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Popkultur

Zeitsprung: Am 30.4.1975 endet der Vietnamkrieg – mit „White Christmas“.

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Improvisierter Hubschrauber-Landeplatz bei Saigon, April 1975 - Dirck Halstead/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.4.1975.

von Christof Leim

Wenn an einem Apriltag das bekannteste Weihnachtslied der Welt im Radio läuft, darf man sich wundern. Wenn das in einer belagerten vietnamesischen Stadt passiert, und zwar alle Viertelstunde, steckt etwas dahinter. „White Christmas“ begleitet den „Fall von Saigon“ und damit das Ende des Vietnamkrieges am 30. April 1975.

Krieg und Musik

Natürlich hinterlässt der Vietnamkrieg seine Spuren in der Rockmusik. Fast 20 Jahre dauerte die Auseinandersetzung zwischen dem kommunistischen Norden und dem westlich orientierten Süden des Landes, unterstützt in einem Stellvertreterkrieg von Russland und China auf der einen, den USA und anderen Alliierten auf der anderen Seite. Unzählige Protestsongs wurden geschrieben, es folgten Friedensbewegung, Flower Power und Jimi Hendrix’ intensive Version von The Star-Spangled Banner in Woodstock. Und es gibt noch einen weiteren Bezug des Krieges (der auf der anderen Seite übrigens „The American War“ genannt wird) zur Populärkultur. Und der hat mit einem geheimen Signal zu tun…

Im März und April 1975 rücken die Truppen des kommunistischen Norden auf die südvietnamesische Hauptstadt Saigon zu, und es sieht nicht danach aus, als könne die Stadt gehalten werden. Deswegen wird „Operation Frequent Wind“ gestartet, um die letzten verbliebenen US-Bürger und -Bürgerinnen per Hubschrauber zu evakuieren. Dabei handelt es sich vor allem um Botschafts- und Militärpersonal sowie CIA-Angestellte, aber auch um Menschen aus Südvietnam, die eng mit den Vereinigten Staaten oder der nationalen Regierung zusammengearbeitet haben. 

Der Geheimcode

Schon vorher war für diese Situation ein geheimes Signal vereinbart worden: „Die Temperatur in Saigon beträgt 105 Grad Fahrenheit und steigt weiter.“ Diesen Satz würde das Militärradio senden, gefolgt von White Christmas, und das alle Viertelstunde. Sodann sollten die entsprechenden Personen sich zu Sammelstellen begeben, um mit Bussen zu Abflugpositionen gebracht zu werden. Einige japanische Presseleute lassen sich deshalb das Lied vorsingen, weil sie es nicht kennen.

Das Signal kommt zum ersten Mal am 29. April 1975, um 14:06 Uhr landet der erste Hubschrauber auf einem Militärgelände. Auch aus der Botschaft werden Flüchtlinge und Personal ausgeflogen. Ein CIA-Mitarbeiter namens Frank Snepp bezeichnet die Situation – drohende Attacke, Helikopter in der Luft und White Christmas im April – als „bizarr kafkaesk“. Man kann es nachvollziehen. Am Morgen des 30. April um 4:48 Uhr steigt der letzte Zivilist, Botschafter Graham Martin, in eine wartende Maschine, um 7:53 Uhr fliegen auch die letzten Wachmannschaften ab. (Mehr Details hier.) Somit endet die US-amerikanische Präsenz in dem Land und damit de facto auch der Vietnamkrieg. Zu den Klängen eines Weihnachtsliedes.

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