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Popkultur

Zeitsprung: Am 9.5.2000 erscheint „I Disappear“ von Metallica. Vorher gibt es Ärger.

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Metallica I Disappear Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.5.2000.

von Christof Leim

Es gibt nicht viele Außer-der-Reihe-Songs von Metallica. Einer heißt I Disappear und erscheint am 9. Mai 2000 auf dem Soundtrack zum Film Mission: Impossible 2. Schon vorher sorgt die Nummer für gewaltigen, grundlegenden Ärger im Netz, außerdem steht die Band zwölf Stunden auf einem Berg…

Endlich ein neuer Song

Metallica werfen in den ersten zwei Dekaden ihrer Laufbahn üblicherweise nicht mit B-Seiten, C-Ware und Sampler-Beiträgen um sich. Ihre Lieder erscheinen auf den eigenen Platten, den eigenen Singles oder im Rahmen eines sonstigen Bandprojektes. I Disappear bildet als exklusiver Beitrag auf einem Filmsoundtrack eine Ausnahme. Über neuen Stoff dürften sich die Fans damals aber gefreut haben: Das letzte „richtige“ Album Reload von 1997 ist ein paar Jahre her, und Garage Inc. (1998) enthielt nur Coversongs. Das Orchester-Livealbum S&M bot im Frühjahr 2000 immerhin die zwei neuen Nummern No Leaf Clover und – Human.

Metallica

Metallica im Sommer 2000: Jason Newsted, Lars Ulrich, Kirk Hammett und James Hetfield. Foto: Kevin Winter/Getty Images

Stilistisch schlägt I Disappear in die gleiche Kerbe: Dicker Rock, kein Metal, kein Thrash.  Metallica in den Neunzigern eben. Spaß macht der Song trotzdem, vor allem wegen des eingängigen Refrains. Nicht nur strukturell erinnert I Disappear an No Leaf Clover, auch der Text transportiert mit Zeilen wie „As soon as I belong/then it’s time I disappear“ eine ähnlich pessimistische Stimmung wie die Metapher des „keinblättrigen Kleeblatts“. In den deutschen Single-Charts schafft es die Nummer aus der Feder von James Hetfield und Lars Ulrich auf Platz 14, in den US-Billboard-Charts auf 76, in den Mainstream Rock-Charts dort sogar an die Spitze. Feine Sache.

Band auf dem Berg

Die Herren drehen auch ein cooles Video: Dazu werden sie mit dem Helikopter auf ein sonst nicht erreichbares Bergplateau im Monument Valley geflogen und bleiben dort für zwölf Stunden, wie Lars später erzählt. Immer wieder spielen sie zum Song und werden dabei von kreisenden Hubschraubern aus gefilmt. Nahaufnahmen gibt es auch, entweder gedreht aus der Luft, von den Musiker gegenseitig, oder jemand hat sich zwischendurch gut versteckt.

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19 years ago today, April 13 2000, we shot the video for “I Disappear” out in Monument Valley on The Navajo Nation Reservation. Filming took place on top of a sandstone butte that we could only access by helicopter. There was no equipment up there other than the guitars/bass and a simple drum kit .. We started shooting at dawn and about 12 hours later as the day was winding down, the wind had whipped up so much that it blew over the drum kit as you can see in the last few seconds of the video… it was one of the craziest and most surreal days I’ve ever experienced, spending basically the whole day up there as helicopters and various handheld cameras captured the endless run-throughs of the song in this unbelievable and otherworldly scenery. A few days later, I shot the scenes for my vignette in a downtown LA skyscraper. A whole day of full on action sequences, explosions, chaos and mayhem… way fuckin fun.. and a few weeks later, we had one of my all time favorite promo videos and one that I think has not only aged well, but plays as very cool companion piece to “Mission: Impossible 2”, the movie the song was written for. #wanna

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In weiteren Handlungssträngen des Clips gibt es Action: Kirk Hammett muss vor einem Doppeldeckerflugzeug davonrennen, das ihn im Tiefflug verfolgt, Jason Newsted wird von einer Menschenmasse umgerannt, fast überrollt, und James Hetfield brettert in einem fetten schwarzen Camaro über hügelige Stadtstraßen in San Francisco, während hinter ihm etwas (bzw. vieles) explodiert. Die gleiche Detonationswelle trifft auch Lars, der zunächst in einem Hochhaus am Fenster steht und durch Flure sprinten muss, während hinter ihm alles in die Luft geht. Zum Schluss springt er bzw. seine Figur sogar aus einem Fenster im drölfzehnten Stock. Cooler Scheiß, wenn man ehrlich ist. Die meisten Stunts machen die Musiker sogar selber.

Das letzte Mal mit Jason

Filmnerds erkennen vielleicht Zitate berühmter anderer Streifen: Der unsichtbare Dritte (Kirk), Brazil (Jason), Bullitt (James) und Die Hard (Lars). Zwischendurch sieht man Tom Cruise, wie er sich freikletternd auf dieses Bergplateau zubewegt und am Ende des Songs ankommt. Die fette schwarze Karre, die James fährt, darf er nach dem Dreh sogar behalten, drei Jahre später verkauft er sie für einen guten Zweck auf eBay.

Mit I Disappear endet leider ein Stück weit auch die Geschichte von Jason Newsted bei Metallica, denn der Song, der 2. Juni 2000 nochmal als alleinstehende Single erscheint, markiert seine letzte Studioaufnahme, der Clip sein letztes Video mit der Band. Ein Dreivierteljahr später steigt er aus.

Ärger im Internet

Die nachhaltigste Wirkung hat I Disappear allerdings aus einem anderen Grund: Die Nummer ist noch gar nicht fertig, da laufen schon Vorabversionen auf diversen US-Radiostationen. So ein Leak ist schon ärgerlich genug, aber dann auch noch ein unfertiger Song? Metallica sehen genauer hin: Als Quelle wird der Filesharing-Anbieter Napster ausgemacht, wo sich auch der komplette sonstige Katalog der Band findet. Daraufhin knallt’s.

Als eine der wenigen Bands, die die Möglichkeiten und vor allem den Mut haben, gehen Metallica gegen Napster vor – und schaffen einen wichtigen Präzedenzfall, weil hinter Filesharing nichts anders steckt als massiver Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem die Welt, die Fans und die Tonträgerindustrie nicht klug umgehen. Die Folgen sind massiv und vor allem negativ, wie sich in den Nuller Jahren an allen Ecken des Musikkosmos spüren lässt. Metallica und vor allem ihr Sprachrohr Lars Ulrich machen sich mit dieser Aktion zunächst massiv unbeliebt, die allermeisten ihrer Kollegen und Kolleginnen sind jedoch komplett gleicher Meinung, sagen aber nichts. Immerhin Lemmy Kilmister bringt es auf den Punkt: „Diebstahl ist Diebstahl“. Die ganze Geschichte zu „Metallica vs. Napster“ könnt ihr hier nachlesen:

Zeitsprung: Am 13.4.2000 verklagen Metallica den Filesharing-Dienst Napster

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