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Popkultur

Golden Earring: Die Geschichte einer einzigartigen Band

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Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

60 Jahre standen Golden Earring im Dienste des Rock’n’Roll. Trotz mehrerer Welthits fand die Karriere der Niederländer überwiegend an der Seitenlinie des Musikgeschäfts statt. Porträt einer unerreicht leidenschaftlichen Band.

 von Björn Springorum

Man sollte meinen, dass ein Hit wie Radar Love für ein Leben reicht. Bei Golden Earring tragischerweise nicht. Obwohl sie 1973 mit besagtem Song und dem dazugehörigen Album Moontan (immerhin bereits ihr neuntes!) weltweit durchstarten und auf ihrer dazugehörigen Tournee Kiss und Aerosmith als Opener (!) mit dabei haben, reicht es nicht für ein Dauerkarte in der Champions League der Riffs. Neun magere Jahre folgen, bis Golden Earring mit Twilight Zone endlich wieder einen ähnlichen Erfolg feiern können. Allein das spricht für eisernen Willen, ungebremste Leidenschaft und einen unerschütterlichen Glauben an die heilsame Kraft des Rock’n’Roll.

Keine Dutch Invasion

Dieser Glaube bringt die Band 1961 überhaupt erst zusammen. Gegründet als The Golden Earrings von den Teenagern und Nachbarn George Kooymans und Rinus Gerritsen in Den Haag und benannt nach einem Instrumental von den Hunters aus Großbritannien, ist schon ihre Debütsingle Please Go 1965 ein Hit in den Niederlanden. Bis 1969 sind aus den Teenagern junge Erwachsene und The Golden Earrings zu Golden Earring geworden. Der Erfolg in den Niederlanden hält an, doch die Band will mehr. Will nach Amerika. Doch auch wenn es den Stones oder Beatles mit der British Invasion 1966 spielend gelingt, ein ganzes Land einzunehmen, ist von einer Dutch Invasion zunächst nichts zu spüren.

Der Durchbruch kommt mit Radar Love

Ist der Band aber egal. Ihr Engagement, ihre Passion und ihre Tendenz zu sehr großen Träumen trägt sie in die Siebziger, als Schlagzeuger Cesar Zuiderwijk neben Sänger Barry Hay, Gitarrist

George Kooymans und Basser Rinus Gerritsen das klassische Line-Up von Golden Earring komplettiert. Und irgendwie scheint sein Einstieg Schicksal zu sein. Im Juli 1973 veröffentlichen Golden Earring ihr neuntes Album Moontan. Und obwohl sie darauf vordergründig alles so machen wie immer (soll heißen: knackiger, progressiv angehauchter Hard Rock mit Orgel), ist diesmal etwas anders: Radar Love, das große Epos des Albums, wird zu ihrem größten Hit, zum wahrscheinlich wichtigsten Song der niederländischen Rockgeschichte und zu einem Klassiker des Genres.

Wie auch Stairway To Heaven oder Bohemian Rhapsody eher als Suite mit verschiedenen Teilen denn als klassischer Rocksong komponiert, wird das gut sechsminütige zum Signature-Song von Golden Earring und zu einem der ganz großen Momente im Siebziger-Rock. In zahlreichen Polls und Bestenlisten wird Radar Love zum besten Autofahrsong aller Zeit gekürt. Und wir wissen wohl alle, weshalb.

Der langersehnte Erfolg in den USA währt dennoch nur kurz. Obwohl man in den Staaten schon davor mit Jimi Hendrix, Led Zeppelin, Procol Harum oder Eric Clapton auftreten kann, geht’s erst jetzt richtig zur Sache: Kiss und Aerosmith sind als Support-Acts ihrer US-Zour 1973/74 dabei, live mietet sich die Band das Quadrophonic-Soundsystem von The Who. Dennoch verfehlen die nächsten Platten wieder ihr Ziel und Golden Earring sinken aus höchsten Höhen in relative Bedeutungslosigkeit.

Ende nach 60 Jahren

Ganze sechs Platten passiert nicht viel bei der Band. Doch ans Aufhören denkt niemand. Dann, bei Album 16, ist ihnen Fortuna plötzlich doch wieder wohlgesonnen: Auf Cut befindet sich mit Twilight Zone ihr zweiter großer Hit – zum Welterfolg geschmiedet vom neuen Musiksender MTV und mehr als ein halbes Jahr in den US-Charts präsent. Mit When The Lady Smiles geben Golden Earring 1984 ein weiteres Empfehlungsschreiben für ihr Können ab, danach beschränken sich ihre Erfolge beinahe ausschließlich auf ihre Heimat Niederlande.

2021 entscheidet sich die Band nach beeindruckenden 60 Jahren für den Rocker-Ruhestand, weil bei Mitgründer George Kooymans die Nervenkrankheit ALS diagnostiziert wird. Was bleibt, ist natürlich Radar Love. Vor allem aber ein Frühwerk, das bis heute weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Platten wie On The Double (1969) oder das selbstbetitelte Golden Earring (1970) sind mit ihrem ahnungsvollen, psychedelischen Hard Rock viel zu schade, um in der Vergessenheit zu verrotten und werden Fans von Uriah Heep oder Led Zeppelin restlos begeistern. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn diese Band aus England gekommen wäre…

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