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Popkultur

Vom Geschäft aufgefressen: Wie Soundgarden auseinanderbrachen

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Chris Cornell of Soundgarden
Titelfoto: Rob Verhorst/Redferns/Getty Images

In einem ohnehin düsteren Genre waren sie die Düstersten: Soundgarden gehören ohne Zweifel zu den härtesten und versiertesten Vertreter*innen des Grunge. Mitte der Neunziger rutscht die Gruppe schleichend in eine Krise, am 8. April 1997 geben die Legenden ihre Auflösung bekannt. Für immer verabschieden sich Soundgarden an jenem Tag aber noch nicht.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Down On The Upside von Soundgarden anhören:

Als Soundgarden im Jahr 1995 die Arbeit an ihrer fünften Platte Down On The Upside aufnehmen, liegt die Messlatte mehr als hoch. Mit dem Vorgänger Superunknown (1994) war die Band mühelos auf Platz eins der US-Charts gelandet, satte fünf Single-Auskopplungen brachte die Gruppe im Zuge der Veröffentlichung unter die Leute. Doch statt ein Album später mit einem ähnlichen Nachfolger auf der Erfolgswelle zu surfen, erfinden sich die Grunge-Legenden neu und wagen jede Menge Experimente. Der Verdruss holt die Musiker später trotzdem ein. Doch beginnen wir vorne.

Selbst ist die Band

Sommer 1995: Die Veröffentlichung von Superunknown liegt mehr als ein Jahr zurück, Soundgarden haben eine ausschweifende Tournee hinter sich und die ersten neuen Kompositionen für die nächste Platte stehen auch bereits. Den Festival-Sommer nutzt die Band, um das neue Material schon einmal auf der Bühne zu erproben. Anschließend legen die Musiker um Sänger Chris Cornell noch einen Songwriting-Monat ein, um die neuen Stücke zu verfeinern — allerdings nicht zu sehr, damit die Live-Atmosphäre nicht verloren geht. Soundgarden haben nämlich einen Plan.

Down On The Upside soll rauer klingen, weshalb die Band auch auf einen Produzenten verzichtet. „Ein fünfter Typ ist der eine Koch zu viel, der den Brei verdirbt“, kommentiert Frontmann Cornell diese Entscheidung. „Dabei müssen zu viele gedankliche Wege beschritten werden und das verwässert die Sache.“ Schlagzeuger Matt Cameron sieht das ähnlich und ergänzt, dass der Aufnahmeprozess von Superunknown „ein wenig mühsamer war, als er hätte sein müssen“.

Down On The Upside: Weniger Härte, mehr Experimente

Soundgarden mieten sich in zwei Studios in ihrer Heimatstadt Seattle ein, im November 1995 beginnen die Sessions zu Down On The Upside. Am Mischpult sitzt die Band wie geplant selbst. Schützenhilfe beim Mix leistet Erfolgsproduzent Adam Kasper. Kleinere Fehler bessern Soundgarden explizit nicht aus, weil ein „richtiger“ Produzent das getan hätte. In musikalischer Hinsicht gehen die Grunge-Helden weniger ruppig zur Sache als auf ihren ersten Werken. Damit können sich nicht alle Bandmitglieder anfreunden.

Auf Down On The Upside starten Soundgarden den Versuch, aus alten Mustern auszubrechen. Weniger Härte, weniger Düsternis, dafür mehr Sound-Wagnisse: Durch Mandolinen-Experimente und alternative Gitarrenstimmungen wirkt die Band gelöster, verzichtet aber auch auf ihren Trademark-Sound. Gitarrist Kim Thayil hält davon herzlich wenig, mehrfach gerät er wegen der neuen Ausrichtung mit Cornell aneinander. Bassist Ben Shepherd bezeichnet Down On The Upside in einem Interview hingegen als „das genaueste Bild dessen, wie Soundgarden eigentlich klingen“. Doch die Querelen innerhalb der Gruppe sind ein Vorbote auf das, was tragischerweise folgt.

Eine Tour mit Folgen

Als Soundgarden 1996 mit Metallica an der Lollapalooza-Tour teilnehmen, bröckelt die Stimmung innerhalb der Band weiter. Cornell und Co. nehmen separate Flüge zu den Shows und sehen sich nur auf der Bühne. Die anschließende Welttournee mit Moby läuft nicht besser. „Bis zu einem gewissen Punkt genießen wir das Touren“, erzählt Sänger Cornell Anfang 1997 in einem Interview mit Kerrang!. „Doch dann wird es langweilig, weil sich alles wiederholt. Man hat das Gefühl, dass die Fans ihr Geld bezahlt haben und erwarten, dass man rauskommt und ihnen die Songs so vorspielt, wie man sie zum ersten Mal gespielt hat. Das ist der Punkt, ab dem wir das Touren hassen.“

Den traurigen Höhepunkt erreicht die Konzertreise am letzten Abend. Am 9. Februar 1997 spielen Soundgarden in Honolulu auf Hawaii und zusätzlich zu den Spannungen innerhalb der Band treten auch noch technische Probleme auf. Das macht Bassist Shepherd so wütend, dass er sein Instrument in die Luft wirft und die Bühne verlässt. Auch die restliche Gruppe zieht sich zurück, Cornell beendet den Abend mit einer Solo-Zugabe. In den folgenden Wochen brodelt die Anspannung weiter, Schlichtungsversuche scheitern. Die Probleme führen schließlich dazu, dass Soundgarden eine radikale Entscheidung treffen: Am 8. April 1997 geben die Grunge-Legenden nach mehr als zehn Jahren ihre Auflösung bekannt.

„Vom Business aufgefressen“

„Es war ziemlich offensichtlich, dass jeder von uns im Lauf des letzten halben Jahres unzufrieden war“, berichtet Gitarrist Thayil im Februar 1998 in einem Interview mit Guitar World. Schlagzeuger Cameron gibt dem Musikgeschäft die Schuld und bezeichnet Soundgarden als „vom Business aufgefressen“. Tatsächlich dürfte es viele unterschiedliche Gründe für die Auflösung von Soundgarden gegeben haben, doch das ändert leider nichts an einer schmerzlichen Tatsache: Die Band hinterlässt eine Lücke, die sich nicht einfach schließen lässt. Erst 1999 meldet sich Frontmann Cornell mit dem Solo-Album Euphoria Morning zurück. Doch das ist noch nicht alles.

Im Mai 2001 tritt Chris Cornell der Supergroup Audioslave bei, die bis dato aus den drei ehemaligen Rage-Against-The-Machine-Mitgliedern Tom Morello (Gitarre), Tim Commerford (Bass) und Brad Wilk (Schlagzeug) besteht. Drei Alben veröffentlichen die Musiker, 2007 steigt Cornell wieder aus und Audioslave lösen sich auf. Auch die anderen ehemaligen Soundgarden-Mitglieder wirken an unzähligen spannenden Projekten mit. Zum großen Knall kommt es allerdings am 1. Januar 2010: Via Twitter gibt Cornell nach zwölf Jahren Pause die Reunion von Soundgarden bekannt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2017 gibt die Band noch einmal alles — doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.

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