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Popkultur

„Suffer“ von Bad Religion wird 35: Ein kompromissloser Geniestreich

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Bad Religion HEADER
Foto: Stuart Mostyn/Getty Images

15 Songs in 26 Minuten: 1988 ballern sich Bad Religion mit knackiger Härte, kübelweise Sozialkritik und griffigen Hooks endgültig in die Punk-Oberliga. Dabei gab es die Band vor Suffer eigentlich gar nicht mehr.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Suffer anhören:

Die Karriere von Bad Religion ist ja eigentlich von Geradlinigkeit, Konsistenz und melodischem Polit-Punk geprägt. Die Anfangszeit der einflussreichen Band aus Los Angeles sieht da noch ganz anders aus: Nach der Gründung 1980 haut man 1981 natürlich erst mal eine EP raus. Wie sich das im Underground-Punk-Zirkel eben so gehört. Bad Religion wird begeistert aufgenommen, viele vergleichen sie mit Black Flag. Darauf kann die junge Band aufbauen: Ein Jahr später kommt das bissige Debüt How Could Hell Be Any Worse?, ein ziemlicher Brocken, recht düster für Punk aus Kalifornien und für DIY-Kreise fast kriminell erfolgreich: Mehr als 10.000 Platten gehen in einem Jahr weg. Dürfen die das? Ist das noch Punk?

Prog Rock mit Orgeln statt Punk

Neben den Fixpunkten Greg Graffin und Brett Gurewitz sind damals auch Jay Bentley, Pete Finestone, Jay Ziskrout und Greg Hetson Teil der Band. Irgendwas passiert damals in den Köpfen der aufstrebenden Punk-Sensation, denn die nächste Platte Into The Unknown ist am allerehesten als wilder Trip zu rezipieren: Statt schnellem Hardcore Punk gibt es düsteren Prog Rock, mit Orgeln, Keyboards und Pop-Anleihen. Brett Gurewitz wird irgendwann zu dem Schluss kommen, die Nummer war ein „Fehltritt“, doch was man nicht vergessen darf, ist: Im Grunde ist das hier so was wie das einzige Psych-Punk-Album der Welt. Muss man nach so einem Einstand erst mal machen – und das mit damals gerade mal 20 Jahren!

Into The Unknown ist dann aber erst mal der Anfang vom Ende: Die Band löst sich bald darauf auf. Als sie wieder zusammenfindet, besinnen sie sich dann aber doch schnell wieder auf das, was sie bis heute am besten können: Kurze, knackige, melodische, zornige Songs gegen das System, Religion, die Massenmedien und die Macht großer Unternehmen. Bis auf Drummer  Jay Ziskrout sind alle früheren Mitglieder wieder dabei, diesmal wollen alle bewusst an die gute Resonanz des Debüts anschließen. Das ist zu diesem Zeitpunkt aber eben auch schon sechs Jahre alt. Die berechtigte Frage ist also: Klappt das denn überhaupt

Die knappe wie eindeutige Antwort lautet: Ja. Und wie. Doch bevor es mit Bad Religion in Phase zwei gehen kann, muss Brett Gurewitz eben noch sein Drogenproblem in den Griff bekommen. Hat er irgendwann, ist dann aber pleite. Irgendwas ist immer. Nach einer ganzen Anzahl merkwürdiger Jobs landet er als Tontechniker in einem Studio, das er irgendwann übernimmt. Alle Wege führen zur Musik zurück. Dort, während endlos langer Nächte, in denen er miese Bands aufnahm, um über die Runden zu kommen, merkte er: Er muss wieder selbst Musik machen. Also meldet er sich bei Greg Graffin und fragt: „Hey, warum trommeln wir die Band nicht wieder zusammen?“

Die Platte, die alles verändert hat

Das tun sie. Im April 1988 kongregieren sie in Hollywood, wo bei Westbeach Recorders ihre dritte Platte Suffer entsteht – aufgenommen und gemixt, laut Gurewitz, in acht knackigen Tagen. Und so klingt das Album auch: Schnell, atemlos, auf den Punkt und aus dem Bauch. Bad Religion sind wieder Punkrock, sind wieder aufgebracht, sind wieder voll da. Suffer erscheint am 8. September 1988 bei Epitaph – der Mutter aller Punk-Labels von Punk-Oberguru Brett Gurewitz. Und wird zum Gamechanger: Fat Mike von NOFX bezeichnet es aus „Platte, die alles verändert hat“, viele andere Stimmen zählen Bad Religions Dritte zu den wichtigsten und besten Punk-Platten aller Zeiten.

Diese Mischung aus Melodie und Aggression, aus Empowerment-Botschaften und Wut auf das System wird die gesamte kalifornische Punk-Landschaft umkrempeln und ganze Heerscharen nachfolgender Bands beeinflussen. Und im Gegensatz zu den vielen Skatepunk-Bands der Neunziger, von denen keine einzige Bad Religion nicht zu ihren Einflüssen zählt, war den Veteranen Haltung immer schon wichtiger als Style. Auf der Bühne sehen sie deswegen vielleicht eher so aus wie ein paar Dads, sie sich zum Grillen treffen; im Herzen sind sie aber mehr Punk als alle anderen zusammen. Und das eben schon seit über 40 Jahren.

Bemerkenswert ist damals auch das Tempo: Schon 1989 folgt No Control, 1990 dann Against The Grain. Nicht übel, wenn man sich überlegt, dass das eigentlich eine Bande südkalifornischer Jungs war, die sich nach einer kruden Prog-Punk-Wave-Platte aufgelöst haben.

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