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Popkultur

Zeitsprung: Am 1.4.1970 kommt Woodstock ins Kino.

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Foto: Filmposter

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.1970.

von Matthias Breusch und Christof Leim

Die Mutter aller Rock-Festivals heißt Woodstock. Verantwortlich für den Mythos ist auch der bahnbrechende Film darüber, der am 1. April 1970 in die Kinos kommt. 

Hier könnt ihr euch das Soundtrack-Album zum Film anhören:

Hätte der Rest der Welt nie eine Dokumentation von Woodstock zu sehen bekommen, mit dem furiosen Finale von Jimi Hendrix am Montagmorgen  – wer weiß, ob die Legende auch nur annähernd so riesig geworden wäre. Selbst wenige Tage vor dem 15. August 1969, als bereits annähernd 100.000 Tickets verkauft sind, sieht es nicht danach aus, als sollte es überhaupt einen Film geben. Alle, die in New York City dafür in Frage kämen, sind entweder mit anderen Projekten beschäftigt oder können sich mit den Festivalveranstaltern nicht einigen, denn diese erwarten Eigenleistungen von Produzentenseite und möchten keine eigenen Vorschüsse in die Dokumentation stecken.

Im kreativen Vakuum

„Es herrschte praktisch ein Vakuum. Zwei Wochen vor dem Termin arbeitete absolut niemand an einem Film“, erinnert sich Dale Bell, einer der Co-Produzenten von Woodstock. Michael Wadleigh sieht hingegen seine Chance und handelt einen Vertrag aus, der ihm in kreativer Hinsicht alle Freiheiten lässt. Bell hat Wadleigh wenige Jahre zuvor als Pionier der Steady Cam kennengelernt, der am Körper getragenen Kamera, die beide Hände frei lässt. „Er war der geborene Kameramann“ urteilt der Produzent über den neu verpflichteten Filmemacher. Wadleigh, der sich seine Brötchen unter anderem mit Beiträgen für das amerikanische Schulfernsehen verdient, wird als Regisseur von Woodstock in die Geschichte eingehen – mit dem Einsatz etlicher 16-Millimeter-Kameras, aber nicht zuletzt auch dank eines technischen Quantensprungs, der die Film- und Fernsehwelt revolutioniert.

Ende Juni 1969 avanciert Aretha Franklin unfreiwillig zur Patin des Films, berichtet Bell weiter. Zwei Songs werden bei einem Auftritt der Diva in Detroit aus mehreren Perspektiven mitgeschnitten. Und in einem New Yorker Studio steht zufällig eine brandneue Maschine, mit der diese Aufnahmen zusammen in ein Bild montiert werden können. Jeder, der den ersten Split Screen der Film- und Fernsehtechnik zu sehen bekommt, ist hingerissen. „Ab da hatten wir die konkrete Idee für einen Konzertfilm.“

200 Kilometer Material

Eine Woche vor Beginn des Festivals quetscht sich die Vorhut der Crew samt Equipment in zwei Autos und reist zum Milchhof von Max Yasgur, auf dessen Viehweiden das Ganze stattfinden soll. „Wir ließen uns ein Kamera-Areal bauen, um auf ganzer Breite filmen zu können, und baten um eine begehbare Zone unterhalb der Bühne als Arbeitsbereich für 15 bis 20 Leute.“ Außerdem werden bewegliche Doku-Teams zusammengestellt, die alles festhalten sollen, was sich abseits der Bühne ereignet. Insgesamt hat Wadleigh nun 60 Personen für Bild, Ton und Technik vor Ort versammelt, darunter 15 Kameraleute. 

„Wir hatten weder Geld noch Klamotten zum Wechseln, fast nichts zu essen und konnten kaum an Schlaf denken“, erinnert sich Dale Bell an die Strapazen. „Aber als wir am Montag einpackten, wussten wir, dass wir etwas ganz Großes eingefangen haben.“ Dabei reichen die rund tausend mitgebrachten Filmrollen nicht einmal aus, wie Wadleigh bemerkt: „Wir konnten gar nicht alles aufnehmen, weil sich die Bands nicht an die Ablaufpläne hielten und gar nicht mehr zu spielen aufhören wollten.“ Aus annähernd 200 Kilometern abgedrehtem Filmmaterial schneiden Wadleigh und seine Mitwirkenden, darunter der 27-jährige Martin Scorsese, den 184 Minuten langen Monumentalfilm über viel Musik, noch mehr Schlamm, staunende Landbewohner und eine halbe Million friedlicher Kids. Woodstock wird weltweit zum Renner an den Kinokassen. 

Das liebe Geld

Ganz nebenbei saniert der Film auch noch die Veranstalter. Eine Million Menschen sollen sich auf den Weg gemacht haben, um Santana, Joan Baez, Janis Joplin, Joe Cocker und The Who zu sehen. Hunderttausende kommen auf dem Gelände an, noch bevor auch nur die Umzäunung fertig ist. Die Kosten wachsen ins Unermessliche, vor allem da viele der Auftretenden angesichts der Menschenmassen einen Nachschlag auf ihre Gagen fordern.

Das Filmposter

Um dem Bankrott zu entgehen, beteiligen die Organisatoren Warner Brothers zu einem weit höheren Prozentsatz an ihrem Anteil aus den Filmerlösen als ursprünglich geplant ist. 600.000 Dollar werden als Produktionskosten ausgewiesen, 50 Millionen Dollar alleine an den US-Kinokassen eingenommen. Elf Jahre dauert es, bis auf dem Konto der Woodstock-Macher eine schwarze Null steht.

Zeitsprung: Am 15.8.1969 beginnt das Woodstock-Festival.

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