Popkultur
Zeitsprung: Am 4.2.1948 kommt Alice Cooper zur Welt. So viele Geschichten…
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.2.1948.
von Christof Leim
Der große Alice Cooper – Schocker Nr. 1 und wandlungsfähigster aller Rockstars – feiert am 4. Februar Geburtstag. Und der Mann macht keine Anstalten, sich zur Ruhe zu setzen. Seit sage und schreibe fünf Dekaden (!) erfreut er uns mit theatralischen Shows, Horrorgeschichten und vor allem mit hervorragender Krachmusik. Alice Cooper hat alles gesehen: Die abgedrehten Sechziger, exzessiven Siebziger und künstlichen Achtziger, die Verklemmtheit der Moralapostel und die Dekadenz des Rock’n’Roll. Himmel, der Mann hat Platten aufgenommen, an die er sich selbst nicht mehr erinnern kann. Er hat sich auf der Bühne köpfen lassen, mit Schlangen hantiert und eine ganze Latte an unsterblichen Hits produziert. Wir sagen: Happy Birthday, Alice, du Lieblingsfreak!
Dreht hier Alice Cooper auf und lest weiter:
Über Alice Cooper kann man Tausende Geschichten erzählen. Suchen wir uns die besten aus: Eigentlich heißt er ja Vincent Damon Furnier. Geboren wurde er am 4. Februar 1948 in Detroit geboren, und zwar als Sohn eines Pfarrers. Aus seiner ersten Krachkapelle, gegründet mit 16, wird über Umwege Alice Cooper. So heißt verwirrenderweise nicht nur die Band, sondern auch ihr Sänger. Im Song Be My Lover singt er Jahre später: „She asked me why the singer’s name was Alice/ I said listen, baby, you really wouldn’t understand.“
Zappa ist schuld
Den ersten Plattenvertrag bekommt Alice Cooper (die Band) von niemand Geringerem als Frank Zappa, weil der für sein Label Straight Records bizarre Musik sucht. Und „bizarr“, ja, das können die Jungs, denn ihre Songs klingen Ende der Sechziger abgedreht, theatralisch und ziemlich weit draußen. Angeblich hat Zappa die Musiker für „um sieben Uhr“ für ein Vorspiel zu sich bestellt. Als die fünf Zottel morgens (!) um sieben klingeln, zeigt sich der Altmeister beeindruckt: Wer so früh solchen Lärm machen will, besitzt Ehrgeiz. Die ersten Alben für Zappa heißen Pretties For You (1969) und Easy Action (1970) und schlagen beide keine großen Wellen.
Zeitsprung: Am 9.3.1971 erscheint „Love It To Death“ von Alice Cooper.
Dafür wird die Bühnenshow zusehends abgefahrener, so dass die Medien Notiz nehmen. Während alle von „Peace & Love“ singen, interessieren sich Alice Cooper für „Spaß, Sex, Tod und Geld“. Den ersten richtigen Hit kennt jeder: I’m Eighteen. Die Nummer stammt vom Album Love It To Death von 1971 und ist ein Evergreen der Rockwelt. Im gleichen Jahr erscheint Killer und sorgt für Skandale, auf der Bühne lässt sich Alice auf einem elektrischen Stuhl hinrichten.
Gratiswerbung durch Empörung
Mit School’s Out geht es 1972 dann ab: Die Platte verkauft sich dank des Titelsongs millionenfach. Die britische Moralaktivistin Mary Whitehouse will das Video dazu verbieten lassen, weswegen die Single prompt auf Platz eins in Großbritannien landet. Alice Cooper bedankt sich mit einem Blumenstrauß für die Extrawerbung. (Mary Whitehouse wird übrigens auch im Deep Purple-Song Mary Long besungen.) Zu Billion Dollar Babies (1973) gibt es geköpfte Babypuppen auf der Bühne, und wieder regen sich alle auf. Dafür kann der griffige Classic Rock kommerziell ordentlich punkten. Nach Muscle Of Love (ebenfalls 1973) bricht die Alice Cooper Band allerdings auseinander.
By Hunter Desportes [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons
Alice Cooper nutzt den Namen fortan als Solokünstler und veröffentlicht das Konzeptalbum Welcome To My Nightmare (1975), das auf den Alpträumen eines Kindes namens Steven basiert. Der Horrorfilm-Star Vincent Price fungiert als Erzähler, die Bühnenshow wird noch theatralischer. So gibt es zum Beispiel einen zweieinhalb Meter hohen Zyklopen, der den Sänger allabendlich köpft. Legendär ist natürlich der Auftritt in der Muppet Show.
Zeitsprung: Am 28.3.1978 besucht Alice Cooper die „Muppet Show“.
Zu viel Schnaps
Für Lace And Whiskey (1977) nimmt Cooper die Rolle des Privatdetektivs Maurice Escargot an. Der hat ein Alkoholproblem. Der echte Alice aber auch, und zwar so richtig. Angeblich konsumiert er pro Tag ein, zwei Kistchen Budweiser und eine Flasche Whiskey. Im berüchtigten Rainbow Bar & Grill auf dem Sunset Strip tagt er regelmäßig mit einem Säuferclub, den er Hollywood Vampires nennt. Mit dabei sind John Lennon, Ringo Starr und der legendäre Schluckspecht Keith Moon. Heute spielt Cooper mit Joe Perry (Aerosmith) und Johnny Depp (ja, der Schauspieler) in einer Coverband namens Hollywood Vampires.
Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.
Bei seinen Bühnenshows hantiert der Meister damals schon gerne mit Schlangen. Als eine im Sommer 1977 verstirbt, hält Cooper sogar Auditions für tierische Nachfolger. Für From The Inside (1978) wird Alice Cooper nochmal trocken, aber in den Achtzigern stürzt er ab: An gleich vier Platten von 1980 bis 1983 kann sich unser Mann nach eigenen Aussagen nicht erinnern. Und so klingen sie auch. Wer das mal nachschlagen will: Die Platten heißen Flush The Fashion, Special Forces, Zipper Catches Skin und DaDa. Aber Vorsicht, das ist kein leichter Stoff.
Zeitsprung: Am 25.8.1982 kann sich Alice Cooper nicht an sein neues Album erinnern.
Muskeln & Slasher-Filme
So langsam macht die Leber schlapp, also zieht Alice Cooper Mitte der Achtziger erfolgreich einen Entzug durch. Dekaden später scherzt er mit (ausgerechnet) Ozzy Osbourne darüber, dass er jetzt so langsam nüchtern wird. Musikalisch kehrt er 1986 fulminant mit Constrictor zurück, das sich sehr am toupierten Hard Rock der Zeit orientiert. An seiner Seite steht Kane Roberts, der aussieht wie Conan, der Barbar und eine Maschinengewehr-Gitarre spielt. Hach, die Achtziger, herrlich.
Zu dieser Zeit beginnt auch Coopers Affäre mit den damals populären Slasher-Filmen wie Friday The 13th und Nightmare On Elm Street. Mit He’s Back (The Man Behind The Mask) singt Alice sogar einen Song über den Killer Jason Voorhees aus Friday the 13th Part VI: Jason Lives. Die Horrorfilm-Ästhetik findet sich wieder in der Tourproduktion zu Raise Your Fist And Yell (1987), weswegen es in England und Deutschland Ärger und teilweise Zensur gibt. In London entgeht Cooper nur knapp dem Tod, als der Trick mit dem Galgen um ein Haar schief geht.
Zeitsprung: Am 7.4.1988 hängt sich Alice Cooper beinahe selber auf.
Platinregen
Mit Trash schießt Cooper 1989 dann durch die Stratosphäre. Die Platte verkauft sich dank der Megasingle Poison millionenfach. Musikalisch klingt das alles wie der Hard Rock der Zeit, also nach Bon Jovi, Aerosmith und Kiss. Was vielleicht daran liegt, das alle die gleichen Songwriter nutzen, vor allem Desmond Child. (Die Post, die der Mann von der GEMA bekommt, würden wir gerne mal sehen.) Damals ist natürlich auch Stammgast auf MTV. Auf Hey Stoopid (1991) trifft sich die A-Liga der Szene: Slash, Ozzy, Joe Satriani, Steve Vai und Nikki Sixx spielen, singen und schreiben alle mit. Coopers Kurzauftritt im Film Wayne’s World geht in die Rock-Folklore ein: „Wir sind unwürdig!“
Die Neunziger lässt Alice Cooper in Sachen Alben locker angehen, tourt aber weiter weltweit. Zwischen 1994 und 2017 veröffentlicht er acht weitere Platten, die sehr unterschiedlich ausfallen. Von einem comichaften Konzeptwerk (The Last Temptation, 1994) über düsteren Industrial-Metal (Brutal Planet, 2000) bis zu buntem Spaßrock (Dirty Diamonds, 2005 und Welcome 2 My Nightmare, 2011) ist alles dabei. Lobenswert, denn das hält die Sache interessant. 2017 erscheint das gelungene Paranormal, mit dem Cooper an seine Siebziger-Phase anknüpft und sogar teilweise von seiner ursprünglichen Band begleitet wird; 2021 folgt Detroit Stories.
Und sonst so? Alice Cooper ist ein leidenschaftlicher Golfer und gilt als Gentleman. Seit 1976 (!) führt der gläubige Christ eine Ehe mit der Tänzerin Sheryl Goddard, die beiden haben drei Kinder. Von seiner Bühnenfigur „Alice“ spricht er grundsätzlich in der dritten Person. Und die beiden haben anscheinend noch eine Menge vor…
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Zeitsprung: Am 22.11.1992 hilft Alice Cooper zwei Hausbesitzern.

Popkultur
Zeitsprung: Am 26.3.1990 hat Gary Moore immer noch den Blues.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 26.3.1990.
von Christof Leim
Ein Rocker entdeckt den Blues: Den guten Namen hat Gary Moore sich mit knackigem Hard Rock und sogar Jazz Fusion erspielt. Seinen größten Hit landet er jedoch am 26. März 1990 mit Still Got The Blues, einem geschmackvollen Blues-Album. Für die prägnanteste Stelle fängt er sich allerdings eine Plagiatsklage ein…
Hier könnt ihr Gary und seine alte Liebe hören:
Alte Liebe rostet nicht: Auf dem Cover von Still Got The Blues sehen wir einen kleinen Jungen in seinem Zimmer, die viel zu große Les Paul auf den Knien, einen Übungsverstärker vor sich und Jimi Hendrix‘ Konterfei an der Wand. Die Rückseite der Platte zeigt die gleiche Szenerie – nur diesmal mit einem erwachsenen irischen Gitarrenhelden, irgendwo in einem Hotelzimmer, mit einer Dose Bier und einem angebissenen Hamburger vom Zimmerservice. Auf seinem Schoß eine Les Paul, vor ihm der gleiche Marshall-Combo, und auf dem Boden liegt wieder ein Album von John Mayall…
Zurück zu den Ursprüngen
Der Blues ist eben immer noch da für Gary Moore, als er 1990 eine neue Phase seiner Karriere einläutet. Vorher hatte sich der irische Sänger und Gitarrist in härteren Rock-Gefilden herumgetrieben: So spielt er nach Skid Row (der irischen Variante), einigen Soloalben und sogar einem mehrjährigen Jazz-Fusion-Ausflug mit Colosseum II etliche Jahre bei den immergrünen Thin Lizzy, bevor er 1979 endgültig unter eigenem Namen durchstartet. Mit Alben wie Run For Cover (1985), dem keltisch gefärbten Wild Frontier (1987) und After The War (1989) etabliert er sich als Hard-Rock-Flitzefinger, der zeitgemäß schreddern kann und mitunter die Haare so hübsch hochtoupiert trägt wie die sonstigen Helden der Zeit. Immerhin: Moore kriegt in der Regel noch ein kleines bisschen mehr Geschmack in seinen Ton als die meisten anderen.
Mit 38 Jahren besinnt er sich auf seine Wurzeln, den guten alten Blues, die Ursuppe allen Rockens. „Ich liebe den Blues seit den Sechzigern“, erklärt er in einem Radiointerview mit SWR3. „Mit der 13 oder 14 habe ich zum ersten Mal John Mayall & The Blues Breakers gehört, mit Eric Clapton an der Leadgitarre. Schon der erste Song All My Love hat mein Leben auf einen Schlag verändert. Ich habe noch eine Gitarre so klingen hören.“
Rock-Sound im Zwölftakter
Dabei deckt der damals in Großbritannien lebende Ire das ganze Spektrum des Genres ab, von getragen bis flott, aber immer in zeitgemäßer Produktion – und bei Gelegenheit durchaus noch ziemlich rockend. Er selbst gibt dazu gegenüber SWR3 zu Protokoll: „Damals spürte man den Einfluss der letzten zehn Jahre in meinem Gitarrensound und meiner Spielweise.“ Das Ergebnis sind vor allem in den rockigen Songs feurige Gitarreneinsätze, die bei aller Authentizität und Werktreue das entscheidende Quäntchen an zusätzlicher Energie rüberbringen.
Der Höhepunkt der Platte liegt zweifelsohne im Titelstück Still Got The Blues (For You), einem getragenen Schmachtfetzen im 6/8-Takt und einer wundervoll einprägsamen Gitarrenmelodie. Damit erinnert die über sechs Minuten lange Nummer an Parisienne Walkways, der Kollaboration mit Phil Lynott (Thin Lizzy) von 1978, und beschränkt sich nicht auf das grundlegende Zwölf-Takt-Schema des Blues. Das Stück wurde zum Welthit und Moores größtem Erfolg. Auch Jahrzehnte später funktioniert der Song noch hervorragend und läuft regelmäßig im Radio, sogar Eric Clapton höchstselbst hat ihn 2013 auf seinem Album Old Sock als Tribut an den 2011 verstorbenen Moore aufgenommen.
Versehentlich geklaut
Besagte Hookline allerdings erweist sich als Problem: 1974 hatte eine deutsche Progressive-Rock-Band namens Jud‘s Gallery ein Instrumental mit dem Titel Nordrach geschrieben, in dem exakt die Akkordfolge und Anfangsmelodie von Still Got The Blues (For You) zu hören sind. Das Münchner Landgericht gibt deshalb 2008 nach acht Jahren der Auseinandersetzung der Plagiatsklage von Jürgen Winter Recht, dem Chef von Jud‘s Gallery. Das Mysteriöse dabei: Nordrach war bis zum Zeitpunkt der Entstehung von Still Got The Blues nie veröffentlicht worden, sondern wurde nur live gespielt, darunter bei einer Aufzeichnung im SWF-Studio in Baden-Baden im März 1974. Kurz gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Klampfer aus Irland solch obskure Werke kennt, scheint gering. Das Gericht jedoch geht davon aus, dass Moore den Song im Radio oder auf der Bühne gehört haben könnte. Ein Radiobeitrag von SWR3 berichtet sogar, Moore habe in den Siebzigern in Deutschland gelebt und sei auf Konzerten von Jud‘s Gallery gesehen worden. Ob das stimmt, bleibt juristisch jedoch unerheblich, denn der Plagiatsvorwurf hängt nicht davon ab, ob die Passage tatsächlich bewusst kopiert wurde.
Allerdings erweist sich eben jene Akkordfolge als Standard, der in der Musikgeschichte schon unzählige Male vorgekommen ist (ein so genannter „Quint-Fall“), während die Melodie sich schlicht an Grundtönen orientiert. Sogar im Jazz-Standard Autumn Leaves oder Lionel Richies Hello wäre sie zu finden, schrieb die Süddeutsche seinerzeit. Ob Moore nun absichtlich geklaut hat (unwahrscheinlich), ein phänomenales, wenngleich unterbewusstes Melodiegedächtnis besitzt (denkbar) oder schlicht über die gleichen Akkorde stolperte (vermutlich) – ohne seinen Ton wäre Still Got The Blues (For You) nie so gelungen. Beide Parteien einigen sich schließlich außergerichtlich: Moore zahlt Winter eine nicht veröffentlichte Summe an Schadenersatz und darf dafür weiter die Urheberschaft von Still Got The Blues (For You) für sich beanspruchen.
Neues und Altes in blau
Als Gast beim A.C. Williams-Klassiker Oh Pretty Woman spielt Blues-Legende Albert King mit. Seine coolen, cleanen Licks stehen in einem interessanten Gegensatz zu den sportlichen Hard-Rock-Soli von Gary Moore mit wesentlich mehr Verzerrung und Flitzefingerei. Die beiden Herren haben jedoch Spaß zusammen, wie der Videoclip zu dem als Single ausgekoppelten Song zeigt: Der Ire schmeißt sich in 1a-Gitarrenhelden-Posen, der Amerikaner raucht entspannt Zigarre – und beide lachen.
Bei Too Tired darf die Bläsersektion mit swingenden Einwürfen ran, dazu liefert sich Moore nette Wechselspiele mit einem weiteren Veteran: Albert Collins. Geschrieben hat das Stück einst Johnny Guitar Watson, den genau das Schicksal ereilte, welches Lemmy von Motörhead dieser Tage für sich quasi ankündigt: Er verstarb 1996 auf der Bühne. Aber das ist eine andere Geschichte (die ihr hier lesen könnt).
Beeindruckende Gästeliste
Ein Höhepunkt der Platte findet sich in King Of The Blues, einer klassisch strukturierten Moore-Komposition mit vielen netten Licks des Meisters und herrlichen Bläsern. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Albert King, der auch namentlich im Text genannt wird, aber ausgerechnet bei der Nummer nicht mitspielt. Dafür zeigt Thin-Lizzy-Mann Brian Downey, dass er den Swing besitzt, den man für Blues braucht, der aber auch jede gute Hard-Rock-Band besser macht.
Sogar ein echter Beatle mischt mit: That Kind Of Woman stammt aus der Feder von George Harrison, der zu diesem netten Nümmerchen Slide- und Rhythmusgitarren beisteuert. Mit dem Urheber von Stop Messin‘ Around schließlich verbindet Gary Moore eine Menge: Peter Green von Fleetwood Mac nahm dereinst in Dublin den jungen Hoffnungsträger ein wenig unter seine Fittiche und beeinflusste ihn nicht unwesentlich.
Lohnender Stilwechsel
Die stilistische Umorientierung lohnt sich jedenfalls: Was ein einmaliger Ausflug sein sollte, avanciert zum größten Erfolg in der Karriere von Gary Moore und verkauft in den USA mehr als alle anderen seiner Werke. 1995 erhält er dafür eine Gold-Auszeichnung, ebenso erreicht die Single Still Got The Blues (For You) erreicht hohe Positionen und zum ersten Mal die Top 100 in den USA. Hierzulande geht die Scheibe fast eine halbe Million mal über die Tresen.
Geschmack, Stil und feurige Gitarre: Gary Moore 1990. Foto: George Bodnar
Man könnte sogar argumentieren, dass Gary Moore sich mit diesem stilistischen Wandel dem Untergang entzogen hat, dem viele Hard-Rocker und Sportgitarristen der Achtziger angesichts der Grunge-Welle entgegen sahen. Moore bleibt dem Blues fortan von wenigen Ausnahmen abgesehen treu und spielt weitere Platten in diesem Stil ein. Denn alte Liebe rostet nun mal nicht: „Durch dieses Album und den Song habe ich viele neue Fans gewonnen“, gibt er später zu Protokoll. „Aber deswegen habe ich sie nicht aufgenommen, es war die Musik selbst, die mich dorthin geleitet hat. Da fühle ich mich zu Hause.“
Zeitsprung: Am 30.9.1978 veröffentlicht Gary Moore „Back On The Streets“.
Popkultur
Zeitsprung: Am 25.3.2015 fährt James Corden Mariah Carey zur Arbeit
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.03.2015
von Victoria Schaffrath und Christof Leim
„Danke dir, dass du mir mit dem Weg zur Arbeit hilfst. Der Verkehr ist echt übel“, murmelt James Corden da beiläufig Richtung Beifahrersitz. „Ich weiß, es ist unerträglich“, erwidert keine Geringere als Mariah Carey. Am 25. März 2015 startet mit diesem Dialog Carpool Karaoke, die Kultsequenz aus Cordens Late Late Show. Sehen wir uns die Höhepunkte des Formats an.
Schaut euch hier alle Folgen von Carpool Karaoke an
Als James Corden am 23. März 2015 die Late Late Show von Brit-Kollege Craig Ferguson übernimmt, kennt ihn in Amerika kaum jemand. Der Schauspieler und Komödiant hatte sich zwar in Großbritannien einen Namen machen können, doch das Scheinwerferlicht in Kalifornien wirft größere Schatten. Corden weiß, dass er sich beweisen muss. So zieht er zwei Tage nach Amtsantritt ein Ass aus dem Ärmel.
Fahrgemeinschaft 2.0
Der junge Brite importiert ein Format, dass er erstmals für die britische Wohltätigkeitsveranstaltung Red Nose Day 2011 umgesetzt hatte: Da beorderte er George Michael in ein Auto, kurvte mit ihm durch London und trällerte gemeinsam mit dem Sänger dessen Hits. Michael entpuppte sich dabei als charmanter Partner, Corden als kompetenter Gastgeber. Zum Auftakt der US-Show muss also ein ähnlich hochkarätiger Gast her.
So kommt es, dass zwei Tage nach der „British Invasion“ des Abendprogramms Weltstar Mariah Carey in einen LA-typischen SUV steigt. Zunächst kokettiert sie noch, sie könne nach einer durchzechten Nacht nicht mitsingen, aber dann sprengt plötzlich ihr Schmettergesang die Autoscheiben. Dass Corden eine absolut passable zweite Stimme hinbekommt, sorgt bei Stücken wie Always Be My Baby, Fantasy, Thirsty und Vision Of Love mitunter für Ansätze von Gänsehaut.
Erfolgsformel Menschlichkeit
Der Sympath erklärt den durchschlagenden Erfolg des Segments (und demzufolge auch der gesamten Show) recht einleuchtend: „Da schwingt eine Einfachheit und Intimität mit. Einen Star solchen Kalibers in der gleichen Umgebung zu sehen, in der du und ich sonst auf dem Weg zur Arbeit singen, macht ihn menschlich.“
Logisch, dass danach nicht nur Musiktreibende auf Promotour, sondern ganze Musical-Besetzungen mit Corden „zur Arbeit fahren“ möchten. Die Videos, die im Netz häufig viral gehen, bringen so ungewöhnliche Partnerschaften wie Rod Stewart und Rapper ASAP Rocky oder Michelle Obama und Missy Elliott hervor. Ob oberkörperfreie Red Hot Chili Peppers, die Foo Fighters, Paul McCartney oder den gefiederten Elton John: Auch die großen Namen des Rock holt sich Corden gern dazu.
Bei so viel Prominenz lassen die Starallüren nicht zu wünschen übrig: Berufsprovokateur Kanye West sagt gleich mehrfach hintereinander kurzfristig ab und macht aus dem SUV mal eben eine Boeing; zwischen Corden und Dave Grohl gibt es nach der Ausstrahlung ein kleines Missverständnis. Immerhin rettet Anthony Kiedis laut eigenen Angaben während der Dreharbeiten einem Säugling das Leben. Das ist dann doch etwas mehr Aufruhr, als wir morgens auf dem Weg zur Arbeit ertragen könnten.
Zeitsprung: Am 2.3.2014 knipst eine YouTuberin David Gilmour – ohne es zu wissen.
Popkultur
Review: „Das ist los“ von Herbert Grönemeyer ist genau das Album, das wir jetzt brauchen
Herbert Grönemeyer schenkt uns auf Das ist los sinnstiftende Lieder über die Liebe und den Zusammenhalt. Ob er die Gesellschaft damit kitten kann, ist fraglich. Doch alleine der Versuch verdient Hochachtung.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr Das ist los hören:
Herbert Grönemeyer veröffentlicht keine Alben. Herbert Grönemeyer veröffentlicht Bestandsaufnahmen. Seines Lebens, aber auch von unser aller Leben. Immer wenn eine neue Platte von Deutschlands größtem und erfolgreichsten Künstler erscheint, so wirkt es, kommt sie genau zur rechten Zeit. Seine Lieder sind Salben für die Wunden, die wir uns seit seinem letzten Album zugezogen haben, zumeist stille und zurückhaltende Gebäude, in denen wir Schutz suchen können.
„Hoffnung ist gerade so schwer zu finden“ lautet dann auch der erste Satz des Albums. Er stammt natürlich aus der Lead-Single Deine Hand, mit der Grönemeyer schon vor einigen Monaten begeistern konnte. Eine einfühlsame Ode an Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt – wie viele seiner Songs sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos zu sehen. Es geht um tatsächliche Partnerschaft, aber auch um den universellen Zusammenhalt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir das als Gesellschaft dringend nötig haben.
Nur ein Gutmensch?
Fünf Jahre nach Tumult ist die Welt noch viel tumultartiger geworden. Da braucht es große Künstler, die mit Ruhe, Reflexion und Besonnenheit aufarbeiten, was da eigentlich mit uns und der Welt passiert ist in diesen irren letzten Jahren. Sicher kann man das abtun, verunglimpfen als onkelnde Ratschläge vom alten weißen Mann, als Motivationscoach mit nasaler Stimme. Damit macht man es sich aber zu einfach. Grönemeyer polarisiert, und das schon sehr lange. Die einen echauffieren sich darüber, dass er ja gar nicht singen (geschweige denn tanzen) kann, die anderen halten ihn für einen aufdringlichen Gutmenschen mit Moralkomplex und biederen Thesen. Gutmensch – wie so ein Wort überhaupt zu einer Beleidigung werden konnte, sagt ja auch sehr viel.
Manchmal spielt er seinen Kritiker*innen in die Karten auf diesem Album. Der Titelsong zum Beispiel erinnert eher an Bierzelt oder Schlagerfestival – trotz seines cleveren, defragmentierten Textes, der den Informations-Overkill der heutigen Zeit versinnbildlichen soll. Doch die großen Momente gehören eh den Balladen, das ist bei Grönemeyer schon lange so. Tau zum Beispiel, ein Lied, umrankt von Trauerflor. Der Rest ist mal flott und tanzbar, mal umgarnt von Vintage-Elekronik, mal elegisch mit Streichern.
Songs, die Mut zuflüstern
Um Tod, Verlust und Trauer geht es auch auf Das ist los. Aber nicht als Fixpunkt, sondern als Unausweichlichkeiten des Lebens. Überwiegend möchte Grönemeyer uns stärken, uns Mut zuflüstern, uns als Ganzes wieder zusammenbringen. Man darf sich fragen, wieso ihm das so wichtig ist, warum er denkt, dass ausgerechnet er als Messias zu uns singt. Man darf sich aber auch fragen, warum es sonst niemand tut. Das ist los zeigt uns, dass wir nicht aufgeben sollten, nicht verzagen sollten, nicht den Ist-Zustand beibehalten sollten. Stattdessen sollen wir „Raus in den Sturm“, wie es im dringlichen Genie heißt, rein ins Leben, in die Verantwortung.
Diejenigen, die ihn bisher schon als Gutmenschen abkanzelten, werden sich darauf stürzen und ihn in der Luft zerreißen. Dabei sind es gerade diejenigen, die hier mal genau hinhören sollten. Das ist los ist nicht das beste Grönemeyer-Album, wahrscheinlich nicht mal Top fünf. Es ist aber mal wieder mal genau das Album, was wir jetzt brauchen. Und allein dafür gebührt im Hochachtung.
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