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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.8.2005 erscheint das Alice-Cooper-Album „Dirty Diamonds“ in den USA.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.8.2005.

von Frank Thießies und Christof Leim

Am 2. August 2005 erscheint in den USA mit Dirty Diamonds das siebzehnte Album aus Alice Coopers Karriere als Solokünstler. Nach pompös produziertem Achtziger-Hard-Rock und Industrial-Liebäugelei markiert diese Scheibe – ähnlich wie schon der Vorgänger The Eyes Of Alice Cooper – eine Rückkehr zum Garagen-Rock im Siebziger-Sound. In Europa kam die Platte übrigens schon am 4. Juli raus. Warum diese versetzte Veröffentlichungspolitik? Keine Ahnung. Heute jedenfalls undenkbar.

Hier könnt ihr euch Dirty Diamonds anhören:

Rock-Rückbesinnung

Nachdem Cooper Trash (1989) und Hey Stoopid (1991) erfolgreich an den Chart-Hard-Rock der späten Achtziger angedockt und ein Comeback eingeleitet hat, klingt schon The Last Temptation aus dem Jahr 1994 nach dem Wunsch, wieder zum angerauten Siebziger-Rock-Sound zurückzukehren. (Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass sich damals dank der Grunge-Explosion die Rock’n’Roll-Landschaft grundlegend geändert hat.) 

Zurück in die Garage: Alice Cooper 2005 – Foto: Chris Weeks/WireImage/Getty Images

Die stilistische Reise geht noch weiter mit einem metallischen Industrial-(Ex-)kurs auf den beiden Jahrtausendwende-Platten Brutal Planet (2000) und Dragontown (2001). Die kann man wohl als Ausreißer begreifen, besinnt sich Cooper doch 2003 mit The Eyes Of Alice Cooper wieder seiner Detroiter-Wurzeln. Mit einer patenten wie potenten jungen Band im Rücken, zu der Gitarrist Ryan Roxie genauso wie Bassist Chuck Garric und Schlagzeuger Eric Singer zählen, setzt Altmeister Alice den wieder eingeschlagenen Garagen-Rock-Weg auf dem Nachfolger fort, um den es in diesem Zeitsprung geht. Auch wenn es zuvor noch zu leichten Personaländerungen kommt.

Frisches Blut

Da Drummer Eric Singer wieder seinen Verpflichtungen bei Kiss nachgehen möchte, wird er auf Dirty Diamonds von Tommy Clufetos (später Rob Zombie, Black Sabbath) vertreten. Warum Singer sich dann trotzdem im Booklet auf dem Gruppenbilds findet, wirkt nicht minder mysteriös wie die eingangs erwähnte versetzte Veröffentlichungspolitik dies und jenseits des Atlantiks. Auch zählt Gitarrist Eric Dover (Jellyfish, Slash’s Snakepit) nicht länger zum Ensemble. Für ihn übernimmt Damon Johnson (Brother Cane, später Thin Lizzy/Black Star Riders) die zweite Gitarre. 

 

Zu großen Teilen von Cooper und Roxie mit den Bandkollegen komponiert, gibt sich das vom gelegentlichen Co-Songwriter Rick Boston und Steve Lindsey (Leonard Cohen) produzierte Album schön breitgefächert, abwechslungsreich und vor allem traditionell. „Ich höre ein bisschen Billion Dollar Babies, ein bisschen Killer, ein wenig School’s Out  darin – aber es ist alles neues Material!“ fasst Cooper die eigenen Referenzen und den weitgehend von Overdubs befreiten Produktionsansatz freudig zusammen. „Es ist ein sehr bandorientiertes Album, alles geht auf die Idee zurück, dass eine Band einfach wie eine Band klingen sollte. Ich habe noch nie die perfekte Gruppe gehört. Selbst die Stones machen noch kleine Fehler. So klingt es nun mal, und genauso will ich es auch auf der Platte hören. Ich will, dass es so echt wie möglich klingt.“ 

Roh, rotzig, dann ein Stilbruch

Während man dem Opener Woman Of Mass Destruction mit seinem treibenden Orgelwerk musikalisch die Schlaghosen förmlich ansehen kann, verballhornt die Nummer inhaltlich die damals im Bush-Irak-Kontext geflügelten Worte von Massenvernichtungswaffen („Weapons Of Mass Destruction“). Mit einem Stones-würdigen Riff schließt sich der lockere und programmatische Rocker Perfect an, bevor You Make Me Wanna wieder im Zungenrocker-Territorium wildert. Der Titeltrack samt saftiger Bläser-Sektion hingegen lässt mit seinem kunstvollen Intro zunächst die elaborierten Bob-Ezrin-Produktionen der originären Alice Cooper Band ins Gedächtnis springen, bevor die Band sich bei dem Song die Finger schmutzig macht. Bis heute ist die Nummer mit ihren dezenten Paranoid-Parallelen ein gern gesehener Gast auf der Setlist. 

Dann kommt der Stilbruch: Mit sonorem Bariton intoniert Cooper plötzlich das Johnny-Cash-hafte The Saga Of Jessie Jane, eine schön schräge Western-Ballade über einen truckfahrenden Transvestiten, der gern Judy Garland hört. Ebenso (positiv) sticht zwischen all dem Rhythm & Blues, Boogie und coolen Keith-Richards-Riffs das Cover von Pretty Ballerina heraus, im Original geschrieben von der Sixties-Barock-Pop-Band The Left Banke. Steal That Car, Six Hours und das mit Mundharmonika veredelte Zombie Dance evozieren dann abermals den Siebziger-Ezrin-Vibe. Dass ein gelungenes Albumfinale durch den Bonustrack Stand, eine schale Crossover-Kooperation mit Rapper Xzibit, verschandelt wird, muss hingegen eher als Malus verbuchen. 

Wieder im Trend

Von jenem letzten Ausrutscher abgesehen darf man Dirty Diamonds durchaus als ein schönes jüngeres Schmuckstück aus der prall gefüllten Scheibenschatulle des Schock-Rock-Pioniers bezeichnen, welches sich zum Erscheinen dann auch zu Coopers größtem US-Chart-Erfolg seit The Last Temptation über zehn Jahre davor mausert. 

Genauso beweist das Album aber auch erneut Coopers Trend-Radar und Assimilierungsfähigkeiten: Den damaligen Erfolg und Siegeszug der Detroiter White Stripes weiß Cooper nämlich genauso zu schätzen wie das von ihnen mit eingeleitete Genre-Revival. Denn auch wenn der „Coop“ sich einerseits seiner alten Stärken besinnt, besitzt er auch ein gutes Ohr für das, was die junge Generation so treibt. „Jet sind eine fantastische, genial schnoddrige Garagenband“, sagt der Motor-City-Rocker der ersten Stunde damals beispielsweise. „Es gibt viel Gutes momentan. Ich mag auch die Killers. Und ich liebe die Tatsache, dass Garagen-Rock gerade ein Comeback hat.“

Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.

 

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