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Popkultur

Nach Triumph bei den Brit Awards: Ist Raye die neue Adele?

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Raye
Foto: Jeff Spicer/WireImage/Getty Images

Ganz England spricht über sie – endlich: Bei den Brit Awards 2024 schreibt Raye Geschichte und gewinnt mit sechs Preisen mehr als alle anderen vor ihr. Hat sie das Zeug zur neuen Adele?

von Björn Springorum

Auf den ersten Blick liest sich die Geschichte von Raye wie die von jeder zweiten Schwarzen Soul-Künstlerin: Als Kind singt sie im Gospelchor, schmeißt die Schule, widmet sich der Musik, wird von der Industrie kleingehalten. Mit einem großen Unterschied: Raye zieht es anfangs gar nicht selbst auf die Bühne. Die 1997 geborene Sängerin, die derzeit die gefragteste Popkünstlerin in ganz Großbritannien ist, wächst in London auf und möchte vor allem als Songwriterin besser werden.

Songs für Beyoncé und David Guetta

Schon mit 13 weiß sie, was sie will, lernt ihren späteren Manager kennen. Der hat wohl so eine Art Kate-Bush-Epiphanie und protegiert das ungewöhnliche junge Mädchen, das eigentlich Rachel Agatha Keen heißt und schweizer, ghanaische und englische Wurzeln hat. Er vermittelt ihr freitags nach der Schule und an jedem Wochenende Studiotermine. „Ich musste mich wirklich abrackern und allen meinen Freund*innen beim Feiern zusehen“, erinnerte sie sich 2017 mal an ihre Teenagerjahre. „Ich habe aber nichts verpasst, ich habe mich bewusst dagegen entschieden.“

Die harte Arbeit zahlt sich aus. Sie wird zur begehrten Songwriterin, schreibt bald für Beyoncé, Little Mix, Rihanna, David Guetta, John Legend oder Ellie Goulding. Über Feature-Tracks rutscht sie dann aber mehr und mehr selbst ins Rampenlicht. 2017 der erste Headline-Gig in einem Nachtclub im hippen Shoreditch, nach und nach klettern auch ihre eigenen Songs in den Charts nach oben.

Ein Debütalbum will aber einfach nicht kommen. Ab 2014 hat sie einen Major-Label-Vertrag. Mindestens ebenso lang arbeitet sie an ihrem Debüt. Doch es kommt und kommt nicht. 2021 bricht Raye das Schweigen und enthüllt: Ihre Plattenfirma erlaubt ihr die Veröffentlichung nicht. „Ich habe Alben über Alben von Musik in Ordnern verstauben lassen, Songs, die ich jetzt an richtig große Künstler*innen gebe, weil ich immer noch auf die Bestätigung warte, dass ich gut genug bin, um ein Album zu veröffentlichen.“ Spätestens seit ihrem Triumph bei den Brits steht fest: Das ist sie.

„Ich bin es leid, ein höflicher Popstar zu sein“

Raye zieht Konsequenzen, radikalisiert sich, wappnet sich für einen Kampf der Marke David gegen Goliath. „Ich bin es leid, ein höflicher Popstar zu sein“, postet sie 2021. In einem Kraftakt schafft es Raye, aus dem Vertrag zu kommen und sogar ihre Songs zu behalten. Ein Triumph – und ein Akt purer Selbstermächtigung.

Desillusioniert von vielen Jahren des Wartens wagt Raye noch mal den Neuanfang – als unabhängige Künstlerin, frei von Labelzwängen und dem Wohlwollen einer Industrie, die sie bewusst klein gehalten hat. Damit hat sie mehr Arbeit, mehr Risiko, mehr Ungewissheit, klar. Aber eben auch mehr Kontrolle. Als Escapism, ein düsterer und heißer Song, geschrieben in den Tiefen ihrer Verzweiflung, als sie sich mit Drogen und bedeutungslosem Sex selbst therapierte, von Labels abgelehnt wird, bringt sie den Song kurzerhand selbst heraus. Er wird zum TikTok-Hit, wird binnen kürzester Zeit millionenfach gestreamt und landet schließlich da, wo er hingehört: Auf Platz eins der Charts.

Sexueller Missbrauch im Studio

2023 folgt dann endlich ihr Debüt My 21st Century Blues. Es ist ein bemerkenswerter Ritt durch Pop, R’n’B, Gospel, Soul und Hip-Hop. Vor allem aber ist es das schwitzige, nackte, ehrliche Happy-End einer weiteren Geschichte von Unterdrückung, strukturellem Rassismus und Ungerechtigkeit in der Musikbranche. In Ice Cream Man singt sie über sexuelle Übergriffe, die in der Musikindustrie keine Seltenheit sind. Als Raye 17 Jahre alt ist, greift ihr ein Producer im Studio zwischen die Beine. „Das passiert Mädchen in Studios ständig“, sagte sie gegenüber der BBC. „Ständig.“

Raye hat auch das überwunden. Und steht 2024 ganz oben. „Es ist einfach großartig, wenn man den Leuten beweisen kann, dass sie falsch liegen“, sagt sie heute über ihren Erfolg. Und das Beeindruckende ist ja: Es ist ihrer allein.

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