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Popkultur

Geburtsstunde des Post-Punk: Vor 45 Jahren erscheint das Debüt von Public Image Ltd

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Public Image Limited
Foto: Daily Mirror/Mirrorpix/Mirrorpix via Getty Images

Erst erfindet John Lydon mit den Sex Pistols den englischen Punk, dann begräbt er ihn auch schon wieder: Vor 45 Jahren erscheint das ätzende, lärmige, dissonante Debüt von Public Image Ltd. First Issue ist der Mörder des Punk – und der Geburtshelfer des Post-Punk.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr First Issue hören:

Die Geschichte der Sex Pistols war so kurz wie heftig. Binnen weniger Monate erfinden und zerstören sie den Punk, machen ihn erst zur Gegenbewegung, dann zum Trend und ersticken schließlich daran. Nach einer desaströsen, desillusionierenden USA-Tournee voller Psychosen, Drogen und Gewalt bricht die wichtigste Punk-Band aller Zeiten auseinander.

John Lydon will nicht länger Johnny Rotten sein (kann das auch gar nicht, weil ihm die Rechte am Namen nicht gehören) und nichts mehr mit mit seinen alten Bandkollegen zu tun haben. Vor allem kanalisiert sich sein Zorn auf ihren Manager Malcolm McLaren, der die Sex Pistols Lydon zufolge nach Strich und Faden ausgenommen hat. Immer schon ein Fan von Reggae und Dub, reist Lydon nach Jamaika, taucht unter, kommt da aber irgendwie auch nicht weiter.

Abrechnung mit den Sex Pistols

Also kehrt er zurück in den Schoß des Landes, das er mit den Sex Pistols jahrelang in Angst und Schrecken hielt. Er schart neue Musiker um sich, John Wobble etwa oder Keith Levene von The Clash, und startet nur wenige Monate nach dem Ende der Sex Pistols eine neue Band, benannt nach dem gleichnamigen Roman von Muriel Spark.

Der erste Song setzt gleich die Marschrichtung fest: Public Image ist eine schneidende Abrechnung mit „Missmanager“ Malcolm McLaren, den Text dazu schreibt Lydon noch bei den Sex Pistols. John Lydon nennt den Song „eine Abrechnung mit meiner alten Band. Der Rest der Band und Malcolm machten sich nie die Mühe, herauszufinden, ob ich singen konnte, sie nahmen mich einfach als Image. So einfach war das, so stumpfsinnig waren sie wirklich. Nach einem Jahr sagten sie: ‚Warum trägst du dein Haar dieses Jahr nicht mal in dieser Farbe?‘“

Die Geburt des Anti-Rock

Bis in die englischen Top Ten klettert die Single, musikalisch macht sie aber nicht wirklich deutlich, wofür Public Image Ltd stehen. Die Pissigkeit des Punk wird mit metallenem Ächzen, mit scharfkantigen Melodien und dröhnender Dissonanz gekreuzt. Warum eine Nummer wie Attack auf einmal ganz blechern tönt, hat auch seine Gründe: Die Band verpulvert das Budget viel zu schnell, die übrigen Songs müssen übereilt und unstrukturiert in einem billigen Reggae-Studio aufgenommen werden. Einmal Punk, immer Punk, wie es aussieht.

Ansonsten knöpft sich Lydon die katholische Kirche oder seinen ehemaligen Bandkollegen Sid Vicious vor und lebt sich im achtminütigen Monster Fodderstompf ganz in seinem Dub-Universum aus. Schräg ist das alles, fürchterlich schräg und alles andere als leicht konsumierbar. Das ist das erklärte Ziel: Public Image Ltd ist „Anti-Rock“, soll unkommerziell, experimentell und außerhalb jeder Szene lebensfähig sein. Ganz zufällig leistet Lydon damit aber schon der nächsten Szene Geburtshilfe: First Issue wird gemeinhin als frühes Referenzwerk des Post-Punk gesehen – mit Einflüssen aus Avantgarde, Prog-Rock, sogar Disco.

„Von Anfang an ein Todeskampf“

„PiL waren vier verschiedene Leute, die zu verschiedenen Zeiten verschiedene Drogen nahmen“, sagte Wobble mal in einem Interview. „Die Band hielt nur in den ersten zwei Monaten ihrer Existenz irgendwie zusammen. Es war von Anfang an eine Art Todeskampf, der ein paar großartige Alben hervorbrachte.“ Nach dem Erfolg der konventionellen ersten Single erwartet England eine Art Sex-Pistols-Sequel. Stattdessen bekommen sie diesen rohen Brocken vor die Füße gekotzt, mit dem selbst viele Sex-Pistols-Hardliner nichts anfangen können. Der Kerl, der den Punk als Jugendkultur nach England gebracht hat, ist plötzlich ein anderer.

45 Jahre später ist das Album längst Legende. Keine andere Platte dieser Ära klingt so, keine andere Band spielt so. Das Sounds-Magazin urteilt damals dennoch so: Abseits der Single seien es  „morbide, richtungslose Klänge, hinter denen Rottens Poesie herläuft“. Heute relativiert man das: Der AllMusic-Kritiker Uncle Dave Lewis stellte fest, dass die Platte „zu den wenigen Alben von 1978 gehörte, die etwas Bleibendes über die Zukunft der Rockmusik zu sagen hatten.“ Ein Teufelskerl, dieser Lydon: Er braucht nur zwei Platten, um zwei Genres zu erfinden.

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