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Popkultur

Aufbruchsstimmung, Kontroversen, Fragezeichen: „Core“ von Stone Temple Pilots wird 30 Jahre alt

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Stone Temple Pilots
Titelfoto: Jeff Kravitz/Getty Images

Vor 30 Jahren veröffentlichten Stone Temple Pilots ihr Debütalbum Core. Damit stießen sie gleichermaßen auf Begeisterung und Hype, aber auch auf jede Menge Kritik.

von Björn Springorum und Markus Brandstetter

Auch wenn Core heute längst einen Fixplatz in der Musikgeschichte hat: Begeistert waren längst nicht alle, als Stone Temple Pilots am 29. September 1992 ihr Debütalbum veröffentlichten. Das hatte unter anderem mit Textzeilen wie dieser zu tun: „I am a man, a man/ I’ll give you something that you won’t forget / I said you shouldn’t have worn that dress / I said you shouldn’t have worn that dress / Worn that dress“. Diese Zeilen stammen aus dem dem Song Sex Type Thing, und dass Scott Weiland wenig später „Here I come, I come, I come“ singt, machte die Sache in den Augen vieler nicht besser. Der Song ist thematisch ziemlich nah dran an einer Vegewaltigung, so der Tenor der Opponenten des Stücks. Der Song „könnte Mike Tysons Vergewaltigungsverteidigung in Grunge-Rock umgeschrieben sein. Es ist unklar, ob STP, die klingen, als hätten sie eine Bruchlandung von Pearl Jam in Alice in Chains hingelegt, ihren Erzähler verurteilen oder sich mit ihm identifizieren. Mit einem echten Standpunkt könnte diese Band mehr sein als ein Unfall“, schrieb etwa die Journalistin Deborah Frost von Entertainment Weekly.

Scott Weiland reagierte verärgert auf Vorwürfe

Scott Weiland zeigte sich später verärgert von der Auffassung, er befürwortet Vergewaltigung. „Es war damals so: Ok, die Kontroverse um [den Body-Count-Song, Anm.] Cop Killer ist tot, suchen wir uns was anderes. „Ich hätte nie gedacht, dass die Leute jemals ernsthaft denken würden, dass ich ein Befürworter von Vergewaltigung unter vier Augen bin“, so der 2015 verstorbene Frontmann. Ging es nach Weiland, ist Sex Type Thing ein sozialkritisches Stück, der die Machokultur wie auch die Sexualisierung von Frauen anprangert.

Drummer Eric Kretz sieht in Weilands Lyrik eher ein Spielen mit einem gewissen Schockfaktor: „Scotts lyrische Inhalte waren ziemlich gewagt. Erinnern Sie sich an Ice-T und Body Count und N.W.A. und wie unglaublich gewalttätig und schockierend ihre Texte damals waren? Ich will nicht für Scott sprechen, aber das hat uns beeinflusst: ‚OK, wie kann man an diesem Punkt schockieren?”‘

Es sollte nicht der einzige Kritikpunkt am Debüt  der Band, die sich drei Jahre zuvor im kalifornischen San Diego gegründet hatte, bleiben. Viele Musikkritiker sahen Weiland & Co. damals als Epigonen des Seattle-Sounds, besonders bei den Kollegen von Pearl Jam habe man sich in vielerlei Hinsicht beherzt bedient, so der Tenor der Kritiker.

Kritik hin oder her — dies schien den Siegeszug der Band nur zu befeuern. Die Kalifornier waren in aller Munde und in den US-weiten Rotationslisten in Radio- und Musikfernsehen. Natürlich durfte ein bildstarkes Video zu Sex Type Thing nicht fehlen … und genau dieses katapultierte die Band ins Epizentrum der Grunge-Welle.

Ja, die Sache mit dem „Grunge“-Begriff. Zu jener Zeit war diese Genrebezeichnung durch den Erfolg von Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden natürlich omnipräsent — und jedes Label suchte zu jener Zeit nach dem nächsten Act, den nächsten Nirvana, den nächsten Pearl Jam, den nächsten Soundgarden. Die Einflüsse von Stone Temple Pilots lagen aber woanders, zum Beispiel bei Led Zeppelin. Oder bei Danzig, zumindest wenn es nach Glenn Danzig Himself geht. Der sah in Sex Type Thing nämlich Ähnlichkeiten zu einem seiner eigenen Stücke, Snakes of Christ. Stone Temple Pilots hatten diese Heavy-Metal-Seite an sich, ohne Zweifel. Dass Dave Mustaine die Band im Zuge des Hypes um Sex Type Thing als Support für Megadeth mit auf Tou nahm, schien würdig und recht.

Kraftvolles Debütalbum

Core ist ohne Frage ein äußerst kraftvolles Debütalbum. Die Band nahm es in nur zwei Wochen im Studio auf. „Wir saßen alle Schulter an Schulter, bevor wir diese Platte machten. Wir vier waren mindestens fünf Tage in der Woche im Proberaum. Es lag so viel Neues in der Luft, und mit dem Neuen kommt die Aufregung, erinnerte sich Gitarrist Dean DeLeo gegenüber dem US-amerikanischen Rolling Stone. Als Produzent fungierte Brendan O’ Brien, für die Aufnahmen ging man in die Rumber Recorders Studios in Los Angeles. Dabei entstand viel im Moment — etwa der Song Wet My Bed. Hier hört man Weiland mit seinem Bandkollegen, Bassist Robert DeLe improvisieren.

Rückblickend sieht Dean DeLeo auf Core vor allem eine Aufbruchsstimmung. „Ich muss sehr vorsichtig sein mit dem, was ich über Scotts Texte sage, denn ich weiß nicht, wie sehr Scott wirklich wollte, dass die Leute wissen, worüber er schrieb. Er war ein Typ, der sich nicht in die Karten schauen ließ. Aber eines kann ich euch sagen: Scott war 23 Jahre alt, als er diese Texte schrieb, Mann. Als wir diese Platte schrieben, und ich sage das in aller Bescheidenheit, wussten wir, dass das, was wir hatten, gut war, weil wir uns gegenseitig zum Äußersten brachten. Ich glaube, ein großer Teil der Texte auf dieser Platte handelte von dem großen Fragezeichen, das vor uns stand, was die Zukunft anging: Was würde mit geliebten Menschen geschehen? Was würde mit der Familie geschehen? Wo werden wir sein? Würden wir noch oft zu Hause sein? Als die Platte anlief, waren wir 14 Monate lang unterwegs und nicht einmal zu Hause“.

Core katapultierte die Stone Temple Pilots mit Songs wie Plush, Creep oder Sex Type Thing in die erste Reihe. Es zählt zu den wichtigsten Alben der Grunge-Ära.

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