefüttert – aber in seinen Büchern zeichnete sich trotz ausverkaufter Häuser ein respektables Verlustgeschäft ab.“

Zeitung berichtet von „blutiger Schlacht“

Die BZ berichtete, das Konzert sei „mit einer blutigen Schlacht“ geendet — und liefert eine Schilderung der Ereignisse: Rund 1.000 Jugendliche stürmten dem Bericht zufolge bereits vor der Veranstaltung die Eingänge des Saals, die Vorgruppe — das Orchester Kurt Edelhagen — wurde von der Bühne geprügelt. Es liest sich fast wie die Story einer Zombie-Apokalypse, was die BZ schreibt: „Blutüberströmte Menschen wankten in den Gängen umher. Mit Knüppeln, Brettern und Stuhlbeinen bewaffnet, zerlegte die aufgepeitschte Menge den Sportpalast.“

Als die Menge die Vorgruppe attackiert, sitzt Hailey noch in seinem Hotelzimmer. Er wird von den Veranstaltern schnell in die Halle geholt, soll die Menge mit seinem Auftritt beruhigen. Leider passiert genau das Gegenteil: Als der „Rock’n’Roll-König“ (BZ) nach nur vierzig Minuten die Bühne wieder verlässt, bricht die Hölle erst richtig los. Mit „Schlagwaffen“, so heißt es, stürmen tausende Zuschauer die Bühne, attackieren die Ordner und versuchen, sich zu den Künstlergarderoben Zugriff zu verschaffen. Dies resultiert natürlich in einem Großeinsatz der Polizei, die mit Knüppeln gegen die Randalierer vorgeht. Die Band flüchtet derweil von der Bühne.

Die BZ zieht das Fazit: „Tausende von Stühlen, die technische Einrichtung der Lautsprecheranlage zerstört, ein großer Konzertflügel kurz und klein gehackt. Leichenblass verließ Bill Haley unter Polizeischutz seine Garderobe.“ Der Schaden betrug etwa 11.000 Dollar.

Warum Elvis daraufhin einen Hamburg-Gig absagte

In Hamburg ging es wenige Tage zuvor nicht unbedingt gesitteter zu. „Während Bill Haley auf der Bühne lächelnd seine Erfolgsnummern spielte, gab einer der jugendlichen Radaubrüder seinen halbstarken Gefolgsleuten das Kommando: ‚Los, nach vorn!‘“, erinnert sich die WELT an das Konzert. „In zwei Kolonnen stürmten mehrere 100 Jugendliche zur Bühne und gebärdeten sich dort wie von Sinnen. Als Ordner eingesetzte Studenten versuchten vergeblich, sie zurückzudrängen.“ Was folgte war eine Welle der Verwüstung — und die aggressive Stimmung setzte sich fort. Am Hamburger Dammbahnhof setzte die Polizei Tränengas und Schlagstöcke ein, um die Menge auseinander zu treiben. Wie die Zeitung schreibt, habe Elvis Presley von diesen Ausschreitungen gehört – und sich daraufhin gegen ein Konzert in Hamburg entschieden.

Es sollte übrigens nicht das letzte Mal sein, dass ein Auftritt Haleys zu Randalen führte: Am 30. und 31. Mai 1964 spielte er, gemeinsam mit Little Richard, in der Berliner Waldbühne — auch hier kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Publikum und Ordnungskräften.

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