Popkultur
Seht hier die Kurzdoku: „Hurt – Das Leben des Johnny Cash“
Nur wenige Menschen konnten die Musiklandschaft so nachhaltig beeinflussen wie Johnny Cash. Am 26. Februar 1932 geboren, verstarb die Country-Ikone am 12. September 2003 im Alter von 71 Jahren. Wir werfen einen Blick zurück auf sein bewegtes Leben und den späten Erfolg mit den American Recordings.
Hier findet ihr unsere Kurzdoku über Johnny Cash:
Hört hier einige Highlights der American Recordings:
Der Mann in Schwarz und der Pakt mit dem Schmerz
Johnny Cash ist die größte Americana-Ikone des 20. und 21. Jahrhunderts, der König der Countrymusik, des Rock and Roll, Gospel und Blues, der unergründliche Man In Black. „Seine Stimme“, schwärmte Bob Dylan, „schien aus dem Mittelpunkt der Erde zu kommen“. Mit whiskey-gegerbtem Bariton sang er seine tiefschürfenden Songs über Schuld und Sühne und das harte Leben der einfachen Leute.
Weit über 90 Millionen Tonträger hat er verkauft. Jeder kennt I Walk The Line und Ring Of Fire. Cash wurde mit den bedeutendsten Preisen und Ehrungen der Musikindustrie dekoriert und sowohl in die Country Music Hall of Fame als auch in die Rock and Roll sowie die Gospel Music Hall of Fame aufgenommen. Die meisten schaffen es nicht mal in eine.
Es sind vor allem aber seine monumentalen American Recordings, die aus dem Solitär Johnny Cash eine Legende machten. Der unmittelbare Klang dieser Platten und ihre schlichte, unter die Haut gehende Schönheit sind es, die Fans erster Stunde und neue Generationen gleichermaßen in den Bann schlagen. Die American Recordings machen den Songwriter Cash in den letzten Jahren seiner Karriere zum Inbegriff des vom Leben gezeichneten Country-Antihelden. Diese Album-Serie ist seine vertonte Autobiografie. Seine Lebensgeschichte, sein Weltschmerz, aber auch sein erhoffter Weg zur Katharsis.
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1994: American Recordings
Dennoch haben die American Recordings einen schweren Start: Anfang der Neunziger scheint Cash trotz weltweiter Berühmtheit am Ende. Der Musikmarkt jener Zeit hat keine Verwendung mehr für den betagten Country-Star eines früheren Amerikas. Doch er hat immer noch Bewunderer. Einer davon ist Rick Rubin. Der Gründer des legendären Hip Hop-Labels Def Jam und Produzent von Metallica, Beastie Boys oder den Red Hot Chili Peppers bietet Cash zu einem Zeitpunkt einen Plattenvertrag an, zu dem wahrscheinlich niemand anderes dazu bereit gewesen wäre. Gemeinsam experimentieren sie und entschieden sich schlussendlich für Minimalismus pur: für Cash und seine Gitarre.
Was folgt, gleicht dem Phönix aus der Asche: Die epochale Ära der American Recordings beginnt. Der Country-Altmeister interpretiert ausgewählte Songs aller Genres und Künstler neu. Die Themen sind bedrückend, düster, depressiv und voller Weltschmerz. In Bird On A Wire von Leonard Cohen scheint er die Welt wie in einem Abschiedsbrief um Verzeihung zu bitten. Songs wie Drive On und Down There By The Train erzählen von der harten und einfachen Kindheit Cashs.
Geboren im Jahr 1932, verlebt er die Zeit der Großen Depression im Süden der USA, genauer gesagt im gottverlassenen Nest Dyess irgendwo im Osten Arkansas’. Als eines von sieben Kindern einer mittellosen Farmer-Familie ackert der junge Cash bereits mit fünf Jahren auf dem Feld. Mit zehn Jahren bekommt er seine erste Gitarre geschenkt. Tragischerweise verliert er in dieser Zeit auch seinen älteren Bruder Jack bei einem Unfall mit einer Kreissäge. In einem späteren Interview bezeichnet ihn Cash als seinen Helden, sein Vorbild. Es ist ein Verlust, den er nie ganz verwinden wird.
Nach seiner Zeit bei der Air Force und seiner Stationierung in Bayern in den Fünfzigern kehrt er nach Tennessee zurück, heiratet das erste Mal und beginnt seine Karriere als Musiker. Es dauerte nicht mehr lang, bis er an der Seite von Elvis Presley oder Jerry Lee Lewis die Popkultur revolutionieren würde.
Zurück im Jahr 1994 wird American Recordings zum unverhofften Erfolg. Das Video zu Delia’s Gone mit Topmodel Kate Moss in der Hauptrolle verschafft dem damals gewaltigen MTV-Publikum praktisch über Nacht Zugang zu einem Crooner, der fast in Vergessenheit geraten war. Cash is back.
1996: American II: Unchained
Darauf lässt sich aufbauen. Für das Album Unchained holt sich Cash Gastmusiker von Bands wie den Red Hot Chili Peppers oder Fleetwood Mac sowie die kompletten Tom Petty and the Heartbreakers ins Studio und erweitert den Klang des Vorgängers um eine erdige, raue Note. Besonders deutlich wird das in seinem Soundgarden–Cover Rusty Cage und der emotionalen Ballade Spiritual von Josh Haden. Die Rhythmen sind rockig, der Klang ist dicht. Und erinnert damit an Cashs Karriere zur Mitte des 20. Jahrhunderts.
Die beginnt 1955 ganz offiziell. Cash veröffentlicht seine erste Single Hey Porter / Cry! Cry! Cry! und spielt im Vorprogramm von Elvis Presley. Kein schlechter Start. Mit I Walk The Line landet er schon im Folgejahr Top-Platzierungen in den Charts. Bei einem Konzert lernt er seine zukünftige Ehefrau June Carter kennen, selbst eine berühmte Country-Musikerin, die mit ihrer Familie durch die Lande tingelt. Cashs Karriere geht steil bergauf. Er verbringt einen Großteil der nächsten Jahre auf Tour. Um dieser Dauerbelastung standzuhalten, flieht Cash erstmals in den Alkohol, greift aber auch zu Amphetaminen und Betäubungsmitteln. I’ve Been Everywhere auf Unchained weiß davon zu berichten.
Die Sechziger hindurch lebt Cash auf der Überholspur. Er wird zum Archetyp des Country Outlaws. 1963 landet er mit Ring Of Fire einen Welthit. Mitgeschrieben von June Carter selbst, thematisiert der Song Cashs anhaltende Sucht und ihre verbotene Liebe zu ihm. Obwohl die beiden jahrelang gemeinsam auf Tournee gehen, bleibt ihre Romanze ein Geheimnis.
1966 scheint Cash ausgebrannt: Gezeichnet vom Drogenkonsum neigt er zu Gewalt, Konzerte werden abgesagt. Schließlich geht seine zerrüttete Ehe in die Brüche. In seiner Verzweiflung zieht sich Cash zurück und denkt sogar über Suizid nach, wie die Nummer Sea Of Heartbreak von Unchained auf bittere Weise verdeutlicht.
Rock hinter schwedischen Gardinen: Diese Musiker haben schon im Knast gespielt!
June Carter ist es, die ihn schließlich aus diesem dunklen Sumpf zieht. Sie begleitet Cash durch den Entzug. Bald steht er wieder auf der Bühne – das erste Mal seit zehn Jahren vollkommen clean. Anfang 1968 spielt er sein legendäres Konzert im kalifornischen Folsom State Prison und zeichnet es auf. Das daraus entstehende Live-Album At Folsom Prison wird zum Referenzwerk, dem in rascher Abfolge weitere Knast-Alben folgen. Wenige Wochen nach seinem Konzert in Folsom heiratet er endlich June Carter.
Zurück im Jahr 1996. Während der Aufnahmen zu Unchained verschlechtert sich Cashs Gesundheit zunehmend. Er kommt dauerhaft nach Hendersonville in Tennessee zurück, wo er seit 1968 lebt, und bezieht sein selbstgebautes Studio, die Cash Cabin. Der Country Boy kehrt heim. Das Album wird fertig. Und ein noch größerer Verkaufsschlager als der Vorgänger.
2000: American III: Solitary Man
Zur Jahrtausendwende setzt Cash seinen introspektiven Seelenstriptease mit American III: Solitary Man fort. Das Album klingt schroffer als die Vorgänger, abgekämpfter und vom Leben gezeichnet. Mit Songs wie I Won’t Back Down von Tom Petty oder dem titelgebenden Solitary Man von Neil Diamond inszeniert sich Cash trotz aller Gebrechen und angekratzter Stimme als ultimativer Antiheld, seinem einsamen Weg bis zuletzt treu ergeben. Unerschütterlich ist seine großartige Interpretation von U2s One. Düster und einsam seine Version The Mercy Seat von Nick Cave. Es sind nur einige der Highlights des dritten Teils der American Recordings.
Sie erinnern nicht zufällig an den frühen Man In Black. Cash beginnt schon in den frühen Sechzigern, stets vollständig in schwarz gekleidet aufzutreten, um sich von den bunten Outfits der Countrymusiker*innen jener Zeit abzusetzen. Das – und seine augenzwinkernde Erklärung, dass schwarze Klamotten auf Tour leichter sauberzuhalten wären – bringt ihm seinen ikonischen Spitznamen ein.
Er passt nicht immer zu diesem Mann, der ein grandioser Entertainer ebenso sein konnte wie ein liebevoller Familienvater. Mit Ehefrau June und seinen Kindern gründet er zum Beispiel das Carter-Cash Tour Ensemble, als Moderator seiner eigenen The Johnny Cash Show im TV empfängt er die bekanntesten Musiker*innen seiner Zeit – unter anderem Bob Dylan, Neil Young und Stevie Wonder.
Doch Cash eckt zunehmend an. Seine konservative Haltung, und insbesondere sein Besuch im Weißen Haus auf der Höhe des Vietnam-Krieges zur Mitte der 1970er, ramponieren seinen Ruf. Auch seine Versuche, ins Filmgeschäft einzusteigen, scheitern grandios. Doch Cash hält es aus. Er hat zu viel erlebt, zu viel mitgemacht und zu viel gekämpft, um sich von so etwas aus der Ruhe bringen zu lassen.
Sein Cover von Will Oldmans I See A Darkness des dritten American-Albums erinnert spät in seinem Leben daran. Auch diese Platte besticht durch unmittelbare, nackte Emotion und einen tiefen Blick in seine zerrüttete Seele. Nur konsequent, dass Solitary Man mit einem Grammy im Bereich Country ausgezeichnet wird.
2002: American IV: The Man Comes Around
Zwei Jahre später – Cash ist mittlerweile 70 Jahre alt – stellt er mit American IV: The Man Comes Around das bisherige Schaffen der American Recordings noch einmal in den Schatten. Flankiert wird die LP von seinen hochkarätigen Country-Versionen der Songs Hurt von Nine Inch Nails und Personal Jesus von Depeche Mode. Beide Bands – zu dieser Zeit längst selbst Weltstars – fühlen sich zutiefst geehrt. Die Tracks werden große Radio-Hits und läuten den sagenhaften Erfolg von The Man Comes Around rund um die Welt ein.
Besessener denn je seziert Cash auf diesem Album die Liebe, den Tod und seinen Glauben. Insbesondere seine Versionen von Bridge Over Troubled Water von Simon & Garfunkel und I Hung My Head von Sting erzählen von der Angst vergangener Zeiten.
Diese dunklen Zeiten waren die vor allem die Achtziger: Cash versinkt erneut im Drogensumpf, schafft jedoch dank seiner Familie den Absprung. Gerade noch so. Er rafft sich auf und gründet die Country-Supergroup The Highwaymen mit Chris Kristofferson, Waylon Jennings und Willie Nelson. Die Veteranen geben sich kämpferisch: Sie sind Teil der traditionsbewussten Outlaw-Bewegung, dem Gegenstück einer neuen Generation Country-Pop-Musiker*innen, die sich dem Mainstream zuwenden.
Doch auch Cashs Supergroup kann die Götterdämmerung der Country-Größen nicht mehr aufhalten: Der Markt wendet sich einer neuen Hörerschaft zu. Cash & Co. sind nicht mehr gefragt, außer Mode. Wegen einer Operation am Herzen zieht er sich Ende des Jahrzehnts aus der Öffentlichkeit zurück. Seine Veröffentlichungen jener Jahre blieben wenig erfolgreich. Cash scheint Geschichte.
Desperado von der Band Eagles wirkt heute die vertonte Trostlosigkeit jener Jahre. Doch in den Schatten blitzt auch Hoffnung auf: First Time Ever I Saw Your Face erzählt von Cashs Sehnsucht nach Erlösung. Ein Glaube, den er vor allem seiner June zuliebe nie aufgibt. Und hier schließt sich der Kreis: Als die Neunziger anbrechen, tritt Rick Rubin auf den Plan. Sie haben eine Vision – der legendäre Produzent und der alte Outlaw. Es ist der Beginn der American Recordings.
The Man Comes Around ist die letzte Platte, die Cash zu Lebzeiten veröffentlicht. Und das ist hörbar. Geschwächt von einer jahrelangen Nervenkrankheit und stetiger Atemnot, erklingt seine Stimme brüchiger. Sie unterstreicht nur die Grundstimmung des Albums, macht es noch unmittelbarer. Doch er ist nicht allein: Seine Weggefährt*innen der letzten Jahre – seine sogenannte Cash-Gang – unterstützen ihn. Auf dem letzten Track We’ll Meet Again kommen alle Gastmusiker*innen noch einmal zusammen. Es scheint, als mache Cash hier in diesem Song endgültig seinen Frieden mit seinen Dämonen, mit seinen Ängsten, mit der Welt.
Ein musikalisches Mahnmal
Im Mai 2003 verstirbt seine große Liebe June Carter Cash nach 35 Jahren Ehe. Es bricht ihm das Herz. Trotzdem zieht es ihn bald wieder ins Studio. Noch im selben Jahr arbeitet er an Unearthed, seinem nächsten Projekt. Er wird es nicht mehr erleben. Cash stirbt im September. In Hendersonville findet er neben June die letzte Ruhe. Auf einem gemeinsamen Gedenkstein prangen die Songtitel I Walk The Line und Wildwood Flower – zwei der erfolgreichsten Songs von Cash und Carter.
Die weltweite Anteilnahme zum Tode Johnny Cashs am 12. September 2003 kommt einem Staatsbegräbnis gleich. Das Cash-Biopic Walk The Line mit Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon nominierte man für fünf Oscars. Die mit dem Film erschienene Compilation Ring Of Fire – The Legend Of Johnny Cash verkaufte sich millionenfach.
Das 2007 erschienene Live-Album Great Lost Performance gehört zu den absoluten Schätzen seines Katalogs. Bis 2010 vervollständigten A Hundred Highways und Ain’t No Grave die legendäre American-Serie. Auch das kurz nach seinem Tod erschienene Outtakes-Meisterwerk Unearthed schrieb die posthume Erfolgsgeschichte weiter.
Johnny Cash schrieb Musikgeschichte, weil er die Geschichten der einfachen Leute vertonte. Weil er ihr Leben lebte. Im Licht wie im Schatten. Cash steht für den Aufstieg, den Ruhm und den Fall seiner Zeit. Er teilte seinen Schmerz und seinen Verlust mit der Welt. Bis heute macht ihn das einzigartig. Zu einem Idol. Einem Mahnmal. Und zur schwarzgekleideten Ikone mehrerer Generationen.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 27.3.1970 veröffentlicht Alice Cooper „Easy Action“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.3.1970.
von Bolle Selke und Christof Leim
Die Rock’n’Roll-Welt steht nicht gerade in Flammen für die Alice Cooper Band, als sie am 27. März 1970 ihr zweites Album Easy Action veröffentlicht. Das könnte nicht zuletzt an der lustlosen Produktion liegen. Trotzdem bietet sich hier ein perfektes Zeitdokument einer sich entwickelnden Band, das man fast als Vorproduktion für den Meilenstein Love It To Death im folgenden Jahr ansehen könnte.
Hier könnt ihr euch Easy Action anhören:
Geneigte Fans und Hardrock-Aficionados wissen vermutlich, dass Alice Cooper für eine Band steht, die sich 1975 auflösen wird. Erst danach adaptiert deren Sänger Vincent Furnier den Namen und wird so zu einem hochgeschätzten Heavy-Metal-Entertainer und Gottvater des Shock Rock.
Psychedelische Scheißmusik
1970 allerdings stehen solche Superlative noch in weiter Ferne. Die Truppe schraubt an ihrem zweiten Album, das ebenso wie der Vorgänger Pretties For You bei Frank Zappas Plattenfirma Straight erscheinen soll. An den Reglern sitzt David Briggs, der heutzutage vor allem bekannt dafür ist, mehr als ein Dutzend Neil-Young-Alben produziert zu haben. Schlagzeuger Neal Smith sagt später über Briggs: „David hasste unsere Musik und uns. Ich erinnere mich, dass unsere Song für ihn ‚psychedelischer Scheiß‘ waren. Wenn man mich fragt, klang Easy Action zu trocken, eher wie eine TV- oder Radiowerbung. Er half in keiner Weise beim Arrangement der Lieder oder lieferte irgendwelchen positiven Input.“ Und so wird kein einziges der Stücke von Easy Action nach der Love It To Death-Tour jemals wieder live von Cooper aufgeführt.
Nichtsdestotrotz bezeichnen manche gerade diese Scheibe als das „große unentdeckte“ Cooper-Album. Während Pretties for You eine schwierige Platte ist und Love It to Death ein Klassiker, könnte man Easy Action als das perfekte Bild einer sich entwickelnden Band ansehen. Beim ersten Stück Mr. And Misdemeanor lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Sänger Furnier seinen bösartig klingenden Gesangsstil definiert. Alice Cooper steht später für drei Minuten lange Hits mit eingängigen Melodien und negativen Themen, welche dann gegen Ende der Alben durch längere Stücke ergänzt werden. So gesehen liefern die Rocker mit Easy Action also fast eine Vorproduktion für Love It to Death, obwohl die Band auf ersterem mehr Erfindergeist zeigt.
Unisex, roh und gewalttätig
Hinter dem Albumtitel steckt eine Zeile aus einem Lieblingsfilm von Furnier und Bassist Dennis Dunaway, dem Musical West Side Story mit der Musik von Leonard Bernstein. Zitate daraus wie „got a rocket in your pocket“ und „when you’re a Jet, you’re a Jet all the way“ werden auch bei dem Song Still No Air verwendet. Das Motiv der halbstarken Gang aus West Side Story wird auch an anderen Stellen von Alice Copper aufgegriffen. Auf dem Cover wendet sich die Band von der Kamera ab, deren unbedeckte Rücken sind nur durch ihr langes Haar bedeckt. Eine Radiowerbung von 1970 pries die Band dann auch als „unisex, roh, miteinander und gewalttätig – genau wie ihr, amerikanische Mitbürger“.
Als ob die Band den fehlenden kommerziellen Erfolg von Easy Action geahnt hätte, beginnt der letzte Song, das psychedelisch abgedrehte Lay Down And Die, Goodbye, mit den Worten des Komikers Tom Smothers: „Ihr seid der einzige Zensor. Wenn euch das, was ich sage, nicht gefällt, habt ihr die Wahl: Ihr könnt mich ausschalten.“
Die Kritiker zerreißen das Album hauptsächlich. Robert Christgau bezeichnet es im Magazin The Village Voice als „unmelodisches Singen, unmelodisches Musizieren, unmelodische Melodien und pseudomusikalischen Beton“. Erst bei Love It To Death entdeckt die Band mithilfe von Produzent Bob Ezrin den Sound für den Alice Cooper heutzutage geliebt wird…
Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.
Popkultur
Der Beginn einer Weltkarriere: Das ABBA-Debüt „Ring Ring“
Auch wenn es 150 Millionen verkaufte Alben später kaum noch vorstellbar ist: ABBA waren nicht immer so erfolgreich wie heute. So landete die Gruppe mit ihrem Debüt Ring Ring im Jahr 1973 noch keinen allzu großen Hit. Ein Jahr später klingelten allerdings tatsächlich die Telefone — und bescherten ABBA den Durchbruch.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Ring Ring von ABBA anhören:
Als ABBA zu Beginn der Siebziger zusammenfinden, haben die vier Mitglieder der Gruppe schon einiges an musikalischer Erfahrung auf dem Buckel. Benny Andersson konnte bereits große Erfolge mit The Hep Stars feiern, Björn Ulvaeus verdiente sich seine Sporen bei den Hootenanny Singers. Anni-Frid „Frida“ Lyngstad singt damals schwedische Schlager, ebenso wie Agnetha Fältskog. Doch durch die Irrungen und Wirrungen des Musikgeschäfts finden die vier Talente Stück für Stück zusammen, zunächst als Paare, dann als Pop-Quartett. Im April 1970 treten ABBA zum ersten Mal gemeinsam auf, und zwar ganz spontan am Strand von Zypern. Die Chemie stimmt. Deshalb dauert es auch nicht lange, bis die ersten gemeinsamen Songs entstehen.
Ring Ring: Wie ABBA ihre Identität fanden
Es sind vor allem Benny und Björn, die für ABBA komponieren. Dabei entstehen zunächst schwedische Stücke wie Hej, gamle man und Det kan ingen doktor hjälpa. Polar-Music-Chef Stig Anderson glaubt fest an das kreative Doppel und prophezeit: „Eines Tages werdet ihr einen Song schreiben, der zum weltweiten Hit wird.“ Vermutlich ahnt damals noch niemand, wie sehr er recht behalten wird. Bereits im März 1972 landen Benny und Björn mit She’s My Kind Of Girl überraschend einen Top-Ten-Hit in Japan; nur ein Vorbote auf die Erfolge der nächsten Jahrzehnte. Ab Mitte 1972 rücken ABBA ihre Frauenstimmen stärker in den Vordergrund. Im Juni erscheint die Single People Need Love — erstmals unter dem Namen Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid.
Mit der Single springen die Musiker*innen auf Platz 17 der schwedischen Charts und merken, dass sie zusammen funktionieren. In den USA landen sie immerhin auf Platz 114 und steigen zum ersten Mal in die Hitparade jenseits des großen Teichs ein. Nachdem sich Benny und Björn zuvor schon einmal beim schwedischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest beworben hatten, startet die Gruppe diesbezüglich einen neuen Versuch. 1973 reichen die Vier den Song Ring, Ring ein, in der Hoffnung, mit dem Stück für Schweden beim Wettbewerb antreten zu dürfen. Das klappt zwar noch nicht ganz, doch einmal mehr gelingt ABBA mit ihrer Musik ein voller Erfolg. Am 26. März 1973 erscheint ihr Debütalbum Ring Ring und legt viele wichtige Grundsteine.
Wie zahlreiche klingelnde Telefone ABBA zum Durchbruch verhalfen
Die ganz großen ABBA-Hits enthält Ring Ring noch nicht. Auch die Performance in den Charts und die Verkaufszahlen lösen noch keine Begeisterungsstürme aus. Zwar erreicht das Quartett in Schweden den zweiten Platz der Hitparade und in Norwegen einen soliden zehnten Platz, ebenso wie in Australien. Doch woanders auf der Welt interessiert man sich noch nicht so sehr für die vier Schwed*innen. Zu Unrecht: Mit dem Titeltrack, People Need Love und She’s My Kind Of Girl enthält das ABBA-Debüt einige echt starke Songs. Auch die unbekannteren Stücke Disillusion und Love Isn’t Easy (But It Sure Is Hard Enough) können sich mehr als nur hören lassen. Bis zum großen Erfolg von ABBA soll es trotzdem noch ein paar Monate dauern.
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Ab Oktober 1973 nimmt das schwedische Musikmärchen langsam Form an. Zum ersten Mal bezeichnet sich die Gruppe selbst als ABBA. Wenig später melden sich die Vier ein weiteres Mal zum schwedischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. Der Glam Rock erobert inzwischen die Welt und ABBA passen sich an. Mit der recht rockigen Nummer Waterloo können die Vier ihr Heimatland überzeugen. Am 6. April 1974 dürfen ABBA für Schweden antreten. Und nicht nur das: Sie gewinnen den Wettbewerb, weil die Telefone klingeln. „Ring, Ring“, quasi. Belgien, Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Finnland, Irland, Niederlande, Südafrika, Schweiz: Überall landet Waterloo auf dem ersten Platz der Singlecharts. Doch das ist eine andere schwedische Erfolgsgeschichte.
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Ola Brunkert: Der langjährige ABBA-Schlagzeuger, den kaum jemand kennt
Popkultur
Eins der letzten großen Rockalben: „Meteora“ von Linkin Park
Geht man nach den Verkaufszahlen, sind Linkin Park die bisher letzte große Rockband der Musikgeschichte. Besonders von 2000 bis 2003 führte kaum ein Weg an den Kaliforniern vorbei. Am 25. März 2003 veröffentlichte die Band ihr zweites Album Meteora — und schlug dafür einen anderen Weg ein als zuvor.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Meteora von Linkin Park anhören:
Der blitzartige Raketenstart gelingt Linkin Park schon mit ihrem Debütalbum Hybrid Theory (2000). Mehr als 30 Millionen verkaufte Exemplare, Top-5-Platzierungen in den USA, Großbritannien und Deutschland sowie 12-faches Platin: Es wirkt damals fast, als hätte die globale Musikwelt bloß auf die kalifornische Gruppe und ihre einzigartige Rock-Hip-Hop-Mischung gewartet. Doch mit ihrem Einstand legen Linkin Park nur den Grundstein für eine jahrelange Erfolgsgeschichte. Das zweite Kapitel der Story: Meteora. Als die Platte am 25. März 2003 erscheint, brechen einmal mehr alle Dämme. Diesmal gelingt sowohl in den USA als auch in Großbritannien und Deutschland der erste Platz der Albumcharts. Entstanden ist der Nachfolger ein wenig anders als das Debüt.
Meteora von Linkin Park: Mehr Einfluss am Mischpult
Um das zweite Linkin-Park-Album zu verstehen, müssen wir zunächst einen kleinen Haken schlagen. Zwischen Hybrid Theory und Meteora bringen Linkin Park im Jahr 2002 nämlich noch die Remix-Platte Reanimation raus. Darauf verpasst die Gruppe den Songs von ihrem Debüt eine Frischzellenkur und interpretiert das Material von Hybrid Theory noch einmal völlig neu. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Veröffentlichungen: Während das erste Linkin-Park-Album vollständig von Produzent Don Gilmore betreut wird, legt für die Remixe vor allem Linkin-Park-Rapper und Multi-Instrumentalist Mike Shinoda Hand an das Mischpult. Linkin Park stellen fest, dass ihnen das Produzieren liegt — und machen deshalb genau so weiter.
Zwar setzen die Kalifornier auch für ihr zweites Album auf die Dienste von Gilmore. Doch diesmal möchten Linkin Park stärker mitreden und mehr experimentelle Ideen in ihren Sound einfließen lassen. „Wir wussten was wir wollten, und bis zu einem gewissen Grad wussten wir auch, wie wir das umsetzen konnten“, verrät Linkin-Park-Frontmann Chester Bennington in einem Interview. „Wir haben einfach losgelegt.“ Die Songs von Meteora entstehen sowohl im Heimstudio von Shinoda als auch während der finalen Produktion. Die Band arbeitet damals paarweise; lediglich Shinoda weiß jederzeit über alles Bescheid. Im Dezember 2002 stellen Linkin Park ihr zweites Album schließlich fertig — und damit auch einige ihrer größten Hits.
Das zweite Album von Linkin Park: Die letzten großen Rock-Hits?
Ob Somewhere I Belong, Faint, Numb oder Breaking The Habit: Meteora strotzt nur so vor einigen der größten Linkin-Park-Songs, genau wie zuvor Hybrid Theory. Inhaltlich beschäftigen sich die Stücke auf Album zwei mit Themen wie Depressionen und Wut, aber auch mit Besserung und Hoffnung. „Wir sprechen in unseren Texten nicht über Situationen, sondern über die Gefühle hinter Situationen“, erklärt Sänger Bennington in einem Interview mit MTV. „Mike und ich sind zwei verschiedene Menschen und können deshalb nicht über dieselben Dinge singen, aber wir kennen beide Frustration und Wut und Einsamkeit und Liebe und Glück. Auf diesen Ebenen können wir uns aufeinander beziehen.“
Im Nachhinein muss man sagen: Mit Meteora legen Linkin Park im Jahr 2002 eins der bisher letzten großen Rockalben vor. Bloß American Idiot (2004) von Green Day und A Rush Of Blood To The Head (2002) von Coldplay gehen ähnlich häufig über die Ladentheke; in ihrer eigenen Diskografie fahren Linkin Park nur mit ihrem Debüt Hybrid Theory noch größere Erfolge ein. Nicht nur das: Ihren Aufstieg verdanken Chester Bennington und Co. nicht zuletzt der Tatsache, dass sie eben keinen lupenreinen Rock spielen, sondern das Genre organisch mit den Hip-Hop-Sounds des 21. Jahrhunderts vermischen. Ob es noch einmal Alben dieser Größenordnung geben wird? Vermutlich schon. Ob es Rockalben sein werden, darf allerdings angezweifelt werden.
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