Popkultur
Zum 100. Geburtstag von Jack Kerouac: Der König der Beats, der Anachronist der Straße
Am 12. März 2022 wäre der US-amerikanische Schriftsteller Jack Kerouac 100 Jahre alt geworden. Ein Blick auf einen Mann, der nicht nur Bob Dylans Leben verändert hat.
von Markus Brandstetter
„That’s typing, not writing“ — das ist doch Getippsel, kein richtiges Schreiben: Diese nur wenig schmeichelhaften Worte fand der US-amerikanische Autor Truman Capote einmal für seinen Kollegen Jack Kerouac. Kerouac war nicht der einzige seines literarischen Freundeskreises — der sogenannten Beat Generation — deren Werk und Person vom vermeintlich ernsthaften Literaturbetrieb mit einer hochgezogenen Augenbraue und dem Vorwurf mangelnder literarischer Ernsthaftigkeit bedacht wurde. Das hatte auch mit Kerouacs Technik zu tun: Er schrieb auf selbst gefertigtem Endlospapier, verbrachte Nächte damit, fieber- und rauschhaft seine Gedanken möglichst ungefiltert auf die Seiten zu bringen. „First thought, best thought“ lautete das Motto, der erste Gedanke ist der Beste. Alles raus, alles sollte pur sein. Das Ergebnis war meist ein Schwall von Impressionen, Gedanken, Fragmenten, Dialogen. Eine nicht immer weiter- oder zu Ende gedachte Explosion von Lebensgefühl, Rausch, Sex, Sinnsuche, Verzweiflung, Illusion, Experimentierfreude.
Ein Amerika der großen Versprechungen
Jack Kerouacs (Nachkriegs-)Amerika ist eines der großen Versprechungen und nicht enden wollenden Möglichkeiten. Eines von ewigen Straßen und alles verändernden Roadtrips. Von Bekanntschaften und Seelenverwandtschaften, geschrieben in jenem Duktus, besser: mit jenem Atem, mit dem Charlie Parker, Dizzy Gillespie und all die anderen Cats ihren Bebop vortrugen. Die Erleuchtung, die nächste Ekstase, die nächste alles verändernde Zufallsbekanntschaft ist stets um die Ecke. Die Protagonisten und Protagonistinnen der Beat Generation — wobei: zum Großteil waren diese in Kerouacs Pantheon männlich, Frauen waren im inneren Zirkel von Kerouacs Beschreibungen eher Ausnahmeerscheinungen oder aufopfernde Partnerinnen — sind allesamt präsente Charaktere in Kerouacs Büchern. Allen voran sein Freund und in vielen Hinsichten Idol Neal Cassady (in On The Road als Dean Moriarity verewigt), seine Freunde Allen Ginsberg, Gary Snyder (der etwa Grundlage der Figur des Japhy Ryder in The Dharma Bums war), William S. Burroughs, Lawrence Ferlinghetti, Gregory Corso.
„Ich habe On the Road vielleicht 1959 gelesen. Es hat mein Leben verändert, wie es das Leben aller anderen verändert hat“, schrieb Bob Dylan einmal über Jack Kerouacs Jahrhundertroman. Damit übertreibt Dylan keineswegs — denn On The Road erschütterte in den Folgejahren seiner Erscheinung 1957 nicht nur den Literaturbetrieb, sondern in erster Linie die Populärkultur, diente als Blaupause für ein ganzes Lebensgefühl. Es ist nicht einmal gezwungenermaßen Jack Kerouacs bestes Werk — aber sein wichtiges, eines, das als Manifest der Beat Generation gilt, zusammen mit Ginsbergs Howl, Ferlinghettis A Coney Island Of The Mind, Burroughs’ Naked Lunch und ähnlichen Werken.
Mit On The Road fand Kerouac 1957 (nachdem er lange keinen Verlag für das Buch gefunden hatte) literarischen und popkulturellen Ruhm — wurde zum König der Beatniks ernannt, oft mit der Figur des Dean Moriarty verwechselt. So sehr Kerouac die Art von Moriarty aber bewunderte und gern so sein wollte wie er, er war Zeit seines Lebens eher der Beifahrer, der mit kindlicher Begeisterung und Bewunderung den verrückten Typen am Lenkrad bewundert. Kerouacs Ex-Freundin Joyce Johnson verglich On The Road mit Mark Twains Klassiker Die Abenteuer des Huckleberry Finn — und setzte Kerouacs Alter Ego Sal Paradise mit Tom Sawyer gleich – beide kommen aus bürgerlichem Elternhaus, die sich von einem „Outlaw“ (in Twains Buch die Figur des Huck Finn, in On The Road eben Moriarty/Cassidy) mitreißen ließen. Es ist jenes Amerika, das auch bei Dylan (vielleicht noch mehr in dessen Malerei) zu finden ist, es sind die Straßen, die auch etwa Springsteens Charaktere entlangfahren. Die Straßen der Jimmy Deans. Aber es geht nicht nur um uramerikanische Sehnsüchte – es geht auch um die Lust am Neuen, Fremden, an der Ekstase. Es folgten weitere großartige Romane wie The Dharma Bums (1958) und Big Sur (1962).
Kerouac, Katholik durch und durch, wandte sich dem Buddhismus zu, suchte Erleuchtung und Glückseligkeit, das Meditationssitzfleisch soll er — im Gegensatz zu Snyder und Ginsberg — allerdings nie besessen haben. Kerouac wollte den Rausch, wollte Gott ins Gesicht sehen, wie er selbst einmal sagte. Für Kerouac stand das „Beat“ in Beat Generation nicht für den „Beat down“-Außenseiter und auch nicht nur für den Beat, den es zu halten galt — sondern für „Beatitude“, die Glückseligkeit … und das in einem durchaus theistischen Kontext. Dass Kerouac zum König der Beats ernannt wurde, machte ihn wohl nur kurzfristig glücklich, viel mehr wollte er als Schriftsteller ernst genommen werden.
„Lebwohl, betrunkener Geist“
Die Glückseligkeit fand Kerouac zu Lebzeiten nicht mehr. Er vereinsamte zunehmend, verbrachte die meiste Zeit isoliert im gemeinsamen Haus mit seiner Mutter. Er saß unter einem großen, hölzernen Kruzifix, schrieb — und trank sich ins Grab. Gegen Ende seines Lebens war er auch seinen Freunden gegenüber zunehmend ausfällig. In der Show des Talkmasters William Buckley schimpfte er, sichtlich betrunken, über den im Publikum sitzenden Ginsberg sowie Ferlinghetti (den er als Kommunisten bezeichnete), und beklagte sich sich über das Erbe der Beat Generation. Ginsberg selbst soll zu diesem Zeitpunkt geahnt haben, dass Kerouac am Ende seines Lebens war — und flüsterte ihm nach der Show die Worte „Goodbye, drunken ghost“ (Lebwohl, betrunkener Geist) ins Ohr. Es war das letzte Mal, dass Ginsberg seinen Freund lebend sah. Am 21. Oktober 1969 starb Kerouac im Alter von 47 Jahren. Man begrub ihn in jenem karierten Anzug, den er in der William-Buckley-Show getragen hatte.
Jack Kerouac ging als jemand in die Geschichte ein, der fieberhaft, mit vollem psychischen und physischen Einsatz eine neue literarische Sprache suchte — und diese auch fand. So spontan, wie sein „First thought, best thought“-Credo das vorgab, war er wohl nicht — davon zeugten zahlreiche Revisionen seiner eigenen Manuskripte. Auch heute noch springt einen seine fast schon naive Begeisterung, sein Aufopferungswille nahezu an. Kerouac war nicht der Wagenlenker, sondern der große Beifahrer, der Anachronist der Straße.
„But then they danced down the streets like dingledodies and I shambled after as I’ve been doing all my life after people who interest me, because the only people for me are the mad ones, the ones who are mad to live, mad to talk, mad to be saved, desirous of everything at the same time, the ones who never yawn or say a commonplace thing but burn, burn like fabulous yellow roman candles exploding like spiders across the stars and in the middle you see the blue centerlight and everybody goes ‚Aww!’“, heißt es in On The Road. Kerouac wollte genau das, was auch seine Literatur wollte: alles. Auch wenn die Straßen Amerikas heute andere sind, diesen ungebändigten Enthusiasmus und diese Erlösungssehnsucht sind auch heute noch mitreißend.
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Zeitsprung: Am 9.7.1962 nimmt Bob Dylan das poetische „Blowin’ In The Wind“ auf.

Popkultur
Zeitsprung: Am 10.6.1975 landen die Eagles mit „One Of These Nights“ ihre erste Nr. 1.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 10.6.1975.
von Christof Leim
Auf ihrem vierten Album One Of These Nights spielen die Eagles mehr Rock und weniger Country. Das verschafft ihnen ihre erste Nummer Eins in den USA und macht sie international zu Stars. Nur einer ist nicht zufrieden.
Hört hier in die besten Eagles-Songs rein:
Mit ihren ersten drei Platten haben die Eagles ganz gut vorgelegt. Ihre entspannte und musikalisch ausgefuchste Melange aus Rock, Country und Folk definiert einen typisch kalifornischen Sound, sehr amerikanisch und wie gemacht für das Radio. Mit der Single Best Of My Love vom Album On The Border (1974) können sie zum ersten Mal die Spitze der Hitparade erklimmen. Verstärkt durch den neuen Gitarristen Don Felder machen sie sich Ende 1974 an die Arbeit für One Of These Nights.
Die vierte Platte bringt die Eagles sogar auf das Cover des „Rolling Stone“. Quelle:www.theuncool.com
Mittlerweile haben sich Glenn Frey (Gesang/Gitarre) und Don Henley (Gesang/Schlagzeug) zu einem kompetenten Songwriting-Team entwickelt. Sie teilen sich ein Haus in Beverly Hills und schreiben vier der neun Songs für das neue Album, an drei weiteren arbeiten sie zusammen mit den Kollegen Felder, Bernie Leadon (Gitarre) und Randy Meisner (Bass). Das lohnt sich: Gleich mehrfach landen die Singles in den US-amerikanischen Top Ten.
Mehr Rock
Mit dem Titelstück One Of These Nights versucht das Duo Frey/Henley bewusst, vom bisherigen Country- und Balladensound wegzukommen. Das Ergebnis klingt rockiger, aber auch ein bisschen nach R&B und Disco. Das könnte daran liegen, dass die Bee Gees im Studio nebenan aufnehmen, als die Eagles Teile des Stückes in Miami einspielen. Die Nummer erscheint drei Wochen vor dem Album und schafft es bis auf den ersten Platz – ein gutes Zeichen also.
Ein weiterer Höhepunkt der Scheibe heißt Lyin’ Eyes. Die Idee kommt den beiden Songwritern, als sie in einem Restaurant in Los Angeles eine wunderschöne junge Dame mit einem viel älteren, offensichtlich reichen Mann sehen – und die „emotionale Motivation“ der Dame in Frage stellen. Frey entfährt der Satz „She can’t even hide those lyin’ eyes“. Damit schreibt sich die countryeske Nummer mit den großartigen Gesangsharmonien fast von selbst. Sie klettert als Single im folgenden September bis auf Platz zwei und verschafft der Band gleich eine doppelte Grammy-Nominierung, einen davon gewinnen sie sogar. An der dritten Auskopplung Take It To The Limit (November 1975) schreibt Bassist Randy Meisner mit, er übernimmt auch den Leadgesang. Die sehr ruhige Nummer im Walzertakt (!) erreicht Platz vier.
Hauptsache Frieden
Gitarrist Bernie Leadon hat seine Finger bei drei Tracks im Spiel. Einen davon schreibt er mit seiner Freundin Patti Davis, der Tochter von Nancy und Ronald Reagan. Er heißt I Wish You Peace und beschließt das Album. Laut Don Henley kommt das Stück nur auf die Platte, um den Frieden in der Band zu wahren. Im Instrumental Journey Of The Sorcerer aus Leadons Feder dominieren Banjo und Streicher. Die Nummer wird später als Titelmusik für die großartige Science-Fiction-Satire The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy verwendet.
Alle drei Singles von „One Of The Nights“ schaffen es in die US-Top Ten.
Rückblickend nennt Don Henley in einem Interview mit dem Journalisten Cameron Crowe die Ära der Entstehung von One Of These Nights „die satanische Country-Rock-Phase“ der Band: „Das waren dunkle Zeiten in Amerika, politisch und musikalisch. Wir haben uns gefragt, wie wir etwas Geschmackvolles schreiben können, mit dieser Art von Beat, das aber trotzdem gefährliche Gitarren enthält. Wir wollten den damaligen Geist einfangen.“ Sein Partner Glenn Frey hält das Werk für die „flüssigste und schmerzfreieste Platte“, die sie jemals gemacht haben, und zeigt sich zufrieden mit der Qualität der Stücke. Generell fusioniert One Of The Nights die wesentlichen Elemente des Eagles-Sounds, nämlich Rock, Country und Folk, auf einem noch höheren Niveau und kombiniert sie mit tollen Gesängen, virtuosem Spiel und cleveren Texten zwischen Desillusion und Hoffnung. Dabei kommt die Rock-Seite stärker zum Vorschein als früher, was nicht allen gefällt: Gründungsmitglied Leadon würde lieber mehr Country spielen…
Die Eagles mit ihrem neuen Gitarristen Joe Walsh (Mitte)
Erste Nummer Eins
One Of These Nights erscheint am 10. Juni 1975 und steigt als erstes Eagles-Album bis ganz an die Spitze. Es wird für einen Grammy („Album Of The Year“) nominiert, auch das Artwork von Boyd „El Chingadero“ Elder wird ein Kandidat für „Best Album Package“. In Deutschland reicht es für Platz 49. Trivia-Freaks dürfen sich über einen Gag auf den ersten Vinyl-Pressungen freuen: In die Auslaufrillen der beiden Seiten lässt die Band die Worte „Don’t worry…“ und „…nothing will be O.K.!“ gravieren. Die Band begibt sich auf die bisher größte Tour ihrer Karriere, unter anderem mit Fleetwood Mac als Vorgruppe. Im Anschluss steigt Bernie Leadon aus und wird durch Joe Walsh ersetzt. Am 25. September 1975 ziert die Truppe sogar das prestigeträchtige Cover des Rolling Stone. Mit ihrer vierten Scheibe haben die Eagles damit endgültig den Durchbruch geschafft – und nehmen Anlauf für eines der erfolgreichsten Alben der Siebziger: Hotel California (1976). Aber das ist mal wieder eine andere Geschichte…
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Zeitsprung: Am 31.7.1980 prügeln sich die Eagles beinahe von der Bühne.
Popkultur
„Diabolus In Musica“: Als Slayer den Faden verloren
Die Neunziger waren eine wilde Zeit für den Metal. Damals drängte der Grunge die Bands der Achtziger an die Seite; der Nu Metal begeisterte eine ganz neue Generation. Da kann man auch als gestandener Bay-Area-Thrasher mal den Fokus verlieren — so wie Slayer auf ihrem achten Album Diabolus In Musica.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Diabolus In Musica von Slayer anhören:
Mitte der Neunziger befinden sich Slayer in einer experimentellen Phase, wie so viele Metal-Bands zu jener Zeit. Der Grunge hat viele der klassischen Metal-Helden reichlich Federn gekostet; nun keimt auch noch der Nu Metal auf. So veröffentlichen Korn am 11. Oktober 1994 ihr gleichnamiges Debüt. Limp Bizkit bringen am 1. Juli 1997 ihr erstes Album Three Dollar Bill, Y’all$ raus. Anfangs versuchen Slayer noch, in dem neuen Genre mitzuspielen und lassen den Nu Metal in ihr achtes Album Diabolus In Musica einfließen. Doch zu Beginn der 2000er merken sie schließlich, dass ihr Trademark-Sound immer noch am besten funktioniert. Eine Rückschau auf eine ungewöhnliche Zeit bei Slayer.
„Diabolus In Musica“: Slayer auf Abwegen
Ihren Anfang nimmt die experimentierfreudige Phase von Slayer mit dem sechsten Album Divine Intervention. Am Schlagzeug sitzt damals zum ersten Mal nicht Dave Lombardo, sondern Paul Bostaph, der von 1985 bis 1992 für die Bay-Area-Thrasher Forbidden getrommelt hatte. Zwar klingen Slayer auf ihrer Sechsten wie Slayer, doch in lyrischer Hinsicht loten sie (noch mehr als sonst) die Extreme aus und landen mit der Platte sogar auf dem Index. Zwei Jahre später veröffentlichen die Kalifornier das Cover-Album Undisputed Attitude, auf dem sie sich vor einflussreichen Bands aus dem Punk- und Hardcore-Bereich verneigen. Am 9. Juni 1998 wird es dann wild.
Für Diabolus In Musica stimmen Slayer ihre Gitarren zum ersten Mal auf C♯ herunter, wie es im Nu Metal nicht unüblich ist. Auch im Songwriting greifen die Thrash-Legenden die neuesten Entwicklungen der Radaumusik auf, was ihnen manchmal gelingt, größtenteils aber fehl am Platz wirkt. Das meiste Material stammt vom inzwischen verstorbenen Gitarristen Jeff Hanneman, der 1998 in einem Interview erzählt: „Als wir das Album geschrieben haben, habe ich etwas gesucht, an dem ich mich abarbeiten kann; ich habe sowas gebraucht, aber gerade beeindruckt mich einfach gar nichts. Nichts klang aggressiv oder heavy genug, also musste ich mir meinen eigenen Scheiß ausdenken.“
Kerry King: „Ich war verbittert.“
Gitarrist Kerry King hingegen steuert zwar ebenfalls mehrere Songs zu der Platte bei, allerdings halbherzig, wie er 2011 in der Doku Metal Evolution einräumt: „Das ist die eine Platte, der ich nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt habe, weil ich verbittert war, was die aktuellen Musiktrends betraf. Ich fand das alles eher dümmlich, aber vielleicht war es deshalb auch so erfolgreich, keine Ahnung.“ Wegen der Verbitterung sei „Diabolus“ von ihm stiefmütterlich behandelt worden und die Band habe den Fokus verloren. „Wenn man zurückschaut, haben wir uns damals nur überlegt, wie wir Slayer an die aktuelle Gesellschaft anpassen können.“ Es sei das Album, das er am wenigsten möge.
An der Kasse funktioniert Diabolus In Musica trotzdem gut. Schon in der ersten Verkaufswoche ab dem 9. Juni 1998 geht die Platte 46.000 mal über die Ladentheke — allein in den USA. (Benannt ist das Album übrigens nach dem berühmten Teufelsintervall, das euch Kollege Markus Brandstetter im verlinkten Text erklärt.) In der Retrospektive gilt „Diabolus“ als vielleicht schwächstes Slayer-Album. Eine Art Comeback aus der Experimentierphase feiern die Kalifornier 2001 mit ihrer neunten Studioveröffentlichung God Hates Us All. Die Platte markiert die Rückkehr der „alten Slayer“ — doch diese Geschichte könnt ihr an anderer Stelle nachlesen.
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Die Alben von Slayer im Ranking — die besten Platten der Thrash-Legenden
Popkultur
Zeitsprung: Am 9.6.1982 trotzen Mötley Crüe einer Bombendrohung. Oder doch nicht?
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.6.1982.
von Christof Leim
1982 machen sich Mötley Crüe auf in den amerikanischen Norden zur Crüesing Through Canada Tour ’82. Seit dem Vorjahr steht ihr erstes Album Too Fast For Love in den Läden, jetzt soll die Musik unter die Leute. Allerdings scheint in Edmonton jemand etwa dagegen zu haben – und droht, die vier Krachmacher in die Luft zu sprengen…
Hört hier in das Mötley-Crüe-Debüt Too Fast For Love rein:
Bei der Polizei von Edmonton geht die die telefonische Drohung ein, das Leben der Musiker sei in Gefahr, wenn sie am 9. Juni 1982 auf die Bühne gehen. An diesem Tag sollen Mötley Crüe ihre dritte Show in einem Club namens Scandals spielen. Doch Bassist und Bandchef Nikki Sixx lässt sich davon nicht beeindrucken und sagt in einem Nachrichtenbeitrag der CBC News: „Uns ist das egal. Wir sind hier, um allen eine gute Show zu bieten. Wer daran keinen Spaß hat, muss sich das nicht anschauen.“
Glücklicherweise verläuft das Konzert ohne Zwischenfall, Mötley Crüe spielen sogar noch zwei weitere Gigs in der Stadt in einem anderen Laden namens Riviera Rock Room. Der Mut der Band hat sich also ausgezahlt und bringt nicht nur 1000 Punkte an „street credibility“, sondern auch Presseberichte in Kanada und zu Hause in Kalifornien.
Mötley Crüe früher. Ganz früh.
Was eine verdammt coole Band also, was? Wirklich? Natürlich nicht. Wie sich später herausstellt, wurde die Bombendrohung vom Management der Truppe lanciert, um Aufmerksamkeit zu generieren. Eine PR-Aktion, nichts weiter, und sie funktioniert hervorragend. Die Show ist eben alles. Dem Tod kommt Nikki Sixx erst fünf Jahre später so richtig nahe, aber das ist eine andere Geschichte (die hier steht).
Immer Chaos
Über zu wenig Action während ihrer Kanadareise können sich Mötley Crüe allerdings nicht beschweren. Das ging schon los am Flughafen von Edmonton, wie Sänger Vince Neil in seiner Autobiografie Tattoos & Tequila schreibt: Bei der Einreise werden die Musiker nämlich erstmal verhaftet. Warum sie in ihrem Bühnenoutfit – Leder, Schminke, High Heels, Haare bis zur Decke – durch die Zollkontrolle laufen, kann drei Dekaden später wohl niemand mehr so richtig erklären. Die kanadischen Behörden stellen sich solche Fragen gar nicht erst und konfiszieren kurzerhand sämtliche Nietengürtel und Lederarmbänder, und Vince darf nicht mal seine Reiselektüre behalten (Playboy, Hustler, wegen der Interviews). Ansonsten gibt es Kloppereien mit Hockeyspielern, die ja in Kanada an jeder Ecke rumstehen, wie man weiß, aber dummerweise besser ausgerüstet sind. Außerdem fliegen ganz klassisch Fernseher aus Hotelfenstern. Man hat ja einen Ruf zu verlieren beziehungsweise aufzubauen. Wir würden uns nicht wundern, wenn das alles ebenso PR-Aktionen gewesen wären. Ein Einschätzung, die Vince Neil übrigens teilt. Immerhin hat sich diesmal niemand selbst angezündet oder als Doppelgänger von Nikki Sixx ausgegeben. Aber so läuft das wohl im Showgeschäft, was?
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Zeitsprung: Am 17.2.1988 zündet sich ein Mötley-Crüe-Fan selber an. Aua!
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6 Anekdoten, die nur aus dem Leben von Keith Moon stammen können
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Zeitsprung: Am 21.4.1959 kommt Robert Smith von The Cure zur Welt.
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Herzschmerz, Todesfälle und der Wunsch nach Frieden: 20 Rockballaden für die Ewigkeit
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