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Popkultur

Zeitsprung: Am 3.10.1980 veröffentlichen Diamond Head „Lightning To The Nations“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 3.10.1980.


von Christof Leim

In der „New Wave Of British Heavy Metal“ Anfang der Achtziger schwimmen Diamond Head noch vorne mit, doch wirklich bekannt werden sie erst, als die Band mit dem großen „M“ fast alle Songs vom Debütalbum „Lightning To The Nations“ nachspielt. Das kam am 3. Oktober 1980 raus, und ja, da ist „Am I Evil?“ drauf.

Hier gibt’s das Schätzchen von Diamond Head in der Neuauflage von 2020 zu hören:

In England ging was damals, vielleicht war ja was im Wasser. Oder im Bier. Die Achtziger starten jedenfalls sehr metallisch drüben auf der Insel. So bringen Iron Maiden am 14. April 1980 ihr herrliches Debüt raus, am gleichen Tag (!) definieren Judas Priest mit British Steel Ästhetik und Sound eines ganzen Genres. Auch MotörheadSaxon und Def Leppard sind schon unterwegs. Daneben machen andere unzählige Kapellen auf Klein- und Kleinstlabeln neuartigen Krach. „NWoBHM“ wird die Welle später getauft, was komisch aussieht und für „New Wave Of Heavy Metal“ steht. (Wenn man es genau nehmen will: Motörhead und Priest zählen nicht dazu, denn die gab es da schon ein paar Jahre vorher. So oder so: Es geht was.)

Heutzutage ein bisschen übersehen werden dabei manchmal Diamond Head aus Stourbridge in den West Midlands. Dabei passt die Band stilistisch bestens rein in diese Metal-Ursuppe und lässt sowohl Fans als auch die Musikindustrie aufhorchen. Sogar Supportslots für AC/DC und Iron Maiden stehen auf dem Plan. Doch während die eingangs genannten Kollegen Plattenverträge, sogar bei Majorlabels unterschreiben, will bei der Mannschaft um Gitarrist Brian Tatler und Sänger Sean Harris niemand so recht anbeißen. Diamond Head bleiben notgedrungen „independent“ und legen vielleicht deshalb in den folgenden Dekaden keine riesige internationale Karriere hin. Aber das macht erstens die Songs nicht schlechter, zweitens erweisen sich Diamond Head als wichtiger Einfluss in der erstarkenden Metal-Szene der Frühachtziger. 

Diamond Head 1980: Duncan Scott, Sean Harris, Colin Kimberley, Brian Tatler. – Foto: Kevin Cummins/GettyImages

Lars liebt Lightning

Vor allem ein junger dänischer Überfan namens Lars Ulrich findet hier die Blaupause für seine eigene Band. Keine Übertreibung: Ohne Diamond Head würden Metallica nicht so klingen wie sie klingen. Lars reist als Teenager sogar nach Großbritannien und sitzt bei seinen Helden im Proberaum. Bei Diamond Head schauen sich Ulrich, James Hetfield und ihre damaligen Kollegen Dave Mustaine und Cliff Burton richtig viel in Sachen Arrangements und Songstrukturen ab. Das liegt vor allem am Debütalbum Lightning To The Nations, das am 3. Oktober 1980 über das kleine Label Happy Face Records erscheint. Die Platte hat im Original sieben Songs, und mindestens fünf (!) davon spielen Metallica im Laufe ihrer Karriere nach. Vier nehmen sie sogar selber auf und veröffentlichen sie als B-Seiten.

Das Album entsteht Ende 1979 innerhalb von sieben Tagen in einem Studio namens The Old Smythy in Worcester und wird ursprünglich nur in einer weißen Hülle ohne Titel oder Songliste veröffentlicht, nur mit der Signatur eines oder mehrerer Musiker, weshalb die Scheibe auch auch oft White Album genannt wird. Der Grund liegt darin, dass der Manager eine Kartonfabrik besitzt und die Hüllen günstig herstellen kann. Außerdem soll die Scheibe ohnehin dafür sorgen, endlich auch den ersehnten Majorlabel-Deal an Land zu ziehen. Die 1000 Exemplare dieser Erstpressungen gelten mittlerweile erwartungsgemäß als wertvolle Sammlerstücke.

So ungefähr sah das 1980er-Originalcover von „Lightning To The Nations“ aus. Dies ist die Neuauflage von 2004.

Jahrelang verschollen

Später wird der Name des ersten Liedes zum Albumtitel, und das Ding bekommt ein Cover. Heute gibt es gleich mehrere Neuauflagen mit haufenweise Bonusmaterial, die sich in ihrer Quelle und Qualität unterschieden – denn die originalen Masterbänder waren lange Jahre verschollen. Diamond Head hatten sie an die deutsche Plattenfirma Woolfe Records für eine Vinylveröffentlichung geschickt und nie wieder gesehen. Angeblich soll es Lars Ulrich höchstselbst gewesen sein, der die Bänder zusammen mit der deutschen Phonogram wieder aufspürt. Gemeinsam veröffentlichen sie 1990 die Compilation New Wave Of British Heavy Metal ’79 Revisited mit gleich zwei der originalen Diamond-Head-Tracks.

Stilistisch bietet Lightning To The Nations rifflastigen Ur-Metal, recht typisch für die Zeit und für England, kein schlechtes Zeug. Wirklich bekannt werden Diamond Head vor allem durch die Metallica-Coverversionen von The Prince, It’s Electric, Helpless und natürlich Am I Evil?. Den nehmen Lars und seine Jungs schon 1984 als B-Seite für Creeping Death auf und spielen ihn jahrzehntelang live. Die anderen Nummern erscheinen auf Garage Days Re-Revisited, Garage Inc. und als Bonustracks. Sucking My Love steht in den frühen Jahren der Thrash-Helden oft auf der Setlist. Das alles bringt Diamond Head ständig nette Post von der britischen GEMA, Brian Tatler spricht sogar davon, dass diese Coverversionen ihm ein Dach über dem Kopf beschert haben. Es sei ihm gegönnt, denn das Hauptmotiv von Am I Evil? gehört zu geilsten Metal-Riffs aller Zeiten, und darüber wird auch nicht diskutiert. Einfach, wahnsinnig effektiv und dank des Tritonus auch ordentlich böse (für die Theoretiker: E und A#, wie es sich gehört). Danke, Brian. Auch von Lars.

Zeitsprung: Am 26.12.1963 wird Metallica-Drummer Lars Ulrich geboren.

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