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Popkultur

Interview mit Suzi Quatro: „Mein Zweitname ist Ärger“

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Suzi Quatro
Foto: Tina K.

Letztes Jahr ist Suzi Quatro 70 Jahre jung geworden. Ihr neues Album The Devil In Me straft diese Zahl mit furiosen, hungrigen Songs aus Detroit Rock City Lügen. Im Interview spricht die Rock-Königin gewohnt gut gelaunt über die Zusammenarbeit mit ihrem Sohn, ihre Heimat Detroit und diese Sache mit Elvis.

von Björn Springorum

Seit 57 Jahren steht sie auf der Bühne, seit 1973 veröffentlicht sie unter dem Namen Suzi Quatro Platten. Sie ist eine, die alles gemacht, alles gesehen hat. Eine Sache wie eine globale Pandemie ist dann aber selbst für sie etwas Neues. Ist natürlich kein Grund, sich davon aus der Bahn werfen zu lassen.

Suzi, dir scheint selbst eine Pandemie nicht den Wind aus den Segeln zu nehmen: Wenn du schon nicht touren kannst, dann nimmst du eben The Devil In Me auf, ein richtig starkes, archetypisches Suzi-Quatro-Album. Du machst also wirklich Limo, wenn dir das Leben Zitronen gibt?

Jeder Mensch ist anders gestrickt, doch bei mir ist mein Glas immer halbvoll. Das bin ich, unerschütterlich, übertrieben optimistisch. 2020 hat mich natürlich auch erwischt, uns alle hat es erwischt. Doch sobald ich mich justiert hatte, war mir klar, dass ich meine ganze Energie in ein neues Album legen und dass ich dieses Album erneut mit meinem Sohn Richard schreiben würde. Aus Vorsehung oder einfach nur durch pures Glück hatte ich mir kurz vor dem ersten Lockdown ein eigenes Studio gebaut. In das zogen wir uns zurück – mein Sohn im Technikraum, ich draußen auf der Veranda. So fingen wir an. Wir schrieben und spielten und nahmen auf und probierten aus. Irgendwann war nicht nur irgendein Album fertig; sondern eine Platte, die ich persönlich für meine beste halte.

„Mein Sohn hatte eine beunruhigend genaue Vorstellung davon, wie seine Mutter zu klingen hat.“

Mit Richard Tuckey hast du schon No Control geschrieben. Wie sieht eure Zusammenarbeit aus?

Beim letzten Album war es natürlich für uns beide eine völlig neue Arbeitsweise, weil wir noch nie zuvor zusammen Musik gemacht hatten. Diesmal wussten wir schon, wie wir funktionieren. Richard nahm aus den Aufnahmen zum letzten Album unglaublich viel Selbstvertrauen mit und brachte sich richtig ein. Mein Sohn hatte eine beunruhigend genaue Vorstellung davon, wie seine Mutter zu klingen hat. (lacht) Sein Plan: Er wollte ein wegweisendes Werk wie mein Debüt schreiben. Erfüllte ein Song diese Voraussetzungen nicht, schmiss er ihn weg. Anfangs war ich noch so „Wer zum Teufel denkst du eigentlich, dass du bist?“-mäßig unterwegs, aber irgendwann musste ich einsehen, dass seine Vorgehensweise beeindruckend und seine Vision die richtige war. Zudem machte er das ja für mich, und nicht für sich. Also beschloss ich, ihm zu vertrauen. Und irgendwie schaffte er es tatsächlich, das alte Suzi-Quatro-Feuer wieder zu entfachen. Das Verstörende daran ist: Ich dachte ja eigentlich, dieses Feuer brennt noch. (lacht)

Ist The Devil In Me also ein Stück weit auch die Suzi Quatro, wie ihr Sohn sie sieht?

Ja. Richard sah mich schon als kleiner Junge auf der Bühne. Er wuchs auf mit einer Mutter, die Musik machte und Konzerte spielte. Er hat ein sehr präzises Bild von mir, das mir jetzt sehr viel Schub gibt. Dieser Blick von außen hat mir sehr gut getan.

„Wenn wir zusammen arbeiten, ist Richard nicht mein Sohn.“

Ist es nicht schwer, mit dem engsten Familienkreis zu arbeiten? Den eigenen Sohn kann man zumindest nicht so leicht feuern wie einen Produzenten oder einen Studiomusiker…

Ich denke, da hilft mir mein musikalischer Background. Du darfst nicht vergessen, ich wuchs in einer sehr musikalischen Familie auf, spielte mit meinen Schwestern in meiner ersten Band. Ich kenne es also gar nicht anders, als mit meiner Familie zu arbeiten. Wenn ich Musik mache, spielen Beziehungen oder Verwandtschaftsgrade keinerlei Rolle. Sie bleiben draußen vor der Tür oder fern der Bühne. Wenn wir zusammen arbeiten, ist Richard nicht mein Sohn.

Wie kam es denn eigentlich zu dieser Zusammenarbeit?

Richard macht ja auch schon lange Musik, geriet mit seiner Band vor einigen Jahren aber in eine Sackgasse. Ich riet ihm, sich einen anständigen Job zu suchen – wohl wissend, dass er es dann nur noch vehementer mit der Musik versuchen würde. Umgekehrte Psychologie, ich kennen meinen Sohn. (lacht) Irgendwann schlug er vor, dass wir zusammen schreiben. Er hängte sich so rein, kanalisierte all seine Energie, seine Frustration und sein Talent – und wir merkten beide recht erstaunt, dass es funktionierte. Ich bin bis heute überrascht und baff, was er alles in sich hat. Ich wusste es einfach nicht, weil er es nie zeigte.

Das Internet behauptet hartnäckig, dass du es bis heute bereust, eine Einladung von Elvis nach Graceland ausgeschlagen zu haben. Um ehrlich zu sein, wirkst du mir aber nicht wie eine Künstlerin, die Dinge bereut…

Das ist das Problem mit Wikipedia, ich sagte nie, dass ich es bereue! Im Gegenteil: Ich glaube fest daran, dass alles aus einem ganz bestimmten Grund geschieht. Ich war damals nicht bereit, Elvis zu treffen, so einfach ist das. So bleibt er meine gesamte Karriere über als Inspiration auf meiner Schulter sitzen. Hätte ich ihn getroffen, hätte ich wahrscheinlich nie Singing With Angels geschrieben, mein Tribut an ihn. Es sollte nicht sein, Elvis sollte wohl auf ewig mein spiritueller Ratgeber aus der Ferne bleiben. Meine Inspiration.

„Wir drücken eher aufs Gas als zu bremsen.“

Inspiration ist ein gutes Stichwort: In Motor City Riders huldigst du deiner alten Heimat Detroit. Warum lässt dich diese Stadt nicht los?

Darüber unterhalte ich mich regelmäßig mit Alice Cooper oder den MC5. Ich habe so viel über Detroit gesprochen, so viel über diese Stadt nachgedacht, und ich glaube, es sind die Abgründe, die Detroit so besonders machen. In dieser Stadt herrscht eine gefährliche Energie, eine ganz eigene Intensität, die ich nirgendwo anders gespürt habe. Wer aus Detroit kommt, wird das sein ganzes Leben in sich tragen. Wir drücken eher aufs Gas als zu bremsen. Die Rocker und Motown, weiß und Schwarz, alles lief Hand in Hand, entwickelte sich auf Augenhöhe nebeneinander. Detroit steht ständig unter Strom, die Stadt brummt vor Elektrizität. Ich lebe nicht mehr dort, doch Detroit wird für immer mein Zuhause sein.

Das sieht Alice Cooper ganz ähnlich. Er hat ja gerade erst seine Detroit Stories veröffentlicht…

Oh ja, Alice wollte mich für ein Duett auf der Platte haben. Der Produzent meinte dann aber, dass für mich wohl nur einige Zeilen vorgesehen wären. Ich sagte dann dankend ab. Das hat für mich nichts mit einem Duett zu tun.

„Ich habe sehr viel gekämpft und den Frauen nach mir viele Türen geöffnet.“

Das klingt so, als müsste Suzi Quatro auch mit 70 noch gegen die Männerwelt kämpfen.

Natürlich muss sie das! (lacht) Ich habe sehr lange und sehr viel gekämpft und den Frauen nach mir viele Türen geöffnet. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie jetzt auch alle geöffnet sind.

Du hast schon als junges Mädchen Konzerte gegeben. Hättest du damals in den Sechzigern gedacht, dass du mit 70 noch ein neues Album veröffentlichen würdest?

Ich stehe seit 57 Jahren auf der Bühne. Als ich mit 15 Jahren mein erstes Konzert in New York gespielt hatte, rief ich meinen Vater aus dem Hotelzimmer an und sagte ihm, dass ich nicht die Schule fertig machen, sondern den Rest meines Lebens Musik machen wollte. Ich wollte damals nicht nur für fünf Minuten in diesem Business sein, sondern nie wieder etwas anderes tun.

Wie war dieser Anruf?

Oh, das ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Als ich meinem Dad eröffnete, dass ich die Schule schmeißen wollte, um Musikerin zu werden, wurde er sehr ruhig. Suzi, sagte er dann, gibt es irgendetwas, womit ich deine Meinung ändern kann? Ich verneinte und er legte ganz sanft und leise auf. Er knallte den Hörer nicht auf die Gabel, was es mir natürlich viel leichter gemacht hätte. Nein, er legte ganz leise auf. Sehr clever. Ich saß bestimmt 15 Minuten neben dem Telefon und dachte noch mal alles durch. Traf ich die richtige Entscheidung? Pause, Pause, Pause… ja, verdammt, natürlich! (lacht) Es war sehr gut, dass er so reagierte, weil er mich zwang, mich noch mal auf den Prüfstand zu stellen. Danach war ich nur noch entschlossener. Kein Weg zurück.

Letzte Frage: Welchen Teufel meinst du im Albumtitel The Devil In Me?

Meine Mutter sagte früher immer: Du bist ein Engel – aber nur solange bis dein Heiligenschein herunterrutscht und zur Schlinge wird. Ich war wohl zugleich das süßeste und schelmischste Kind aller Zeiten. Und irgendwie bekomme ich das nicht raus. Mein Mann sagt immer, mein Zweitname ist Ärger. Und damit kann ich gut leben. (lacht)

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