------------

Popkultur

35 Jahre „Sign O’ The Times“: Das „White Album“ von Prince

Published on

Prince
Foto: John Leyba/The Denver Post via Getty Images

Frau weg, Band aufgelöst, überrollt vom Triumphzug des Hip-Hop, auf sich allein gestellt: Nach turbulenten Zeiten schält sich auf Sign O’ The Times ein neuer, ein anderer Prince aus dem Kokon. Besser, so sind sich die meisten einig, war er nie und wird er nie wieder sein.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Sign O’ The Times hören:

Der Prince, der 1984 den Regen purpur machte, ist 1987 spurlos verschwunden. Es gibt ihn nicht mehr, es gibt seine damalige Ästhetik nicht mehr, es gibt seine Band The Revolution nicht mehr. Der riesige Erfolg in den Charts, bei seinen gigantischen Shows oder in seinen Filmen stürzt ihn vielleicht nicht gleich in eine Sinnkrise; er gibt ihm dennoch zu denken, wohin diese Reise wohl gehen soll. Prince, nach David Bowie das musikalische Chamäleon schlechthin, entscheidet sich für den schwierigen Weg, den kräftezehrenderen Weg. Und wirft alles über Bord, was ihn ausmacht. 1987 ist es Zeit für einen radikalen Neuanfang. Alles auf Null. Und von da zu den Sternen.

Zeichen der Zeit

Das reflektiert letztlich schon der Albumtitel Sign O’ The Times. Die Jahre seit Purple Rain haben die Musikwelt verändert, Hip-Hop wurde vom Subkultur-Phänomen zur Massenbewegung. Prince, stets mit einem Ohr auf der Schiene der Popkultur, deutet die Zeichen der Zeit richtig, verpasst seinem Sound eine Beat-Kur und seiner Ästhetik ein Update. Damit ist er noch vor Michael Jackson dran, der auf Bad wenige Monate später dasselbe tun wird.

Leicht ist diese Transformation nicht. Nach dem Ende von The Revolution versucht er sich an gleich mehreren Projekten und Alben, die nie erscheinen werden: Dream Factory, das Dreifachalbum Crystal Ball und Camille, bei dem er in die titelgebende weibliche Rolle schlüpfen und noch höher singen sollte als sein eh schon glockenhelles Falsetto. Bruchstücke, Reminiszenzen und Überbleibsel dieser Werke soll er auf Sign O’ The Times herüberretten; allein die schiere Menge an Material zeigt neben seinem Genius auch seine schier manische Schöpfungslust.

Das Ende von Purpur

Im starken Kontrast zu den Werken seit Purple Rain arbeitet Prince allein an den Songs, spielt sie allein ein und bekommt allerhöchstens im Studio Unterstützung von Ton-Ingenieurin Susan Rogers, die mit ihm in seiner Heimat Minneapolis, in Los Angeles und sogar in Paris aufnimmt. Es zahlt sich eben aus, wenn man Prince ist und gefühlt jedes Instrument dieser Welt mindestens gut beherrscht. Gemeinsam mit ihr lässt er den purpurnen Jungen hinter sich.

Sieben Jahre nach seinem Durchbruch Dirty Mind, spannenderweise auch das Werk eines besessenen Solitärs, ist Prince ein gewaltiger Popstar. Doch er ist trotz seiner gerade mal 28 Jahre niemand mehr, der sich etwas beweisen muss. Was in mönchischer, hermetischer Arbeit entsteht, ist ein Doppelalbum, das sowohl einige der spärlichsten Instrumentierungen seiner Karriere enthält als auch die größte Bandbreite seines künstlerischen Könnens aufzeigt. Das minimalistische Setup ist klar vom cleanen, straighten, trockenen Rap von Acts wie Run DMC geprägt, der sozialkritische Tenor von Songs wie dem Titelstück auch. Flamboyant, ausufernd, exaltiert ist Prince auf Sign O’ The Times selten. Aber das muss er auch gar nicht mehr sein, um zu zeigen, was er kann.

Antwort auf die Beatles

Das Album ist Princes Antwort auf das White Album der Beatles – und Prince so nah an seinem Vorbild Paul McCartney wie nie zuvor. In der Tat hallen die eklektische Natur, die teils absurden Narrative, die exzentrischen kleinen Geschichten und die nackte Lust an Abwechslung des Beatles-Mammutwerks auch in diesen 80 Minuten wider. Warum das ganz und gar erstaunlich ist? Weil Prince gleich nach Michael Jackson der erfolgreichste Popstar der gesamten Dekade ist. Und mit einem derart unstringenten, experimentellen, bewusst reduzierten Album voller sozialkritischer und spiritueller Untertöne durchaus career suicide betreiben könnte.

Furchtlos

Ist ihm das bewusst? Wahrscheinlich. Ist ihm das egal? Natürlich. Nur deswegen kann er ja so gut sein. Rock, Pop, Jazz, Funk, Soul, Klavier-Unsinn, Schmalz, Balladen, Hip-Hop gehen ein und aus auf diesem Album, das seiner kreativsten, wenn auch schwierigsten Phase entstammt: Die Verlobte Susannah Melvoin, Schwester der Revolution-Gitarristin Wendy, verlässt ihn während der Aufnahmen zu Sign O’ The Times, der sexuell umtriebige Schwerenöter der früheren Platten wird auf einmal zum unsicheren Typen, der über gebrochene Herzen singt. Das gab es nie und das würde es nie wieder geben.

Was bleibt, sind 16 Songs und 80 Minuten Musikgeschichte. Das Album feiert längst nicht so große Erfolge wie Purple Rain. Kenner sind jedoch einstimmig davon überzeugt: Das hier, das ist das Opus Magnum eines Mannes, der wahrlich furchtlos ist. Und das nie wieder so gezeigt hat.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

In klangvollem Gedenken: 10 essentielle Prince-Songs

Don't Miss