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Popkultur

Zeitsprung: Am 10.1.1985 gehen Metallica auf große US-Tour mit W.A.S.P.

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Foto: Tourshirt

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 10.1.1985.

von Christof Leim

Als Metallica am 10. Januar 1985 mit Ride The Lightning im Gepäck ihre bis dato größte Tour in den USA starten, wird aus dem Underground-Phänomen gerade das nächste große, wilde Ding. Die anfänglichen Headliner W.A.S.P. können dem nicht immer etwas entgegensetzen, und natürlich wissen sich die Bands zu amüsieren.

Hier könnt ihr euch Ride The Lightning anhören:

Die Anfänge

Bei Metallica geht es von Anfang an rasend schnell: Im Oktober 1981 gründen zwei blutjunge Krachmacher die Band, keine zwei Jahre später haben sie nicht nur das erste Album Kill ‘Em All am Start (alles dazu hier), sondern gleich ein neues, ungekannt wildes Genre namens Thrash Metal losgetreten. Sie lärmen als Underground-Band durch die USA und setzen schon im Februar 1984 nach Europa über. Im folgenden Sommer gibt es bereits das zweite Album Ride The Lightning, und das fällt nicht nur unverschämt gut aus, sondern zeigt eine beeindruckende musikalische Entwicklung (nachzulesen hier). Keine Pause, kein Zögern, die Buben ziehen einfach durch. Währenddessen wird Heavy Metal das große Ding und Thrash der Geheimtipp für die ganz Harten.

Amerika braucht Thrash

Allerdings vernachlässigen Metallica just zu der Zeit ein wenig ihr Heimatland. Weniger als ein Dutzend Shows spielen sie 1984 in den USA, auch die ersten 25 Gigs der Ride The Lightning-Tour rumpeln erstmal durch Europa (mit Tank im Vorprogramm). Der „Buzz“ um die Band, ihr öffentliches Profil, nimmt dabei stetig zu, zum Jahresende haben sie auf dem alten Kontinent 60.000 Exemplare ihrer zweiten Platte verkauft, und das ohne Video, Singles oder Radiounterstützung. Metallica stehen an der Spitze einer neuen, lauten, aggressiven Welle.

Vier junge Wilde von der Leine gelassen: Metallica 1985 auf der „Ride The Lightning“-Tour – Foto: Ross Marino/Getty Images

Weil die vier im Schnitt 21-jährigen Burschen in Nordamerika aber ein bisschen was gut zu machen haben, buchen sie die längste Tour ihrer noch jungen Geschichte. Mit dabei sind W.A.S.P., die gerade mit ihrem gleichnamigen Erstling ein paar konservative Seelen erschreckt und, ätsch, sogar Platz 74 der Billboard-Charts erreicht haben. Deshalb gehen die Männer um Blackie Lawless auf dieser Tour auch als Headliner an den Start – zunächst. Den Anfang machen allabendlich Armored Saint, alte Metallica-Kumpels aus Los Angeles.

Zehn Wochen Wahnsinn

Die erste geplante Show in Boston fällt aus, also passiert der Start am 10. Januar 1985 in Scotia im Staat New York. Von da an marodiert die Bande bis 19. März durch den Kontinent: 57 Termine in zehn Wochen, große Pausen gibt es nicht, nur alle paar Tage mal einen Day Off. Gleich drei Mal hintereinander gastieren W.A.S.P., Metallica und Armored Saint im legendären L’Amour in Brooklyn, am 8. Februar feiert in Milwaukee, Wisconsin Fade To Black Livepremiere, die „Ballade“ von Ride The Lightning, was eine Seltenheit in dem neuen Genre darstellt. Aber das Ding scheint gut anzukommen, denn fortan steht die Nummer immer auf dem Programm. 

Anfangs geben W.A.S.P. den Headliner…

Ansonsten bietet die Setlist nach dem schon damals obligatorischen Ennio-Morricone-Intro The Ecstasy Of Gold die Schätzchen der beiden ersten Platten, also: Hits. Los geht’s mit der schönen Links-Rechts-Kombination Fight Fire With Fire und Ride The Lightning, Cliff Burton spielt sein Basssolo (Anesthesia) Pulling Teeth, und schon damals ist Seek And Destroy Pflicht. Coversongs gibt’s auch, nämlich Am I Evil? von Diamond Head und – ein einziges Mal – The Money Will Roll Right In von der Punkband Fang. (Ein unfertige Studioaufnahme der Nummer findet sich Dekaden später in der Deluxe-Edition von Master Of Puppets.) 

In Toronto kommen Alex Lifeson und Geddy Lee von Rush zu Besuch, zu der Zeit bereits gestandene Rockstars. Und sie sind nicht wegen W.A.S.P. da, wie Blackie Lawless später dem Circus Magazine erzählt. (Tatsächlich ist Lee kurzzeitig als Produzent für Master Of Puppets im Gespräch.)

Party Time

Wenn nun Jungs mit Anfang 20 durch die Lande ziehen, gleicht das selbstverständlich einer Klassenfahrt in eine Brauerei ohne Aufsicht, aber mit Dauerfreibier. W.A.S.P.-Gitarrist Chris Holmes erinnert sich in Guitar World: „Wir waren alle gleich alt, es ging zu wie im Irrenhaus. Mit Cliff Burton habe ich ständig gefeiert.“ Der wurde auch mal in einem Schneesturm an einem Rastplatz vergessen. Sowas passiert. Später grüßen Metallica ihren Partykollegen in der Dankesliste der folgenden Platte mit einem herzlichen „Hey Shitfuck!“.

Und dann sind da ja noch die Damenbekanntschaften: „Der große Unterschied zwischen Europa und Amerika damals waren die Mädels“, stellt Lars Ulrich rückblickend fest. Während hierzulande vor allem Männer die Konzerte besuchen, kommen in den USA auch Frauen – und manche davon wollen die Musiker offensichtlich näher kennenlernen. „Bei jeder Show hingen Mädels backstage oder im Bus rum. Das waren alle klischeehaften Extravaganzen, die ihr euch vorstellen könnt.“

Dabei geben sich Männlein und Weiblein nicht kleinlich, wer Spaß haben will, amüsiert sich, „sharing is caring“, und der Bus wird Edna Express getauft – nach dem Metallica-Codeword für Groupies. „Lars hat sie umgarnt und sie ins Bett gelabert“, erinnert sich James Hetfield, „auf Kirks Babygesicht standen die Mädchen, und Cliff… der hatte einen großen Penis. Das hat sich wohl rumgesprochen.“ Junge Leute von der Leine gelassen eben, wie es in der Historie des Rock’n’Roll nicht zum ersten Mal passiert. „Es war so cool, von daheim weg zu sein, Musik zu machen, zu trinken und mit den Kumpels rumzuhängen, ohne irgendwelche Verantwortung“, sagt der Drummer Jahre später. „Sowas kann natürlich nicht von Dauer sein, aber das war eine großartige Zeit.“

Wie zwei gegnerische Armeen

Auf der Bühne allerdings passen W.A.S.P. und Metallica nicht so recht zueinander, zumindest zeichnen sich schnell zwei getrennte Lager in den Fanscharen ab. Während W.A.S.P. bei allen Horrortexten und Blutschmierereien tendenziell doch eher für den pompösen L.A.-Style mit großer Show stehen, kommen Metallica viel reduzierter, unprätentiöser und signifikant aggressiver daher. Blackie Lawless jedenfalls erklärt rückblickend: „Als wäre eine unsichtbare Linie mitten durch die Halle gezogen worden. Die Hälfte gehörte ihnen, die andere Hälfte uns. Es spielte auch keine Rolle, was wir auf der Bühne angestellt haben. Die Fans sahen aus wie zwei gegnerische Armeen. Manchmal haben wir einfach aufgehört und nur zugesehen. Das war Krieg.“

Irgendwann wechseln sich Metallica und W.A.S.P. auf der Headliner-Position ab.

Weil Metallica zu dieser Zeit massiv an Gefolgschaft gewinnen, fällt es W.A.S.P. oft nicht leicht, nach den jungen Wilden aus San Francisco aufzutreten, wie manche Besucher berichten. Irgendwann wechseln sich die beiden Bands dann mit dem Headliner-Slot ab. Ab 25. Februar schließlich spielen Armored Saint und Metallica alleine, weil W.A.S.P. auf die hocherfolgreiche World Slavery Tour von Iron Maiden aufspringen.

Ein Schritt zur Weltherrschaft

So bekommen Armored Saint am 10. März in ihrer Heimatstadt Los Angeles vor 4000 Fans die Gelegenheit, ihrerseits als letzte zu spielen, weil Metallica für ihre alten Kumpels verzichten. Keine gute Idee, wie Fotograf Ross Halfin sich erinnert: „Das ist das einzige Mal, dass ich erlebt habe, dass die erste Band den Headliner geradezu zerstört hat. Armored Saint konnten Metallica nichts entgegensetzen, als sie dran waren.“

Keine Frage also: Mit ihrer ersten großen US-Tour haben James Hetfield, Lars Ulrich, Cliff Burton und Kirk Hammett keine vier Jahr nach Bandgründung ihren Status als die Speerspitze des Thrash weiter zementiert und den nächsten Schritt Richtung Weltherrschaft getan…

Das Tourshirt von der „Ride The Lightning“-Rundreise.

 

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