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Popkultur

Review: Alice Cooper schickt Liebesgrüße aus Detroit

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Alice Cooper
Foto: earMUSIC/Jenny Risher

Es war einmal in Michigan: Mit seinen Detroit Stories huldigt ein furioser Alice Cooper den musikalischen Monumenten seiner Heimatstadt. Die Monster und das Kunstblut bleiben da ausnahmsweise mal im Schrank.

von Björn Springorum

Hört hier die Detroit Stories:

Alice Cooper und Detroit, das ist eine Liebesgeschichte der bärbeißigen Sorte. Desillusioniert von Los Angeles und dem sterbenden Hippie-Traum lässt er die langen Schatten Kaliforniens hinter sich und findet ein neues Zuhause in der Motor City. Die Stadt ist damals wie heute ein hartes Pflaster, ein Schmelztiegel aus Benzin, Musik und Qualm, ein Brennofen kompromissloser Musik. Zwischen Motown-Soul und gefährlichem Hard Rock entwickelt er weniger einen Sound als ein Lebensgefühl. Eine Haltung.

Ein halbes Jahrhundert später ist Alice Cooper immer noch da. Mit seinen Detroit Stories erbaut er seiner Stadt ein ehrliches Arbeiter-Rock-Denkmal, dessen Fundament er schon 2019 mit der Breadcrumbs-EP legte. Es muss ihm derart großen Spaß gemacht haben, den Alice der Siebziger aus den Ruinen der Stadt auszugraben, dass er gleich noch mal einige Schippen an Street-Cred, Kumpelhaftigkeit und rotziger Attitüde drauflegt. Ein ganzes Album für Detroit, entstanden in Detroit und eingespielt mit Musikern aus Detroit. An der Gitarre steht Wayne Kramer, der legendäre Songwriter von den MC5, die Drums werden von Johnny Badanjek (Detroit Wheels) bearbeitet, den Bass massiert die Ikone Paul Randolph, produziert wurde – natürlich – von Bob Ezrin.

Schwarze und Weiße koexistieren

Schon die Besetzung zeigt ein archetypisches Element der Stadt: Schwarze und Weiße spielen gemeinsam in Bands, koexistieren friedlich. Der Schwarze Soul und der weiße Rock, sie beide entstammen den dunklen Hintergassen und Kellern dieser Stadt. Man tolerierte sich, feuerte sich gegenseitig an, besuchte die Konzerte der jeweils anderen. Auch davon erzählt Detroit Stories: Von Respekt und Akzeptanz, von Synergieeffekten zwischen den Musikkulturen. In den letzten Tagen des Black History Month sollte man derlei gute Beispiele nicht aus den Augen verlieren. Es geht eben auch anders.

Das Fundament des Albums ist natürlich der kernige, turbulente, punkig angehauchte, schnurrende, motorisierte Rock-Sound, für den diese Stadt steht. Nicht zuletzt wegen der Besatzung bekommen diese Detroit Stories aber auch ein gerüttelt Maß an Funk und Soul ab. Im Doppel Social Debris und $1000 High Heel Shoes wird das besonders deutlich: Hier noch aufrührerische, trotzige Außenseiter-Hymne, da schwüle Bläser und funky Sinnlichkeit. Detroit klang aber eben immer schon ein bisschen härter, ein bisschen krasser, ein bisschen versatiler als die Rock-Bands der Ostküste oder Westküste. Auch das spiegelt diese wunderbare Hommage an ein ewiges Sorgenkind der Vereinigten Staaten.

Der Skyline und den Feuern entgegen

Natürlich ist hier keine kettenrauchende, Bourbon vernichtende Gang aus jungen Misfits auf der Flucht vor dem Gesetz. Das will Alice Cooper aber auch gar nicht. Mit 73 Jahren hat er einfach Bock, noch mal vor dem Sound in die Knie zu gehen, der ihn genährt, berauscht, berühmt gemacht hat. Entsprechend röhrt Detroit Stories wie ein amerikanischer Schlitten auf der M-1, der Skyline und den Feuern Detroits entgegen. Dass das nicht neu klingt, ist keine Kritik und liegt natürlich in der Natur der Sache. Alice Cooper scheint diese Verjüngungskur jedenfalls gut zu tun: Er wirkt gesanglich so beweglich, agil und spritzig wie lange nicht. Starkes Ding einer starken Band, geschmiedet in einer starken Stadt, die allen Unkenrufen zum Trotz noch steht.  Wenn Alice Cooper sie mit seinen Geschichten jetzt nicht einreißt.

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