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Popkultur

U.D.O. im Interview: „Für Drachen, Hexen oder Piraten habe ich mich noch nie interessiert“

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Foto: Martin Hausler/Getty Images

Metalmeister Udo Dirkschneider denkt auch nach seinem 70. Geburtstag nicht an den Ruhestand. Mit Touchdown legt der das 19. Album von U.D.O. vor – und hat mit dieser Band somit drei Platten mehr veröffentlicht als Accept. Ein Gespräch über Vergangenheit, Zukunft und Tourneen mit dem eigenen Sohn.

von Björn Springorum

Udo Dirkschneider bleibt Udo Dirkschneider. Nachdem er sich zum 70. Geburtstag ein Solo-Album voller Coversongs gegönnt hat, schmeißt er jetzt wieder den U.D.O.-Motor an: Touchdown klingt so, wie man U.D.O. kennt. Hart, nach vorn, knackig, geradlinig. Heavy Metal in Reinkultur von einer der ganz prägenden Figuren in der deutschen Stahlindustrie.

Touchdown gibt von Anfang an Vollgas und hat mit Isolation Man gleich einen derart knackigen Opener, dass man sofort an Painkiller denken muss. Woher kommt denn bloß die ganze Energie?

Wenn man Spaß hat, fühlt es sich nicht nach Arbeit an. Wir haben einfach Bock auf Musik – vielleicht sogar mehr denn je. Vor allem nach den letzten Jahren mit Corona und der Sache mit unserem Gitarristen Andrey Smirnov, den wir erst aus der Ukraine herausholen mussten, fühlte es sich an wie ein großer Knoten, der platzt. Alles, was passiert ist, spiegelt sich in der Musik wieder: Es musste was raus.

„Es passiert etwas, wenn zwei Generationen aufeinandertreffen“

Der Altersunterschied zwischen den einzelnen Bandmitgliedern ist ja durchaus, sagen wir mal höflich, vorhanden. Was macht das mit eurer Bandchemie? Ist das eine Stärke?

Ich glaube, das ist eine unserer Stärken. Es passiert etwas, wenn zwei Generationen aufeinandertreffen. Hier die gestandene Seite von U.D.O., auch mit Peter Baltes, der ja wieder zurück in der Band ist, und auf der anderen Seite die Jungspunde. Die sind ja mit ganz anderen Bands aufgewachsen als wir. Und ich glaube, genau das macht unsere Mischung aus. Wir sind sehr offen, hören uns alles an und probieren immer eine Menge aus.

Seit 2015 sitzt dein Sohn Sven hinterm Schlagzeug. Wie ist es, mit dem eigenen Kind in einer Band zu spielen?

Ach, ganz großartig ist das. Wir schreiben die Texte mittlerweile gemeinsam, auch beim Komponieren sitzen wir immer öfter zusammen. Dabei entstehen wirklich immer wieder interessante Situationen. Natürlich bin ich vor allem extrem stolz auf Sven. Er ist ein wirklich hervorragender Drummer geworden, da ziehe ich meinen Hut. Zudem übernimmt er auch immer mehr Aufgaben innerhalb der Band, kümmert sich zum Beispiel viel um die Technik. Auf Tour ist das bei uns auch kein Vater/Sohn-Verhältnis und eher freundschaftlich. Anders ticken tun die jungen Leute aber natürlich schon. Ich gehe nach den Auftritten meistens relativ zeitig ins Bett, während die Jüngeren dann noch eine Weile sitzen.

„Meine Eltern haben mich mit Elvis großgezogen“

Vor 40 Jahren wäre so was noch unvorstellbar gewesen, oder?

Sicher. Da hatte ich aber trotzdem das große Glück, dass meine Eltern sehr Rock’n’Roll-affin waren und mich mit Elvis Presley großgezogen haben. Ich war auch immer sehr tolerant, aber man rechnet man ja einfach nicht damit, dass der eigene Sohn mit dem Vater in einer Band spielen will. Mit vier oder fünf fing er auf einem Kinderschlagzeug an, und damals dachte ich noch, das geht auch in ein paar Monaten wieder vorbei. Na ja, und jetzt sitzt er bei mir hinterm Schlagzeug. (lacht)

Wo ähnelt ihr euch, wo geht ihr auseinander?

Einen Dickkopf haben wir beide. Wenn wir etwas durchsetzen wollen, dann setzen wir das auch durch. Da erkenne ich mich sehr in ihm wieder.

Du hast schon angesprochen, dass du wieder mit deinem alten Accept-Kumpel Peter Baltes spielst. Funktioniert das gut?

Aber ja, da kam endlich wieder zusammen, was zusammen gehört. Zunächst half uns Peter nur für einige Konzerte aus, mehr war da gar nicht geplant. Anfangs sollte er eigentlich nur unseren Basser Tilen Hudrap während dessen Krankheit ersetzen, doch als der entschied, nicht mehr in die Band zurückzukommen, entschieden wir während einer Südamerikatour, dass wir es mit Peter versuchen wollen.

„Die Devise war stets: Neues Album, neues Glück“

Wenn ich richtig rechne, ist „Touchdown“ eure unglaublichste 19. Platte. So viel haben weder Judas Priest noch Iron Maiden oder Accept (https://www.udiscover-music.de/popkultur/accept-zweites-album-im-a-rebel) veröffentlicht. Wie gehst du mit diesem Vermächtnis um?

Ich scheine alles richtig gemacht zu haben, oder? (lacht) Ich habe immer viel wert darauf gelegt, dass sich die U.D.O.-Platten unterscheiden. Es war nie unser Ziel, noch mal ein Animal House, Mean Machine oder Holy zu machen. Das war mir immer zu wenig. Die Devise war stets: Neues Album, neues Glück. Heute machen uns eigentlich nur noch die Setlisten sorgen. Was sollen wir nur spielen, bei so viel Material? (lacht)

Und, wie entscheidet man sich da?

Keine Ahnung, es ist der absolute Albtraum. Man kann es wahrscheinlich auch niemandem Recht machen. Irgendwas wird ja immer fehlen. Deswegen streben wir immer eine ordentliche Durchmischung an, doch mittlerweile haben sich viele Klassiker bei U.D.O. angehäuft. Und die müssen gespielt werden. Die Fans kommen doch zu uns, um diese Songs zu hören!

Gibt es eigentlich typische U.D.O.-Themen? Welche Dinge sind dir in deinen Lyrics besonders wichtig?

In unseren Lyrics waren wir immer schon sehr kritisch mit den Dingen, die um uns herum passieren – politisch, sozial, gesellschaftlich. Ich schaue mindestens einmal am Tag Nachrichten. Im Grunde reicht es, mir dabei Notizen zu machen, um schon wieder Material für ein neues Album zu haben. Für Drachen, Hexen oder Piraten habe ich mich noch nie interessiert. Das war auch schon bei Accept so.

„Ich sollte ja eigentlich die Firma meiner Eltern übernehmen…“

2021 erschien eure letzte Platte Game Over, da klingt der neue Plattentitel ja schon deutlich optimistischer. Wie hat sich deine Weltsicht in den letzten Jahren verändert?

Wie bei jedem von uns, denke ich. In Fight For Your Right besingen wir die Gründe, warum wir jetzt nicht mehr in Russland spielen können, Isolation Man hat natürlich mit den Lockdowns während der Pandemie zu tun. Wichtig ist mir nur, dass wir den moralischen Zeigefinger unten lassen. Wer sich etwas rausziehen kann, soll das tun, aber wir zwingen niemandem unsere Themen auf.

Vergangenes Jahr bist du 70 geworden. Wie hast du dir vor 50 Jahren dein Leben mit 70 vorgestellt?

Nicht so. (lacht) Man hat das damals ja alles gar nicht geplant. An Karriere oder so war nicht zu denken. Also hat man 1968 eine Band gegründet, diese Band irgendwann Accept genannt, und irgendwann kleine Konzerte gespielt. Doch selbst als es einen ersten Plattenvertrag gab, hätte ich mir niemals vorstellen können, das noch 40 Jahre zu machen. Ich sollte ja eigentlich die Firma meiner Eltern übernehmen…

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