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Popkultur

Zeitsprung: Am 18.8.1969 beendet Jimi Hendrix das legendäre Woodstock Festival.

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Foto: Barry Z Levine/Getty Images

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 18.8.1969.

von Christof Leim und Tom Küppers

Kein anderes Ereignis verkörpert die Hippie-Ära der Sechziger so sehr wie das legendäre Woodstock-Festival oder offizieller “Woodstock Music & Art Fair”. An die 400.000 Freaks und Blumenkinder zelebrieren im Sommer 1969 ein langes Wochenende voll Sex, Drogen und Rock’n’Roll (und das ist hier keine Metapher, sondern wörtlich gemeint). Dank des Dreifachalbums Woodstock und des gleichnamigen Films sind diese heutzutage fester Bestandteil der Popkultur. Ein Moment ragt jedoch ganz besonders heraus…

Hier könnt ihr in Jimis Auftritt in Woodstock reinhören:

Mit Alben wie Are You Experienced (1967) und Electric Ladyland (1968) hat Jimi Hendrix die Rockwelt revolutioniert. Was er seiner Gitarre an Klängen entlocken konnte, hatte es bis dato schlicht nirgends gegeben. Damit konnte sich der am 27. November 1942 geborene Musiker zum größten Star der damaligen Musikszene entwickeln, Edelmetall-Auszeichnungen und Rekordgagen inklusive. 1969 gilt der 26-Jährige einigen Quellen zufolge sogar als der bestbezahlte Musiker der Welt. Dementsprechend sollte Hendrix als ultimativer Headliner für den großen Festivalabschluss sorgen.

Kurzfristige Umbesetzungen

Doch ein paar Wochen vorher rumpelt es kräftig im Gebälk: Nach einem Auftritt in Denver zerfällt seine bisherige Formation Jimi Hendrix Experience in ihre Einzelteile, als Bassist Noel Redding das Handtuch wirft. Daraufhin schart der Bandchef neue Musiker um sich, darunter Billy Cox als Ersatz für Redding, Larry Lee als zweiten Gitarristen und die Percussionisten Juma Sultan und Jerry Velez. An den Drums sitzt weiterhin Mitch Mitchell. Mit dieser Gruppe bereitet er sich nicht mal zwei Wochen lang für den Woodstock-Auftritt vor. Mitchell kommentiert später, diese Besetzung habe nie so recht eine musikalische Verbindung gefunden.

Am Abend der Show läuft ebenfalls nicht alles glatt: Durch eine Kombination aus organisatorischen Missständen, weil die Veranstalter von einer wesentlich kleineren Besucherzahl ausgegangen waren, und immer wieder das Programm unterbrechenden Regengüssen verzögert sich der Ablauf massiv. Statt um Mitternacht des Festivalsonntags geht Jimi Hendrix erst in den frühen Morgenstunden des Montags, am 18. August 1969 gegen 8 Uhr, auf die Bühne. Nach insgesamt drei Tagen Musik und mehr als zwölf Stunden Verzögerung hat sich das Publikum zwar deutlich verkleinert (Schätzungen variieren zwischen 25.000 und 40.000), doch wer jetzt noch dabei ist, erlebt einen musikhistorisch wichtigen Moment, für den Hendrix diesmal keine Gitarre opfern muss

Sonne & Regenbogen

Der Biograf Charles R. Cross behauptet, Jimi sei zu diesem Zeitpunkt bereits drei Tage wach. Was man aufgrund des Künstlers zur Genüge dokumentierter Vorliebe für Rauschmittel zu glauben durchaus geneigt ist. Seine Synapsen funktionieren allerdings noch tadellos, wie er schon zu Beginn seines Auftritts unter Beweis stellt. Nachdem der Ansager die Band noch als Jimi Hendrix Experience vorgestellt hat, kontert Jimi mit gewohnt charmantem Tonfall, dass man heute unter dem Namen Gypsy Sun And Rainbows antreten würde. „For short, it’s nothin’ but a band of gypsys“ sagt er, bevor die Truppe mit dem neuen Message Of Love in ihr Programm einsteigt. Die Setlist besteht dabei natürlich vor allem aus Experience-Stücken.

Hendrix und seine Musiker können den Erwartungen mühelos gerecht werden. Selbst von einer gerissenen Saite bei Red House lässt sich der Meister nicht aus der Ruhe bringen und spielt den Song mal eben mit fünf Saiten zu Ende. Doch gegen Ende des Sets kommt es zu einem magischen Moment, über den zu Recht bis heute geredet wird: Jimi stimmt The Star Spangled Banner an.

Mittels Effektpedalen, Rückkopplungen und Vibratohebel imitiert er dabei Bombeneinschläge, das Rattern von Maschinengewehren und durch die Luft fliegende Raketen und macht so aus der amerikanischen Nationalhymne ein Kunstwerk. Das kann und sollte als Kritik an der damaligen Politik und dem herrschenden Vietnamkrieg verstanden werden – eine atemberaubende Interpretation, die von der Fachwelt regelmäßig zu den großen Momenten der Rockgitarre gezählt wird.

Verwirrende Erklärung

Nach der Zugabe Hey Joe kollabiert Hendrix hinter der Bühne kurzzeitig vor Erschöpfung, berappelt sich aber schnell wieder. Die Medien zeigen sich verwirrt: Wie hat der Künstler das denn bloß gemeint? Kritisiert er offen die Politik der amerikanischen Regierung oder ist das Ganze ein durchaus eigenwilliger, aber dennoch patriotischer Akt? Jimi lässt sich knapp drei Wochen mit einer Reaktion Zeit und meint dann: „Wir sind alle Amerikaner. Das war gemeint im Sinne von ‚Los jetzt, Amerika!‘ Unsere Interpretation folgt der Atmosphäre, die heutzutage in Amerika herrscht. Die ist irgendwie statisch, verstehst du?“ Nein Jimi, denn so richtig schlau macht uns diese Antwort auch nicht. Aber vielleicht trägt diese kleine Anekdote auch dazu bei, dass genau dieser Moment und dieser Song heutzutage wie kein zweiter für den Spirit der sechziger Jahre stehen.

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