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Popkultur

„Total Thrash“: Alles zur Doku über die deutsche Thrash-Szene

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Tom Angelripper
Foto: Screenshot aus „Total Thrash“

In seiner gut anderthalbstündigen Dokumentation Total Thrash — The Teutonic Story beleuchtet Regisseur Daniel Hofmann die Ursprünge und die Gegenwart der deutschen Thrash-Metal-Szene. Sodom, Kreator, Holy Moses, Destruction: Sie alle haben den „Teutonic Thrash“ geprägt. Mit Traitor, Space Chaser und Pripjat kommen in dem Streifen auch die jüngeren Vertreter des Genres zu Wort. Wir sind für euch ins Herz des Ruhrpotts gereist und haben am 31. Mai 2022 die Weltfilmpremiere in Essen besucht.

von Timon Menge

An den Anblick langhaariger Kuttenträger*innen ist man in Essen längst gewöhnt. Doch am 31. Mai 2022 liegt in der Ruhrpott-Metropole ein ganz besonderes Bier-Aroma in der Luft: Vor der Lichtburg, Deutschlands größtem Kino, liegt ein roter Teppich. Weder Tom Cruise noch Sandra Bullock haben sich angekündigt. Nein, bei der heutigen Weltfilmpremiere schreitet die deutsche Thrash-Metal-Szene über den feierlichsten aller Bodenbeläge.

Total Thrash

Man merkt sofort, dass der pompöse Anlass für die Metaller*innen kein Heimspiel ist. Unsichere Blicke, legere Kleidung, Zigarette in der Hand: In der Welt der Krachmusik verstellt man sich auch dann nicht, wenn es Lachshäppchen gibt. Doch als die letzten Bilder der Dokumentation Total Thrash über die große Leinwand flimmern, ist vor allem eines klar: Die deutsche Thrash-Szene hat jeden Grund, sich feiern zu lassen und sich selbst zu feiern.

Total Thrash: Die Geschichte der deutschen Thrash-Szene

Ob Zechensiedlungen oder der badische Rhein: Deutscher Thrash stammt aus einfachen Verhältnissen. „Man konnte damals keine großen Sprünge machen“, erzählt Sodom-Frontmann Tom „Angelripper“ auch im Film. „Aber wir sind alle wohlbehütet aufgewachsen.“ An die Initialzündung für seine Band erinnert er sich noch genau: „Wir hatten damals in Gelsenkirchen so einen Plattenladen, der Platten aus England und Amerika bekommen hat, bevor die in Deutschland überhaupt rausgekommen sind. Eines Tages hat der Besitzer mich angerufen, mit so ’nem normalen Telefon mit ’nem Hörer, und hat gesagt: ‚Komma vorbei, ich hab wat für euch.‘ Und dann hatte der die erste von Venom da. Da war vorbei. Da war für uns klar, dass wir selber Musik machen wollten. Ohne diese Venom-Platte wäre wahrscheinlich alles ganz anders verlaufen.“

Zum Glück ist es das nicht. Der Thrash bietet den Jugendlichen im wenig luxuriösen Ruhrpott eine Zuflucht und gibt ihnen die Möglichkeit, sich von der Tristesse und von der zunehmenden Arbeitslosigkeit im Kohlerevier abzulenken. Auch süddeutsche Vertreter wie Destruction und Tankard spielen lautstark gegen die Langeweile an. Und nicht nur das: Stück für Stück erarbeiten sich die deutschen Bands einen Namen, vor allem in der damaligen Tape-Trading-Szene.

Ventor

Kreator-Schlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil (Foto: Screenshot aus „Total Thrash“)

In ihren Anfangstagen müssen sich die Musiker noch mit Problemen herumschlagen, die heute glücklicherweise längst der Vergangenheit angehören, wie Kreator-Drummer Jürgen „Ventor“ Reil erzählt: „Ich bin damals zu meinem Chef gegangen und habe gesagt: ‚Ich brauche im Oktober zehn Tage Urlaub für Studioaufnahmen.‘ Da hat er zu mir gesagt: ‚Nein.‘ Ich sach: ‚Ja, doch.‘ ‚Nein‘, sachter. ‚Geht nich. Urlaub is dann und dann.’“ Inzwischen sind Kreator und Co. längst ihre eigenen Chefs.

Eine liebevolle Verneigung vor der härtesten Musik Deutschlands

Mit seiner Dokumentation gelingen Regisseur Daniel Hofmann viele Dinge. Er zeigt die Anfangstage einer musikalischen Welt, die vielen zu krachig ist, ohne dabei auch nur den Hauch eines Zweifels daran zu lassen, wie sympathisch ihre Akteure sind. Hofmann beleuchtet den Facettenreichtum der deutschen Thrash-Welt, genauso wie ihr technisches Können. Er zeigt die regionalen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Szenen aus dem Ruhrgebiet, Frankfurt, Baden-Württemberg und der DDR.

Daniel Hofmann

“Total-Thrash”-Regisseur Daniel Hofmann (Foto: Marc Schnittker)

Bei all dem konzentriert er sich nicht nur auf die „alte Riege“, sondern lässt auch die Zukunft des „Teutonic Thrash“ zu Wort kommen, wie zum Beispiel Traitor aus Balingen, die auch den Titelsong für den Film beisteuern. Kritisieren könnte man höchstens, dass sich hier und dort ein wenig Langatmigkeit in die 107 Minuten Laufzeit schleicht. Aber ganz ehrlich: Wer den Rest des Jahres mit 180 unterwegs ist, so wie die deutsche Thrash-Szene, darf bisweilen auch mal durchatmen — und sich einfach nur selbst feiern.

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