------------

Popkultur

„All I Wanna Do“: Vor 30 Jahren wird Sheryl Crow zufällig zum Star

Published on

Sheryl Crow
Foto: David Corio/Michael Ochs Archives/Getty Images

Was als wöchentlicher Musikertreff begann, wurde vor 30 Jahren irgendwie zu einem der erfolgreichsten Country-Pop-Debüts aller Zeiten: Die Geschichte von Sheryl Crows Erstling Tuesday Night Music Club.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Tuesday Night Music Club hören:

Die besten Geschichten schreibt das Leben. In der Musik gilt das vielleicht sogar am ehesten. Wo sonst passiert es, dass aus einer wöchentlichen Zusammenkunft einiger musikinteressierter Menschen zufällig und vollkommen unerwartet eine der größten Country-Pop-Karrieren der Musikgeschichte wird? Tatort sind natürlich die USA, gerade bei solchen Geschichten ist das ja irgendwie immer so. Dort, genauer gesagt in Kalifornien unweit der Halbwelt von Los Angeles, trifft sich jeden Dienstag ein Kollektiv, um gemeinsam Musik zu machen. Ihr wenig origineller Name: Tuesday Music Club.

Werbung für McDonalds

Irgendwann taucht an diesen Dienstagen auch Sheryl Crow auf. Sie ist um die 30, kommt aus einer Familie, in der Musik nonstop lief und alle irgendwas spielten, hat erst Musik studiert und dann unterrichtet. Ein unbeschriebenes Blatt ist sie dennoch nicht. Alles andere als das: Ein Werbe-Jingle für McDonalds bringt ihr nach eigenen Aussagen 40.000 US-Dollar ein. Damit wird sie ihr geplantes Debütalbum finanzieren, das allerdings niemals erscheinen wird. „Ich verdiente mit Unterrichten damals 17.000 Dollar pro Jahr, und das war für 45 Minuten Arbeit“, erinnert sie sich viele Jahre später immer noch baff. „Ich dachte nur: Das gibt’s ja nicht! Vielleicht kann ich es ja auch in Los Angeles schaffen!“

Umzug in die Traumfabrik

Mit ein paar tausend Dollar auf dem Konto und einer klapprigen Kiste jagt sie ihren Traum und siedelt in die Stadt der Engel über. Im Gegensatz zu vielen anderen wird sie nicht verschlungen, steht schon wenige Monate später mit Michael Jackson auf der Bühne. Zwischen 1987 und 1989 singt sie auf dessen Bad-Welttournee, interpretiert fast jeden Abend das Duett I Just Can’t Stop Loving You mit ihm. Man sagt ihnen eine Affäre nach, Jackson soll ihr zwei Millionen Dollar angeboten haben wenn sie sein Kind zur Welt bringt. Im Studio wird sie zudem für Songs von Stevie Wonder, Belinda Carlisle, Don Henley oder Kevin Gilbert engagiert. Letzterer wird nicht nur ihr musikalischer Partner – und ist zufällig einer der Regulars beim Tuesday Music Club. Und eines Tages bringt er seine sehr stimmbegabte Freundin eben einfach mit. Wie man das eben so macht.

Eine eigene Studioband

Ist auch anfangs nichts dabei, man trifft sich, singt, trinkt danach noch ein Bier zusammen. Sheryl Crow hat aber eigene Pläne. Das aufgegebene Debütalbum setzt ihr zu, auf Dauer nur Background-Sängerin sein reicht ihr nicht. Irgendwann muss auch sie als Kellnerin arbeiten wie so viele andere Talente in der Traumfabrik. An ihrem Traum hält sie eisern fest: Sie möchte schnellstmöglich endlich wirklich ein Album veröffentlichen. Der Tuesday Music Club wird nach zu ihrer persönlichen Studioband. Gemeinsam schreiben sie Songs, proben, verfeinern sie. Bis ein ganzes Album fertig ist. Neben ihr und Gilbert arbeiten David Baerwald, Bill Bottrell, David Ricketts und mehr an den Songs. Das ist aus kreativer Sicht eine ungemein beflügelnde Situation; geschäftlich soll es nach dem unerwartet gigantischen Erfolg des Albums hässlich werden.

Davon ist Anfang 1993 erst mal noch keine Spur. In den Toad Hall Music Studios in Pasadena nimmt Tuesday Night Music Club Form an – mit selbsterklärendem Titel und einem Foto von Sheryl Crow als Covermotiv. Alles immer noch relativ low key und freundschaftlich, einfach eine gemeinschaftliche Anstrengung für eine überaus talentierte Sängerin. Die Songs changieren irgendwo zwischen Country, Heartland Rock und Pop, auffällig sind schon auf dem Debüt die scharfzüngigen, fein ironischen Texte von Crow. Wirklich abheben tut das Debüt aber nicht. Trotz großen Budgets ihrer Plattenfirma A&M. Und trotz Prognosen, dass sie so erfolgreich wird wie Bryan Adams.

Der Erfolg kommt erst nach einem Jahr

An der Qualität liegt es nicht: Die Songs sind griffig, die Hooks eingängig, ihre Stimme groß und die ganze Midwestern-Attitüde bodenständig genug, um nicht nur in Los Angeles Applaus zu finden. Wirklich, wirklich wild wird es aber eben erst, als All I Wanna Do als Single durch die Decke geht. Das Unglaubliche: Es passiert über ein Jahr nach Veröffentlichung von Tuesday Night Music Club. Damals glaubt niemand mehr, dass aus dem Debüt noch was wird, auch Crow selbst nicht.

Doch als es passiert, geht alles vor sich wie im Fieberwahn. Die Single klettert bis auf Rang 2 der US-Charts, zieht das Album aus der Versenkung bis auf die dritte Position. Über sieben Millionen Mal verkauft sich Tuesday Night Music Club. Das Debüt macht Sheryl Crow zwar mit Verzögerung, aber dann über Nacht endlich zum Star. Sie spielt bei der 1994er Neuauflage von Woodstock, wird vom Rolling Stone zu den wichtigsten Newcomern gezählt. Der Industrie verfällt sie nicht: Schon ihre nächste Platte, Sheryl Crow von 1996, produziert sie selbst, hält fortan alle Zügel selbst in der Hand.

Einzige Delle in dieser schönen Geschichte: Die Streitereien um die Beteiligung an den Songs von Tuesday Night Music Club. Viel wurde damals behauptet und geschimpft, wie immer, wenn es um eine Menge Geld geht, zeigen sich die Menschen nicht von ihrer allerbesten Seite. Crows späterer Erfolg zeigt aber zumindest: Sie braucht den Tuesday Night Club nicht für ein Bestseller-Album. Und damit ist damals alles gesagt.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Zeitsprung: Am 13.6.1995 erscheint „Jagged Little Pill“ von Alanis Morissette.

Don't Miss