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Popkultur

Zeitsprung: Am 27.7.1984 überraschen Metallica mit „Ride The Lightning“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.7.1984.

von Christof Leim

Was für ein Quantensprung: Metallica gehören 1984 noch zum Metal-Underground, doch mit ihrem Zweitwerk Ride The Lightning nehmen sie bereits deutlich sichtbar Anlauf für Größeres. Am 27. Juli 1984 erscheint die Platte, hier ist ihre Geschichte.

Zur Lektüre gibt’s hier das Album zu hören:

Mit Kill ‘Em All hatten die drei Kalifornier und der Däne im Vorjahr die Initialzündung für den Thrash Metal abgeliefert, ein ebenso brutal wie präzise ballerndes Manifest einer neuen Zeitrechnung für alle Headbanger. Auf dem Nachfolger zeigen sie ein erstaunliches musikalisches Wachstum, geballert wird aber immer noch. Keiner der Musiker ist zu diesem Zeitpunkt älter als 22. Diese Verbesserung liegt vor allem an den beiden „neuen“ Mitmoshern: Bassist Cliff Burton und Leadgitarrist Kirk Hammett gehörten noch nicht zum Aufgebot, als die Songs von Kill ‘Em All entstanden. Diesmal können sie mitwirken und schreiben an sechs (Cliff) bzw. vier (Kirk) von acht Stücken mit. (Sogar Ex-Kollege Dave Mustaine, der vor Kill ‘Em All rausgeflogen ist und später Megadeth gründet, bekommt noch zwei Credits.)

Cliff als Lehrmeister

Vor allem Cliff Burton, der Älteste der Vier, macht sich bemerkbar. Natürlich sind die beiden Chefsongwriter Lars Ulrich und James Hetfield insgesamt seit dem Debüt gereift, aber Cliffs breites musikalisches Spektrum, das über jugendliches Gerocke hinausgeht, sorgt deutlich für mehr Tiefe und Vielfalt. Er bringt seinen Kollegen die Grundlagen der Musiktheorie bei, was die anderen in den folgenden Jahrzehnten immer wieder betonen.

Die waren damals echt noch klein: Metallica 1984 – Pic: Fin Costello/Redferns

Vor allem fällt auf, dass Metallica auf Ride The Lightning nicht durchgehend das Gaspedal durchdrücken wie auf dem Debüt. Es gibt generell mehr Abwechslung, aufwändigere Arrangements, Tempowechsel, Midtempo-Stampfer, Akustikgitarren, Instrumentalpassagen und verstärkt Mehrstimmiges. Hetfield schreit zwar immer noch rum, klar, denn der Metal muss fließen, aber er kann es besser als früher. Mit dem klassisch inspirierten Intro von Fight Fire With Fire, das wie von einem Kammerensemble mit Akustikgitarren klingt, hätte jedenfalls niemand gerechnet. Was natürlich nichts daran ändert, dass nach 40 Sekunden ein kapitales Thrash-Riff losmetert, dass das Geboller vom Erstwerk sogar noch übertrifft. Aber eins nach dem anderen….

Ab nach Dänemark

Für die Aufnahmen reisen Metallica bis nach Dänemark: Drummer Lars hat sich das Sweet Silence Studio in Kopenhagen ausgesucht, weil ihm die Arbeit von Produzent Flemming Rasmussen auf der Rainbow-Platte Difficult To Cure (1984) gefallen hat. Der hört sich die Demos an und bescheinigt der Band seinerseits großes Potenzial. Angekommen im kalten Europa verpassen die Burschen dem neuen Material zunächst im Proberaum von Mercyful Fate einen Feinschliff und schreiben noch weitere Songs. Drei Wochen arbeiten die vier Krachpiloten mit Rasmussen an der Platte, dann ist das Ding im Kasten. Viel Geld für Hotels gibt es nicht, also schlafen Metallica im Studio und auf diversen Sofas.

Klassikeralarm

Heraus kommen acht Stücke, die heute zur Metal-Grundausstattung gehören: Das bereits erwähnte Fight Fire With Fire führt ein klassisches Intro, hochwertige Thrash-Riffs und ausgefuchste Gitarrenharmonien zusammen; textlich bewegt sich Hetfield noch im Fahrwasser der Zeit, denn er singt, wie es sich gehört, über die Apokalypse. Beim forsch dahinmarschierenden Titeltrack Ride The Lightning zuckt anschließend der Nackenmuskel, während die Band musikalisch aufdreht: Sechs Minuten dauert die komplexe Nummer mit vielen Parts und einem majestätischen Soloteil, in dem Kirk seine Klasse zeigt. Thema diesmal: Der Tod eines Verurteilten auf dem elektrischen Stuhl, was ein bisschen an das Galgeneops Hallowed Be Thy Name von Iron Maiden erinnert. (Hat keiner gesagt, dass es hier um „shiny happy people“ geht.)

Die erste Überraschung heißt For Whom The Bell Tolls und erweist sich als ein langsamer Stampfer mit sehr übersichtlichen Riffs und einer markanten Lead-Bass-Melodie im Intro. Das funktioniert: Die Nummer gehört heute noch zu den Setlist-Standards und wird von einer Fantastillion Nachwuchsbands als Metallica-Einstieg gespielt.

So richtig brechen Metallica mit der (noch kurzen) Tradition des Thrash Metal aber in Fade To Black – einer so genannten „Power-Ballade“. Schockschwerenot! Gezupftes Akustikgeplänkel geht über in majestätische Powerchords, Harmoniegitarren und ausufernde Soli zwirbeln sich in die Lüfte zu einem dramatischen Instrumental am Ende, und der Frontmann singt – ja, singt! – sogar. Der Text wurde inspiriert vom Diebstahl des gesamten Band-Equipments im Januar 1984 in Boston; daraus schafft Hetfield eine bedeutungsschwere Stimmung der Verzweiflung.

Der Balladenschock

Fade To Black mausert sich zwar rasch zu einem Höhepunkt von Metallica-Shows und wird lange Jahre in der Setlist festgenagelt, aber der wilde Thrash-Untergrund wittert Verrat. Das heißt: Schon damals (!) mussten sich Metallica anhören, sie seien nicht mehr „true“ und hätten „ausverkauft“. Glücklicherweise zeigen sich die vier Langhaarigen davon unbeeindruckt und verkaufen tatsächlich aus, nämlich zuerst Clubs, dann Hallen, dann Stadien…

Zum Glück startet die zweite Plattenseite mit einem schnellen Brecher: Trapped Under Ice enthält ein paar Riffs aus einem alten Demosong namens Impaler von Kirks früherer Band Exodus, die Metallica-Version bietet feinen Thrash, der allerdings selten zu Live-Ehren kommt. Bis heute wurde Trapped Under Ice nur ein paar Dutzend mal gespielt. Und das ist immer noch öfter als Escape: Zum ersten Mal (!) stand die Nummer auf einer Metallica-Setlist am 23. Juni 2012 beim bandeigenen Orion Music & More-Festival. Das mag daran liegen, dass Hetfield den Song angeblich überhaupt nicht leiden kann, weil damals die Plattenfirma auf mehr Radiofreundlichkeit gepocht haben soll. In der Tat klingt Escape eingängig mit seinem klassischen Rock’n’Roll-Text über den Wunsch nach Freiheit, aber Spaß macht das trotzdem.

Die! Die! Die!

Mit Creeping Death schließlich feuern Metallica einen Metal-Klassiker für die Ewigkeit ab, einen flott nach vorne donnernden Song mit XXL-Refrain, Sahnesolo und monströsem Mittelteil. Bei fast jedem Konzert zeigt sich: „Die! Die!“ kann man ganz hervorragend mitbrüllen. Creeping Death wird sogar als Single veröffentlicht, die B-Seiten heißen Am I Evil? (Diamond Head) und Blitzkrieg (Blitzkrieg). Fast keinen Song sollten Metallica in den nächsten Dekaden öfter live spielen.

Dass das Quartett musikalisch aufgerüstet hat, zeigt sich nirgends deutlicher als im Instrumental The Call Of Ktulu zum Abschluss. Hier darf Cliff mit einem Basssolo brillieren, neun Minuten lang ziehen Metallica hier in einen stimmungsvollen Mahlstrom aus Riffs und Soli. Sowas können die anderen frühen Thrash-Bands (noch) nicht. 2001 gewinnt die Nummer im Orchesterarrangement von Michael Kamen für die S&M-Platte sogar einen Grammy.

Elektrisiert

Ride The Lightning erscheint am 27. Juli 1984 und begeistert die Metal-Szene. Das Album schafft es sogar auf Platz 100 der Billboard-Charts, und zwar ohne jedweden Radioeinsatz oder sonstige Mainstream-Anbindung. Daraufhin wird das Majorlabel Elektra Records hellhörig, nimmt die Band unter Vertrag und veröffentlicht die Scheibe erneut in größerem Rahmen. Damit entwachsen Metallica dem Indie-Label Megaforce, dem sie ihren Aufstieg zu verdanken haben, das aber zusehends an seine Grenzen stößt. Und natürlich gehen die Herren umgehend auf Tour: Ab November 1984 sind sie unter dem Banner „Bang That Head That Doesn’t Bang“ in Europa unterwegs mit Tank im Vorprogramm, von Januar bis März 1985 mit W.A.S.P. und Armored Saint in den USA. Im Sommer spielen sie dann noch bei den Monsters Of Rock in Castle Donington vor 70.000 Zuschauern und beim Day On The Green im heimischen San Francisco. Am 14. September 1985 gastieren sie schließlich auf der Loreley im Rahmen des Metal Hammer-Festivals (wo ein neuer Song namens Disposable Heroes Premiere feiert).

Mit Ride The Lightning sind Hetfield, Ulrich, Hammett und Burton ein Stück weiter Konkurrenz, die damals erst ein vergleichsweise rudimentär rumpelndes Debüt auf dem Markt hat (Slayer, Anthrax) oder noch daran arbeitet (Megadeth, Exodus). Wie schon mit Kill ‘Em All beeinflussen Metallica mit dem zweiten Album den Heavy Metal maßgeblich und nachhaltig. Ein Plan steckt nicht dahinter, es läuft eher so: Vier blutjunge Typen folgen ihren Instinkten und trinken dabei viel Bier. Es passt halt zufällig alles ganz hervorragend zusammen.

Schon im Folgejahr führen unsere Helden mit Master Of Puppets (die wirklich komplette Geschichte dazu gibt es hier) ihre neu gefundene Formel weiter und schießen damit noch weiter nach vorne. Den größten Sprung ihrer frühen Jahren haben sie aber auf dem Weg zu Ride The Lightning gemacht.

„…And Justice For All“ von Metallica: Die Sache mit dem Bass

Popkultur

Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.

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Header-Bild Credit: Kreepin Deth/Wiki Commons

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.

von Christof Leim

Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.

Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:

Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.

Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“

Längt beschlossene Sache

Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“

Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.

Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.

Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.

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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.

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Popkultur

„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?

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Boygenius HEADER
Foto: Noam Galai/Getty Images

Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch The Record anhören:

Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.

Wie einst Nirvana

Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.

Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.

Die Avengers der Indie-Welt

Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.

Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.

Musste Rick Rubin draußen bleiben?

Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.

The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.

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boygenius: Wer steckt hinter der Indie-Supergroup?

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Popkultur

Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.

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Chuck Berry Johnny B Goode Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.

von Christof Leim

Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.

Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.

Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry

Aus dem Stand ein Hit

Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.

Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.

Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.

Da kommt noch mehr

Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.

Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.

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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.

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