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Popkultur

Interview mit Michael Schenker: „Jeder, der Ritchie Blackmore verließ, kam zu mir“

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Michael Schenker bei einem Konzert 2018 in London. Foto: C Brandon/Redferns/Getty Images

Auch wenn wir es in der Rockmusik alles gern säkular belassen: Michael Schenker kann man guten Gewissens als Gitarrengott bezeichnen. Zu seinem 50. Dienstjubiläum reformiert er die Michael Schenker Group mit internationalen Top-Talenten – und beschenkt sich mit der neuen Platte Immortal. Warum die eher den Geist der Siebziger atmet und kein altersmildes Konsenswerk ist, verrät der hibbelige Gitarrenmaestro hier.

von Björn Springorum

Vor 50 Jahren spielt Michael Schenker Gitarre in einer kleinen Garagenband aus Hannover, die kaum einer kennt. Ihr Name: Scorpions. Als die ein paar Jahre später zu Weltruhm gelangen, ist er schon nicht mehr mit von der Partie. Als German Wunderkind, wie man ihn damals nennt, feiert er mit den Briten von UFO große Erfolge. Mit gerade mal 18 Jahren und anfangs ohne jedwede Englischkenntnisse.

All das ist lange her, sicher. Doch Schenker hat allen Grund, das mal wieder hochkochen zu lassen: Mit seiner Michael Schenker Group feierte er unlängst das 40. Dienstjubiläum – und ganz nebenbei 50 Jahre als einflussreicher Gitarrist unter der Flagge des Rock. Auf seiner neuen Platte Immortal feiert er runden Geburtstag, lässt sich von zahlreichen hochkarätigen Gästen gratulieren und aushelfen. Highlight ist ganz klar die ausufernde Neuaufnahme von In Search Of The Peace Of Mind, einem seiner ersten Songs für die Scorpions.

Michael, neben unzähligen weiteren Gitarristen geben Kirk Hammett, Eddie Van Halen, Slash oder Zakk Wylde an, maßgeblich von dir beeinflusst worden zu sein. Ein gutes Gefühl?

Lass es mich so sagen: Ich wusste ja lange Zeit gar nicht, wen ich in den Achtzigern alles beeinflusst haben soll. Sicher, heute ist mir klar, dass ich viel von dem vorgegeben habe, was ab den Achtzigern von allen Seiten aufgegriffen wurde. Mir war das egal, ich wollte immer weiter zur Quelle vordringen und einfach spielen. Wenn das rückblickend immer wieder für eine gewisse Frische gesorgt hat, ist das natürlich toll. Denn immer nur nachspielen führt ja auch zu nichts.

„Ich habe mir alles selbst beigebracht. Sogar das Skilaufen.“

Zur Quelle?

Zur Quelle der Musik! Der Inspiration. Bei Gitarristen gibt es einerseits Techniker und andererseits die, die aus dem Herzen spielen. Ich habe immer aus dem Herzen gespielt. Dort liegt die Quelle aller Kreativität, aller Schöpfung. Für diesen Weg habe ich mich sehr früh entschieden, weil mir ein echter Ausdruck immer schon wichtiger war als die richtige Technik. So war ich immer: Ich habe mir alles selbst beigebracht. Sogar das Skilaufen. Ich wollte einfach keinen Trainer haben! Etwas selbst entdecken und entwickeln, darum ging es mir. Selbst wenn ich etwas falsch mache, habe ich so noch meine Freude daran. Und was die Gitarre angeht, ist doch eines hoffentlich eh klar: Hauptsache, sie klingt gut. (lacht)

Was fasziniert dich so an dieser Gitarre?

Ich verfiel ihr mit 16 Jahren, als ich Lonesome Crow für die Scorpions schrieb. Damals entdeckte ich die Faszination der Gitarrensaite. Unglaublich, was man mit jeder einzelnen von ihnen machen kann. Die Gitarre ist das beste Instrument, um etwas auszudrücken. Es gibt keinen vollständigeren Klang. Alle anderen Instrumente halte ich für limitiert.

„Im Kopf bin ich immer noch 16.“

Machst du noch aus denselben Gründen Musik wie damals in den Siebzigern?

Natürlich, und das wird sich auch nie ändern. Im Kopf bin ich immer noch 16. Ich liebe diese Freiheit und würde sie nie eintauschen. Ich meine, ich wurde morgens noch nie von einem Wecker geweckt. Ich wollte nie Ruhm oder Erfolg, ich war immer am zufriedensten, wenn ich mich wie ein Kind im Sandkasten mit dem beschäftigen konnte, was ich am meisten mochte. Ohne Konkurrenz, ohne Vergleiche. Einfach die pure Freude an der Kreativität.

Reden wir doch mal kurz über In Search Of The Peace Of Mind, den du ja für Immortal neu aufgenommen hast. Wo entstand die Nummer?

Dieses Stück habe ich in der Küche meiner Mutter geschrieben, ich muss 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein. Und ich sage dir: Das Solo in diesem Stück ist so perfekt, da würde ich bis heute keine einzige Note ändern! (lacht) Natürlich habe ich mich seither weiterentwickelt, aber für mich ist es das wichtigste Stück der letzten 50 Jahre. Damit hat alles angefangen.

Deswegen also die Neuaufnahme?

Wir wollten dieses Jubiläum gebührend feiern und waren uns einig, dass dieser Song der richtige dafür ist. Was daraus geworden ist, ist nicht weniger als ein echtes Epos: Gary Barden singt die erste Strophe, danach steigt Ronnie Romero ein und am Ende haben wir Ronnie, Doogie White und Robin McAuley, die sich alle die Seele aus dem Leib schreien, um meinen 50. Geburtstag als Musiker zu feiern. Einfach nur unfassbar!

„Rudolf ist mein Bruder und ich liebe ihn, aber er hat mich oft enttäuscht.“

Damals haben dich die Scorpions nicht in den Credits der Nummer erwähnt…

… und das war nicht sehr nett! Aber was soll ich sagen, es ist lange her. Ich denke da eigentlich nicht drüber nach, auch wenn einiges wirklich unschön gelaufen ist. Rudolf ist mein Bruder und ich liebe ihn, aber er hat mich oft enttäuscht. Von solchen Leuten halte ich mich fern .

Reden wir also lieber über all die Gäste, die du für Immortal gewinnen konntest – unter anderem Ronnie Romero von Rinbow, Ralf Scheepers von Primal Fear und den ehemaligen Deep-Purple-Sänger. Michael ruft und alle kommen?

Das fing irgendwann einfach so an. Jeder, der Ritchie Blackmore verließ, kam zu mir. (lacht) Keine Ahnung, warum. Viele dachten ja, ich mache das mit Absicht, aber das Gegenteil ist der Fall: Ich bin wirklich unschuldig! Heute ist das natürlich alles viel leichter. Meine großartigen Kollegen haben ihre eigenen Studios, das macht die Zusammenarbeit leicht. Gerade in diesen verrückten Zeiten.

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