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Popkultur

„Es geht schon um den Weltuntergang“: Universum25 im Interview zu ihrem Debütalbum

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Universum25
Foto: Holger Fichtner

Deutschland hat eine neue Supergroup — auch, wenn ihre Mitglieder dieses Wort nicht so ganz für bare Münze nehmen. Universum25 heißt die neue Band, die sich aus Mitgliedern von In Extremo, Eisbrecher, Fiddler’s Green, Dritte Wahl und Slime zusammensetzt. Das selbstbetitelte Debütalbum erscheint am 3. März 2023 — und hat es in sich.

 von Markus Brandstetter

Genauer gesagt besteht Universum25 aus In-Extremo-Frontmann Michael Robert Rhein, Fiddler’s-Green-Gitarrist Pat Prziwara, Eisbrecher-/Antitype-Bassist Rupert Keplinger, Dritte-Wahl-Gitarrist Gunnar Schröder und Slime-Schlagzeuger Alex Schwers. Liest sich auf dem Papier beziehungsweise dem Screen schon mal interessant — klingt es tatsächlich auch!  Benannt nach einem Laborexperiment aus den 1960er-Jahren (dazu später mehr) schufen Universum25 mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum schwere Kost. Eine dystopische Bestandsaufnahme über die Menschheit, ein düsterer Ausblick (mit einem kleinen Funken Hoffnung) — eingängig, geradlinig und kraftvoll.

Wir baten Pat Prziwara und Rupert Keplinger zum Gespräch via Zoom, bei dem uns die beiden Musiker von der Entstehung der Band und ihrer Arbeitsweise erzählten — und dem, was Universum25 so besonders macht.

Wie kam euch die Idee, mehrere bekannte, aber sehr unterschiedliche Bands zu einer zu machen?

Pat Prziwara: Die Idee entstand mit dem Produzenten Jörg Umbreit, der eigentlich auch Mitglied der Band ist. Ich saß mit ihm eines Abends zusammen und wir philosophierten. Ich hatte einfach Lust, auch abseits des Fiddler’s-Green-Kosmos mit ihm Musik zu machen. Wir haben gleich am nächsten Tag begonnen und mal grob abgesteckt, ob wir es auf Deutsch oder auf Englisch machen wollen. Wir entschieden uns für Deutsch, und Jörg meinte: ‘Dann lass uns doch gleich Gunnar fragen.’ Gunnar hat sofort zugesagt, ohne dass jemand wusste, was für Musik das wird. Als wir uns dann getroffen haben, war es ab der ersten Note relativ klar, dass das eben die Musik wird, die du jetzt hören kannst. Es war uns schnell klar, dass da ’ne Band daraus werden musste. So nahm das seinen Anfang. Dann kam Micha dazu, kurz darauf Robert. Am Schluss haben wir das Album finalisiert und dann  kam Alex zum Trommeln.

Rupert Keplinger: Die bestehenden Bands — Fiddler’s Green, In Extremo, Dritte Wahl — haben alle ihren speziellen Sound und ihre Fans. Wenn die plötzlich was ganz anderes machen wollen, dann gibt es auf den Deckel von den Fans. (lacht) Da gibt es oft sehr wenig Spielraum bei etablierten Bands. Man kennt das ja: Wenn eine Band ein experimentelles Album rausbringt, dann sind die Fans gleich in Aufruhr. Bei mir ist das etwas anders, weil ich als Songschreiber ja immer ganz verschiedene Sachen mache — und zudem meine eigene Band Antitype habe. Dadurch habe ich immer Möglichkeiten, mich auszutoben. Aber ich kann das total nachvollziehen, wenn Leute, die ewig mit einem bekannten Sound unterwegs sind, mal was anderes machen wollen. Bei Universum25 hat das alles Platz. Da gibt es lange C-Parts, da gibt’s mal ein Gitarrensolo, das den Regeln nach zu lange ist. Hier kann man das machen. Das macht diese Kombination so besonders.

Pat: Wir können Sachen ausprobieren, die wir lange schon mal machen wollten — ohne darauf Acht zu geben: Wird das ’ne Single, ist das kommerziell, kann man das verkaufen? Wir wollten einfach Musik machen und schauen, was dabei rauskommt. Ohne uns zu reglementieren. Es war nicht abgesteckt, was rauskommen sollte.

Dafür klingt die Platte sehr konsequent und zielgerichtet, fast schon konzeptionell.

Rupert: Es ist kein klassisches Konzeptalbum, aber es hat schon diesen Überbegriff der Universum-25-Geschichte. Es geht schon um den Weltuntergang, um den Niedergang, um die Probleme unserer Zivilisation. Um das Thema Menschheit — wird es besser, wird es schlechter.

Universum25 war ja ein Laborexperiment in den 1960er-Jahren mit dystopischem Ausgang.

Rupert: Genau, das war ein Experiment mit einer Mäusekolonie, die eigentlich mit allem versorgt war, was sie zum Glücklichsein und zur Vermehrung brauchte. Es war alles da und trotzdem ist diese Mäusekolonie oder Zivilisation zugrunde gegangen. Da denkt man sofort daran, was auf der Welt passiert — denn eigentlich ist ja auch alles da. Eigentlich könnten wir es hinkriegen. Aber der Mensch schafft es einfach nicht. Darum diese Weltuntergangsthematik, das ist durchaus ein Überbegriff. Aber der wurde nicht von Anfang an festgelegt, das hat sich erst im Nachhinein herauskristallisiert.

Pat: Es hat einfach auch sehr gut zur Musik gepasst. Wir haben das erste Jahr nur mit Musik gearbeitet, instrumentale Songs ohne Texte geschrieben. Die Texte wollten wir erst später machen. Beim gemeinsamen Bier am Abend nach dem Studio kreisten die Themen immer um diese Sachen. Das hat sich ziemlich schnell kombiniert.

Die Artworks passen hervorragend zu dieser Thematik.

Rupert: Für die ist Holger Fichtner von 360graddesign verantwortlich. Der macht das gesamte Ding für dieses Albums — alle Artworks wie etwa die Einzelfotos von den Singles, Vinyl, Booklets, Fotos, Musikvideos, das komplette Ding kommt aus einer Hand.

Wie verlief der Arbeitsprozess?

Pat: Ganz klassisch, alle zusammen im Studio. Heutzutage ist es ja sehr modern, sich Ideen hin- und herschicken und bei sich zu Hause aufzunehmen. Wir hatten aber die Zeit und die Muße dazu, uns im Studio zu treffen. Auch wenn wir teils weite Wege auf uns nehmen mussten, wir wollten einfach alles zusammen machen. Deswegen hat der Prozess ziemlich lange gedauert — knapp drei Jahre, bis das Album fertig war. Das wollten wir so. Zusätzlich dazu kommt auch die menschliche Komponente ins Spiel: Es macht einfach Spaß mit den anderen im selben Raum zu sitzen und danach noch ein Bier zu trinken.

Rupert: Der Weg ist das Ziel. Es ging nicht darum, etwas schnell und effizient fertig zu kriegen, damit man es weg hat. Es ging um die Freude an dem Prozess selbst, die Arbeit an dem Song. Es war herrlich altmodisch. Die ganze Band traf sich im Studio und hing rum. Mal war der eine aktiver und am machen, dann der andere. Es sind ja auch nicht fünf Leute auf Vollalarm, da würde auch der Produzent wahnsinnig werden. Es war eine sehr schöne Zeit.

Pat: Es gäbe heute keine Songs, wenn wir alle für uns zu Hause gesessen und uns Fragmente rumgeschickt hätten. Es war zeitlich ja auch einfach egal: Wir haben alle unsere Hauptbands, wir leben von anderen Sachen — und wir sind finanziell nicht auf dieses Projekt angewiesen. Wir können machen, was wir wollen. Klar ist keiner sauer, wenn das Projekt erfolgreich ist oder man mal ’nen Euro damit verdient – da würde man lügen. Aber es war nicht der Grund, diese Band zu gründen.

Wann im Studioprozess wurde es klar, in welche Richtung die Platte geht?

Pat: Das ging ziemlich schnell, das war das Verwunderliche. Man trifft sich, man fängt an, Musik zu machen — und schaut, wohin die Reise geht. Ich wollte nicht ganz unvorbereitet kommen, ich kam mit einem Riff (lacht), das habe ich gleich am Anfang vorgestellt und wir haben uns darüber hergemacht. Alles Weitere hat sich ergeben. Diese Musik kam eben raus. 

Wie gut kanntet ihr euch von den Arbeiten an dem Projekt?

Rupert: Ich kannte noch nicht so viele. Ich kannte natürlich Micha, ich war auch schon ein paar Mal im Principal-Studio… allerdings nicht mit Jörg, sondern mit Henning Verlage. Es war für mich schon ein bisschen neu. Aber wir sind ja alle Profis, es war sofort klar, dass wir gut miteinander konnten. Das hat sofort total gut geklappt.

Pat: Ich kannte Micha seit vielen Jahren, wir waren auch davor Freunde. Gunnar habe ich auch oft getroffen. Rupert und ich kannten uns noch nicht, Alex kannte ich auch noch nicht. Das kam alles über Micha. Micha hatte übrigens zugesagt, ohne dass er wusste, wie die Musik klingt.

Rupert: Er hatte ein Grundvertrauen.

Ihr werdet im Vorfeld schon als „Supergroup“ bezeichnet. Mögt ihr das Wort „Supergroup” überhaupt?

Rupert: Nee. Es gibt ja neben dem Wort Supergroup noch jenes der Allstar-Band. Ich finde beide Wörter ziemlich schlimm. Hast du ein Synonym dafür? Wir suchen noch.

Es ist interessant, wann auch immer ich mit Mitgliedern von sogenannten „Supergroups“ gesprochen habe, fanden die die Bezeichnung immer furchtbar.

Rupert: Ist es ja auch, aber es hat sich noch niemand was Besseres einfallen lassen.

Pat: Es macht für mich dann Sinn, wenn sich eine Band aus Mitgliedern von Guns N’ Roses, Aerosmith und Metallica zusammentut.

Rupert: Genau, und dann noch Elton John und Taylor Swift. Dann kann man Allstar-Band sagen.

Eine der düsteren Prophezeiungen ist der Song Die Neue Zeit. Da würde ich abschließend noch mal gerne darauf zu sprechen kommen.

Pat: Es geht darum, dass wir immer mehr von der Künstlichen Intelligenz abhängig sind und das auch so wollen. Wir begeben uns in die Abhängigkeit, um ja nicht zu viel selbst  denken oder machen zu müssen. Im Prinzip ist das eine Art Matrix, wo wir alle nur noch in Bürostühlen oder Betten hängen und an Schläuchen hängen.

Rupert: Das ist ja auch bequem. Es ist super, wenn Sachen automatisiert werden, wenn sich jemand darum kümmert, dass man die richtige Werbung sieht. Alexa ist das Beispiel, das wir benutzen: Man muss nicht mal mehr aufstehen, um es zu benutzen. Aber man gibt dabei so viel an Kontrolle  ab — und man gibt so viel preis. Das ist aber die neue Zeit. Bei diesen Sprachassistenten sitzen ja Menschen und tippen das ab — und zwar nicht das, was du sagst, sondern das, was in dem Raum gesprochen wird. Aber ich kenne genug Leute, die sagen: „Aber es ist doch so praktisch! Und ich habe ja eh nichts zu verbergen.“

Pat: Es ist natürlich ein wenig überspitzt, aber es ist tatsächlich nicht mehr weit dahin. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die neue Zeit da ist. Die Gedanken sind vorher klar, man bekommt dann gesagt, was man denken sollte.

Rupert: Es ist so wie beim persönlichen Musikmix auf Spotify. Das ist schon bequem, du kannst so aber nie etwas Verrücktes entdecken, was nicht in dieses Schema F passt, das der Computer für dich ausgesucht hat. Da geht viel verloren an Bandbreite und an Extremen.

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