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Popkultur

Riffs für die Unendlichkeit: Die längsten Rock-Songs aller Zeiten

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Rush
Foto: Fin Costello/Redferns/Getty Images

Vergesst die Drei-Minuten-Radioformel und bringt ein bisschen Zeit mit: Diese überlangen Rock-Epen sprengen das Raum/Zeit-Kontinuum und alle Konventionen der popmusikalischen Lehre.

von Björn Springorum

In der ersten Hälfte der Sechziger konzentrierte sich die Rock-Musik mit überwältigender Mehrheit auf kurze, knappe, eingängige Songs. Insbesondere das Diktat der BBC in England mit seiner Drei-Minuten-Formel machte es den Bands der Ära schwer, sich auch mal in längeren, experimentelleren Kompositionen auszutoben. Überlange, proggige oder psychedelische Wundertüten gab es damals zwar auch schon; meist jedoch liefen sie so weit unter dem Radioradar, dass nur Eingeschworene etwas davon mitbekamen. Dann kamen die bewusstseinserweiternden Drogen. Und mit ihnen auch ein neues Verständnis für Rock-Musik. Lang waren jetzt nicht nur die Haare, sondern auch die Songs. Einige besonders endlose Stücke haben wir hier versammelt.

1. Pink Floyd – Shine on You Crazy Diamond

Länge: 26:01

Mit Wish You Were Here setzen Pink Floyd 1975 ihrem einstigen Bandkollegen Syd Barrett ein monumentales Denkmal. Aufgeteilt in neun Abschnitte, bildet Shine On You Crazy Diamond Anfang und Ende des Albums, ein endlos geflochtenes Band von 26 Minuten Länge, geschrieben von David Gilmour und betextet von Roger Waters. Bedauern, Melancholie, Zweifel und Erhabenheit gehen Hand in Hand und schicken postwendend in andere Sphären.

2. The Velvet Underground – Sister Ray

Länge: 17:29

Sister Ray nimmt 1968 mit Ausnahme eines Songs die gesamte B-Seite von White Light/White Heat ein. Die längste Nummer, die Velvet Underground jemals geschrieben haben, beginnt als simpler Funk-Beat mit verzerrten Gitarren und steigert sich in maßlose Monotonie, die immer dissonanter und anstrengender wird. „Niemand hat sich das angehört“, soll Lou Reed noch kurz vor seinem Tod gesagt haben. Stimmt wahrscheinlich nicht, leichte Kost ist dennoch anders.

3. The Allman Brothers Band – Mountain Jam

Länge: 33:41

Punk-Bands haben Platten, die kürzer sind als diese kolossale Monster-Jam: In ihrem abgespaceten Mountain Jam steigert sich die Allman Brothers Band in einen ausgewachsenen Rausch hinein, der am Ende nichts mehr mit Donovans Vorlage There Is A Mountain zu tun hat. Erschienen 1972 auf der Doppel-LP Eat A Peach, nimmt die Nummer die kompletten Seiten zwei und vier ein.

4. Emerson, Lake & Palmer – Karn Evil 9

Länge: 29:35

Prog as prog can: Mit Karn Evil 9 krönen Emerson, Lake & Palmer ihr 1973er Erfolgsalbum Brain Salad Surgery und zeigen eindrucksvoll, wo der Progressive-Hammer hängt. Unterteilt in drei Impressions und vollkommen entfesselt: Orgel, Synthesizer, Gitarren, Bass und Schlagzeug umschlingen sich in fordernder Rhythmik und fordernden Melodien. Einfach ist das nicht. Einfach beeindruckend schon.

5. Procol Harum – In Held ’Twas In I

Länge: 17:31

Ebenfalls von 1968 stammt dieses Prog-Opus von Procol Harums zweitem Album Shine On Brightly. Konzipiert als fünfteilige Suite, bei der das Anfangswort jedes Teils den Titel ergibt, loten die Briten die Grenzen des musikalischen Anspruchs aus – verspielt, orchestral, pompös, manchmal elitär, immer aber spannend.

6. Jethro Tull – Thick As A Brick

Länge: 43:50

Der längste Song der Pop-Geschichte stammt wahrscheinlich von Jethro Tull. Ihr epochales Thick As A Brick bringt es auf eine knappe Dreiviertelstunde – die einzige Nummer auf dem gleichnamigen Album! Erschienen 1972, ist es nicht nur ein beeindruckendes Stück Musik, sondern auch eine grandiose Parodie auf das Konzeptalbum.

7. Rush – 2112

Länge: 20:33

1976 sind Rush bei Album vier angekommen. Auf dem Titeltrack 2112 ziehen sie selbstbewusst und übermütig alle Register: Ein über 20-minütiges Epos eröffnet das Album – und das, obwohl die Plattenfirma explizit kommerzielleres Material gefordert hatte. Rush eben: Statt ein paar schmissigen Rock-Songs fordern sie mit einer kompletten, wunderbar vielschichtigen Science-Fiction-Mär heraus, die die komplette A-Seite in Beschlag nimmt und vielen Prog-Metal-Emporkömmlingen als ewige Inspiration dient.

8. Yes – The Gates Of Delirium

Länge: 21:55

Relayer ist die erste Yes-Platte nach dem Ausstieg von Rick Wakeman. Die drei langen Songs daraus lassen keinen Zweifel daran, dass es auch ohne den Keyboarder funktioniert. Insbesondere das 22-minütige Mammutwerk The Gates Of Delirium stellt bis heute einen klaren Klimax im Schaffen der Prog-Rock-Wegweiser dar. Mehr klassische Fuge als Rockmusik bietet die Nummer eine angemessen gravitätische Bühne für die Yes’sche Vertonung von Tolstois Krieg und Frieden. Das geht eben nicht in fünf Minuten!

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