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Popkultur

25 Jahre „Ultra“: Depeche Modes dunkelste Stunde

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DEPACHE MODE
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Heroin, Alkohol, Zukunftsängste: Ultra ist das Album, an dem Depeche Mode fast zerbrechen. Irgendwie stellen sie es zwar fertig–doch verbergen, wie schlecht es um sie steht, können die spröden, düsteren, brutalen Songs nicht.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Ultra von Depeche Mode anhören:

Als Depeche Mode 1993 Songs Of Faith And Devotion veröffentlichen, weiß noch niemand, dass es Ereignisse in Gang setzen wird, die die Band um ein Haar auseinanderbrechen lassen und Dave Gahan fast das Leben kosten.Zunächst klingt alles noch ganz gut: Das Album ist ein Triumph, die zugehörige Tournee wird die größte und längste, die Depeche Mode je gespielt haben. 14 Monate lang reisen Depeche Mode durch 27 Länder undspielen insgesamt 158 Konzerte vor über zwei Millionen Menschen.

Selbstmordversuch und Überdosis

Das Leben auf der Straße hinterlässt bei allen vier Mitgliedern seine Spuren: Dave Gahan verfällt mehr und mehr dem Heroin, Martin Gores Alkoholismus gerät außer Kontrolle, Andrew Fletcherleidet unter Depressionen und Alan Wilder erträgt es nicht mehr, auf Tour zu sein. „Niemand war nach dieser Tour noch derselbe“, so sagte Goremal. Die Konsequenz: Am 1. Juni 1995, am Tag seines 36. Geburtstags, gibt Alan Wilder seinen Ausstieg bekannt. Man hat ihn einfach nicht genug beachtet.

Viele sehen die Band am Ende. Ein Selbstmordversuch von Dave Gahan im Sommer 1995, gefolgt bei einer Überdosis ein Jahr später, bei der sein Herz volle zwei Minuten stillsteht, scheinen diese Spekulationen zu bestätigen. Doch Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher kämpfen sich irgendwie durch. Und machen sich an die schwere, nervenaufreibende, kräftezehrende und fast schon übermächtige Aufgabe, Songs of Faith And Devotioneinen Nachfolger zu bescheren.

15 Monate Tortur

Insbesondere für Dave Gahan werden die Aufnahmen zur Tortur, mehrmals werden sie abgebrochen. Seine Heroinsucht hat ihn fest im Griff, die Drogen haben ihn so sehr geschwächt, dass er maximal eine Stunde am Tag einsingen kann. Allein für Sister Of Night braucht er mehr als zehn Tage, insgesamt sollen die Aufnahmen gute 15 Monate dauern.

Liegt natürlich auch am Fehlen von Alan Wilder, dessen Beitrag und Verantwortung die Band erst jetzt so langsam realisiert. Wilder, der vor allem im Studio glänzen konnte und an den Reglern das Gros der Arbeit übernahm, wird von einer ganzen Horde an Produzenten und Technikern ersetzt, aufgenommen wird in den Londoner Abbey Road Studios, aber auch in den Electric Lady Studios in New York und in Los Angeles.

Eine leere, dunkle Kathedrale

Was schleppend und quälend entsteht, ist ein düsteres, desillusioniertes Album voller wabernder Soundscapes, brodelnder Elektronik und karger Melodie. Ein Album mit der Klangweite einer leeren, dunklen Kathedrale, auf deren Altar sich die Band selbst opfert. Auch lyrisch machen sich die langen Schatten der Abhängigkeit und ihrer eigenen Berühmtheit bemerkbar.„Whatever you’ve planned for me–I’m not the one“ singt Dave Gahan mit kratziger, angestrengter Stimme. Der denkwürdig harte, schneidende Opener Barrel Of A Gun bringt in Zeilen wie diesen drastisch auf den Punkt, wie schlecht es 1997 um Depeche Mode steht, wie ihnen der Ruhm und die Öffentlichkeit zu schaffen machen.

Eine neue Ära beginnt

Als Ultra am 14. April 1997 dann endlich erscheint, ist es der Band wahrscheinlich längst egal, wie die Welt das Album aufnehmen wird. Hauptsache, es ist fertig. Und so wirklich warm werden viele nicht damit. Von manchen als letztes gutes Album, von mindestens ebenso vielen als erstes schlechtes Album bezeichnet, markiert Ultra eine Zäsur in ihrer Karriere. Es ist das Album von Überlebenden, daran hat Dave Gahan nie einen Zweifel gelassen. Es ist aber auch ein Album, das nicht mehr grenzgängerisch modern voranschreitet, nicht mehr die Rolle des Pioniers einnimmt. Dafür ist in der Musik mittlerweile zu viel passiert. Grunge, Trip-Hop, Indie haben sich schnellerweiterentwickelt als die Band, die Wegbereiter werden zu Mitbewerbern.

Rückkehr auf die Bühne

Dafür halten sich Depeche Mode seit Ultra strikt, sklavisch und unbeugsam an ihren berühmten Vier-Jahres-Rhythmus–zumindest mit Spirit,ihr letztes Album von 2017. Bezeichnend ist auch, dass es zu Ultra keine Tour gibt. Erstmals wird die Maschinerie ausgesetzt, die Erinnerungen an die kräftezehrende letzte Reise sind noch zu frisch. 1998 überlegt man es sich dann aber doch anders und begibt sich auf die frenetisch gefeierte The Singles Tour, die sich überwiegend auf ihre frühen Höhepunkte konzentriert. „Vor dieser Tournee war ich mir ziemlich sicher, dass sie das letzte wäre, das wir gemeinsam machen. Und es war okay für mich“, sagte Dave Gahan mal. Doch dann tritt er Abend für Abend auf die Bühne–und wird von den Fans in Empfang genommen wie ein auferstandener Heiland. Klar, dass man es sich dann doch noch mal anders überlegt. Und einfach bis heute weitermacht.

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Zeitsprung: Am 17.8.1995 schreit Dave Gahan um Hilfe – und überlebt das fast nicht.

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