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Popkultur

„Midnight Rambler“: Die Geschichte hinter der düsteren Mini-Blues-Oper der Rolling Stones

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Foto: J. Wilds/Keystone/Getty Images

Der idyllische Küstenort Positano, gelegen an der wunderschön hügeligen Amalfiküste in Kampanien, hatte schon John Steinback inspiriert: „Positano geht richtig unter die Haut“, schrieb der Autor einst. „Es fühlt sich nicht real an, wenn du dort bist, und es wird verlockend real, wenn du diesen Ort wieder verlassen hast.“

von Martin Chilton

Auch in der Geschichte der Rolling Stones spielt die südlich von Neapel gelegene Küstengemeinde, für die übrigens auch Pablo Picasso und Tennessee Williams schwärmten, eine wichtige Rolle, denn Keith Richards und Mick Jagger verbrachten hier im Jahr 1968 ihren Urlaub. Aus irgendeinem Grund inspirierte gerade die paradiesische, sonnige Mittelmeerszenerie die beiden dazu, einen abgründigen Song über einen Serienmörder zu verfassen – den „midnight rambler… pouncing like a proud black panther“.

„Niemand sonst hätte diesen Song schreiben können“

Midnight Rambler ist ein Song, den Keith und ich wirklich gemeinschaftlich geschrieben haben“, erinnerte sich Jagger im Jahr 1995. „Wir waren da gerade im Italienurlaub. Verbrachten ein paar Nächte in diesem absolut wunderschönen, hügeligen Örtchen namens Positano. Weshalb wir einen dermaßen düsteren Song ausgerechnet an so einem hübschen, so sonnigen Ort komponierten, kann ich ehrlich gesagt auch nicht sagen. Aber wir schrieben das gesamte Stück dort – selbst die Tempowechsel, einfach alles. Ich spiele die Harmonika in diesen kleinen Cafés, und dann gesellt sich Keith mit seiner Gitarre dazu…“

Der Song, der im Jahr drauf auf dem Album Let It Bleed (1969) erscheinen sollte, war lose an die Geschichte des „Würgers von Boston“ angelehnt: Der wirkliche „Boston Strangler“, bürgerlich Albert DeSalvo, hatte zwischen 1962 und 1964 dreizehn Frauen in der US-Metropole erdrosselt. Als „Midnight Rambler“ hatten die Zeitungen den gefürchteten Killer daraufhin in ihren Schlagzeilen bezeichnet, und nun war Jagger für diesen Song kurzerhand in dessen Rolle geschlüpft, war selbst zum Würger geworden. Sein Kollege Richards bezeichnete das immerhin sieben Minuten lange Ergebnis als „eine Blues-Oper“. Auch war er sich sicher, dass diese Zusammenarbeit mit Jagger so einzigartig war, dass „niemand sonst diesen Song hätte schreiben können.“

Foto: Ethan Russell/ABKCO

Midnight Rambler: „Richtig schön kitschig“

Die Studioaufnahme von Midnight Rambler entstand schon im Frühjahr 1968 im Rahmen der äußerst produktiven Sessions für das Beggars-Banquet-Album, wurde dann aber für den Nachfolger Let It Bleed zurückgehalten. Das zum 50. Jubiläum als limitierte Deluxe-Edition erhältliche Let-It-Bleed-Album erschien ursprünglich am 05. Dezember 1969 bei Decca Records.


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Für das legendäre Cover der LP zeichnete der befreundete Grafikdesigner Robert Brownjohn verantwortlich: Darauf zu sehen ist unter anderem eine Torte, die eine damals noch sehr junge Kochbuchautorin namens Delia Smith hergestellt hatte (Smith ist seither zu einer TV-Koch-Ikone in England avanciert). Die Stones hatten ihr den Auftrag gegeben, dafür eine „richtig schön kitschige“ Torte zu produzieren. Als Dankeschön schickte Jagger ihr hinterher eine signierte und gerahmte Kopie des Albums.

„Ich liebe es, den zu spielen“

Die Produktion von James Miller vereint den düsteren Beigeschmack von Sympathy For The Devil mit jenen Chicago-Blueselementen, die man von einigen früheren Stones-Songs aus den Sechzigern kennt. Während Jagger im Verlauf des Songs immer wieder an der Mundharmonika glänzt, wird Richards’ Gitarrenspiel von Charlie Watts’ grandiosem Schlagzeug unterfüttert. Die Bassläufe des Songs, der von seinen Tempowechseln definiert wird, steuerte Bill Wyman bei.

Für Brian Jones, der hier die Congas spielte, war Midnight Rambler die allerletzte Aufnahme mit den Stones. Die Drogenprobleme des Gründungsmitglieds waren an diesem Punkt bereits vollkommen aus dem Ruder gelaufen, und im Juni 1969 verkündete er schließlich seinen Ausstieg aus der Band. Einen Monat später wurde der 27-Jährige tot aufgefunden.

Seither gilt Midnight Rambler als eines der absoluten Highlights ihrer Liveshows, weil Richards den Song nicht selten mit umwerfenden Gitarreneinlagen und -solos ausschmückt. „Ich liebe es, den zu spielen“, kommentierte er einst. „Und wenn dann das Publikum richtig mit einsteigt, entsteht da eine Energie, die einen komplett umhaut.“

Zeitsprung: Am 19.7.1989 rebelliert eine Kleinstadt gegen die Rolling Stones.

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