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Popkultur

„Eye Of The Tiger“: Wie Survivor 1982 „Rocky III“ anfeuern

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Survivor
Foto: Paul Natkin/Getty Images

Links, rechts, paff, paff! Wenn sich Rocky Balboa im Boxring prügelt, muss die Musik dazu Schlagkraft besitzen. Doch Survivor schaffen mit „Eye Of The Tiger“ den perfekten Song zum Film. Am 8. Juni 1982 erscheint das gleichnamige Album.

von Christof Leim

Hier könnt ihr euch das Album Eye Of The Tiger anhören:

„Hey Jim, hier ist Sylvester Stallone. Ruf mich an!“ Jim Peterik, Keyboarder und Songschreiber der US-Melodic-Rocker Survivor, staunt nicht schlecht, als er Ende 1981 die Stimme des Schauspielers auf seinem Anrufbeantworter hört. Stallone hatte sich 1976 mit dem ersten Film der Rocky-Reihe ein Denkmal gesetzt und drei Oscars eingefahren; Rocky II setzte 1979 die Erfolgsgeschichte fort und machte Stallone zu einem der größten Kinostars der Welt. Und dieses Schwergewicht bittet nun um einen Rückruf.

Ein sagenhaftes Angebot

Peterik und sein Gitarrist Frankie Sullivan klemmen sich sofort ans Telefon und erfahren, dass Stallone Musik sucht für den dritten Teil der Rocky-Balboa-Saga. Der Amerikaner, der bei diesen Filmen auch Drehbuch und Regie übernimmt, hatte sich eigentlich Another One Bites The Dust von Queen ausgesucht, aber eine Abfuhr erhalten. Weil ihm die Single Poor Man’s Son vom damals gerade aktuellen zweiten Survivor-Album Premonition so gut gefällt, meldet er sich bei der Band, die über ein paar Chartplatzierungen im Mittelfeld bisher nicht hinausgekommen ist. Als hilfreich erweist sich die Tatsache, dass sein singender Bruder Frank Stallone bei der gleichen Plattenfirma wie Survivor unter Vertrag steht.

Sylvester Stallone macht den beiden Musikern ein sagenhaftes Angebot: Er möchte, dass sie das Titelstück für den Film Rocky III schreiben, der im folgenden Jahr in Kinos weltweit gezeigt werden wird. Eine Hymne wie Poor Man’s Son soll es werden, „mit einem Pulsschlag“, wie sich der muskelbepackte Schauspieler ausdrücklich wünscht. „Könnt ihr das?“, fragt er. Peterik und Sullivan erhalten einen dreiminütigen Ausschnitt des Streifens, in dem sich Rocky mit Clubber Lang (gespielt von Mr. T) einen heftigen Schlagabtausch liefert – noch zu den Klängen von Another One Bites The Dust. „Das war einfach unglaublich, diese Energie!“, wird Peterik später etwa im Classic Rock-Magazin zitiert.

Passende Links-Rechts-Kombination

Die beiden Songwriter ersinnen ein pumpendes Stakkato-Riff, das die Faustschläge der Boxer wiedergeben soll. Man höre nur mal das Intro und denke im Kopf: „Links…. links-rechts-links…links-rechts-links…“. Das passt! Ein bisschen bedienen sich die Survivor-Jungs dabei auch bei ihrem eigenen Lied Youngblood von ihrem 1979er-Debütalbum, das einen ähnlichen Anfang aufweist.

Den Titel ziehen sie aus einem zentralen Zitat der Rocky-III-Geschichte: Als nämlich der Boxstar vor lauter Erfolg und Geld weich zu werden droht, ermahnt ihn sein Trainer Mickey Goldmill (gespielt von Burgess Meredith): „Stay focused and keep the eye of the tiger!“, also: „Du musst das Auge des Tigers behalten!“ Als Titel für einen dramatischen Song über dramatische Kämpfe ist das natürlich pures Gold, mit allem Kitsch und Pathos, der dazu gehört. (Wer das doof findet, soll Reclam-Heftchen lesen, darf aber auch nie, nicht mal zum Spaß „Adriaaaaan!“ rufen. Echt.)

Voll „Straße“

Entsprechend fällt natürlich der Text aus: Survivor besingen einen „toughen“ Protagonisten, der irgendwie auf der Straße unterwegs ist, sich hoch- oder durchgekämpft hat und weiterhin nicht, niemals, auf gar keinen Fall aufgibt. So was in der Art. Denn spezifischer wird’s nicht, reicht aber völlig. Ehrlich jetzt, das muss so. Und der Name der Band taucht auch immer wieder auf – clever. Dazu gibt es einen ausdrucksstarken Ohrwurm-Chorus, gesungen von Dave Bickler, und fertig ist ein: Knaller.

Stallone ist begeistert. Er lässt noch eine dritte Strophe schreiben, für den Film wird aber – schnell, schnell – die Demoversion verwendet. Die Single Eye Of The Tiger erscheint am 31. Mai 1982, einen Tag nach dem Kinostart, und läuft für die nächsten Wochen und Monate als Dauerbeschallung im Musikfernsehen und Rockradio. Survivor haben einen veritablen Hit gelandet und erreichen Platz eins in den USA, Großbritannien, Japan und sechs weiteren Ländern. (In Deutschland Rang 13.) Außerdem können sie einen Grammy für „Beste Rock-Performance“ einfahren.

Das Album fast als Beiwerk

Das Stück eröffnet auch das gleichnamige dritte Survivor-Album, das eine Woche später erscheint und wenig überraschend bis auf den zweiten Rang der Hitparade klärt. Natürlich wird die Platte vom Titelstück regelrecht dominiert, was man zum Beispiel heutzutage an Streamingzahlen sieht: Das Tigerlied steht auf Spotify im Juni 2022 bei 850 Millionen (!), die zweite Single Ever Since The World Began bei 21 Millionen. In dieser Powerballade besingen Sullivan und Peterik den Kampf einer nahestehenden Person gegen Krebs; große Charterfolge können sie nicht erzielen. Die dritte Auskopplung American Heartbeat schafft es auf Platz 17 in den USA.

Die Band betourt daraufhin die ganze Welt und erhält drei Jahre später noch einen Anruf von Stallone höchstselbst, der Musik für Rocky IV sucht. So entsteht The Burning Heart, quasi eine Neuauflage von Eye Of The Tiger mit ähnlich pumpender Basslinie, wie sie für die Achtziger typisch ist. Verwunderlicherweise taucht das „Tigerauge“ nochmal prominent in einem Film auf, einem sogar gleichnamigen Action-Drama von 1986 mit Gary Busey, das wenig Wellen schlägt.

Noch später müssen Sullivan und Peterik sich dann mit einer Reihe hart konservativer republikanischer Politiker rumschlagen, die das Lied ohne Rückfrage für ihre Kampagnen verwenden. Die beiden Musiker schieben dem einen Riegel vor und erreichen vermutlich nicht unlukrative außergerichtliche Einigungen. Dem Kultstatus ihrer Komposition schadet das natürlich nicht: Vier Dekaden später ist Eye Of The Tiger ein Klassiker des Melodic Rock, den wir alle, alle kennen und der weiter ein quicklebendiges Leben auf den entsprechenden Kanälen führt. Das mit dem Pulsschlag – das haben Survivor zweifelsohne geschafft.

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